Die Kommission versucht ihr Möglichstes, um eine taugliche Lösung auf Basis wissenschaftlicher Evidenz zu erreichen”, sagte Kommissionssprecher Enrico Brivio anlässlich eines Treffens von Agrarjournalisten zum Thema Glyphosat in Brüssel vergangene Woche. Bekanntlich hat die EU-Kommission eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat vorgeschlagen und will dazu von den Mitgliedsstaaten eine Entscheidung. Können sich die Mitgliedsstaaten nicht einigen, muss die EU-Kommission entscheiden. Genau das wollte sie aber immer vermeiden.
Rückblick: die (mögliche )Neuzulassung
Das EU-Zulassungsverfahren ist das strengste weltweit und umfasst einen mehrere Jahre dauernden wissenschaftlichen Prozess. Wird ein Wirkstoff auf EU-Ebene zugelassen, muss nach einer bestimmten Zeit (zehn bis 15 Jahre) eine Neubewertung erfolgen. Im Fall von Glyphosat läuft die Bewertung für eine Neuzulassung seit 2012.
- Das deutsche Bundesamt für Risikoforschung (BfR) kommt in seiner Analyse zum Schluss, dass Glyphosat keine krebserregende Wirkung hat.
- Im März 2015 stuft die IARC (Internationale Krebsforschungsagentur, ein Gremium der WHO) Glyphosat als “wahrscheinlich krebserregend” ein. Seitdem ist eine breite öffentliche und mediale Diskussion darüber im Gang.
- Im November 2015 veröffentlicht die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA ihren Abschlussbericht zur Neubewertung von Glyphosat (der auch die Ergebnisse der IARC mitberücksichtigt). Den Schlussfolgerungen dieses Berichts zufolge ist es unwahrscheinlich, dass Glyphosat eine krebserregende Gefahr für den Menschen darstellt.
- Im Mai 2016 stellt eine Studie des JMPR (Joint Meeting on Pesticide Residues, gemeinsames Fachgremium der UN-Welternährungsorganisation FAO und der WHO) fest, dass Glyphosat bei sachgemäöer Anwendung wahrscheinlich kein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt darstellt. Damit wird auch das ursprüngliche Ergebnis der IARC widerlegt.
Vorschau: der weitere Entscheidungsprozess
Auf Basis der Erkenntnisse von EFSA und BfR hat die EU-Kommission die Zulassungsverlängerung auf 15 Jahre vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde im “Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel” beraten, wobei es aber zu keiner qualifizierten Mehrheit kam.
- Am 1. Juni 2016 hat schlieölich die Kommission dem Ständigen Ausschuss vorgeschlagen, den Wirkstoff Glyphosat für zwölf bis 18 Monate zu verlängern. In dieser Zeit soll die ECHA (European Chemicals Agency) eine wissenschaftliche Einstufung des Wirkstoffs auf Basis des EU-Chemikalienrechts vornehmen.
- Der Ausschuss beriet diesen Vorschlag am 6. Juni 2016: 20 Mitgliedsstaaten sprachen sich dafür aus, ein Mitgliedsstaat (Malta) dagegen, sieben Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, Frankreich, Italien sowie Österreich enthielten sich. Eine qualifizierte Mehrheit wurde nicht erreicht.
- Entsprechend der EU-Richtlinien geht der Kommissionsvorschlag nun in den “Berufungsausschuss”, der mit hochrangigen diplomatischen Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten besetzt wird. Die Abstimmung erfolgt am 24. Juni 2016. Wird keine qualifizierte Mehrheit erreicht, liegt die Entscheidung bei der Kommission (Erläuterungen zum Prozess siehe Grafik).
Anwendung in den Mitgliedsstaaten
Dass es im Berufungsausschuss doch noch zu einer Lösung kommt, sei durchaus möglich, sagt die Kommission. Auch in früheren Berufungsausschüssen sei es dort noch zu Meinungsänderungen gekommen. Sie appellierte deshalb erneut an die Mitgliedsstaaten, eine Entscheidung dafür oder dagegen zu treffen. In dem Zusammenhang betonte der Sprecher, dass die Anwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln ohnehin in der Hand der Mitgliedsstaaten liege: “Die EU-Genehmigung des Wirkstoffs bedeutet nur, dass die Mitgliedsstaaten entsprechende Pflanzenschutzmittel in ihrem Gebiet zulassen können. Die Erteilung einer Zulassung hängt aber vom Nachweis einer sicheren Anwendung für die Gesundheit von Mensch und Tier und die Umwelt ab.” Was so viel bedeutet wie: Wird Glyphosat auf EU-Ebene genehmigt, könnten die Mitgliedsstaaten den Gebrauch von glyphosathältigen Pflanzenschutzmitteln trotzdem einschränken. Umgekehrt geht das aber nicht. Wird Glyphosat auf EU-Ebene verboten, haben die Mitgliedsstaaten keine Möglichkeit, auf nationaler Ebene entsprechende Pflanzenschutzmittel zuzulassen. Bei einer Genehmigung von Glyphosat auf EU-Ebene spricht sich die Kommission zudem für eine Einschränkung, etwa bei der Sikkation, aus: “Wir müssen überlegen, wo wir Pflanzenschutz anwenden und wo wir es vermeiden können. Der integrierte Pflanzenschutz ist der einzig seriöse Weg, wie wir damit umgehen können.”
Keine Schwarz-Weiß-Diskussion
Eines, das die Kommission ebenso kritisiert, ist die Art und Weise, wie die Diskussion öffentlich geführt wird: “Es geht nicht nur darum, ob wir Glyphosat verwenden oder nicht. Sondern darum, was die Alternative bei einem Verbot wäre”, so der Sprecher. Es sei zu erwarten, dass dann auf andere Mittel ausgewichen wird, von denen man nicht weiß, ob sie die gleichen, bessere oder schlechtere Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben. “Es gibt kein Schwarz oder Weiß. Es ist immer eine Kombination der verschiedenen Einfluss nehmenden Faktoren.” Das der Bevölkerung zu vermitteln, wäre jedenfalls der Diskussion zuträglich.
Anni Pichler