Liberalisierung und Deregulierung – diese Begriffe prägten den Handel mit Agrargütern in den vergangenen Jahren. Die jüngsten Entwicklungen rund um den Angriffskrieg auf die Ukraine brachten jedoch massive Turbulenzen in den globalen Handel mit Getreide und Ölsaaten. Jede weitere Eskalationsstufe zwischen zwei der bedeutendsten Getreide-Exportnationen der Welt schickt die Kurse auf Berg- und Talfahrt. Mit zunehmender Rezessionsangst scheinen die Märkte immer mehr von Fundamentaldaten abzuheben. Die Wiener Produktenbörse meldet indes eher Flaute. Die Mühlenwirtschaft sei bereits gut versorgt, auch Raps würde kaum gehandelt. Als Produzent wird die Beobachtung der Weltagrarmärkte zur Identifikation günstiger Verkaufszeitpunkte zunehmend komplex.

Physischer Handel
Grundsätzlich werden zwei Börsetypen unterschieden, welche in ihrer Funktionsweise ein reibungsloses Marktgeschehen sicherstellen sollen. Warenbörsen, wie die Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien oder die Warenbörse Bologna, „machen“ keine Preise, sondern dokumentieren tatsächlich am Kassamarkt gehandelte Waren und stellen sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Gewöhnlich passiert das durch wöchentliche Treffen der Marktteilnehmer.

Digitales Geschäft
Terminbörsen hingegen sind auf den Handel mit Kontrakten spezialisiert. Sie handeln, online oder vor Ort am sogenannten Parkett, mit Papierwerten – Futures und Optionen – und bestimmen so über die Terminnotierungen auch die Preise für tatsächlich gehandelte Waren. Inhaber von Futures können Getreide zu bestimmten Terminen in standardisierter Qualität kaufen und verkaufen – zu den in den Terminnotierungen festgelegten Konditionen – und müssen nur einen geringen Prozentanteil des Kontraktwerts sofort bezahlen.

Damit bieten Termingeschäfte auch Raum für Spekulation. Diese kann Marktentwicklungen verstärken, wie es heuer etwa im Zuge des UN-Getreideabkommens für den Schwarzmeerhandel passierte, jedoch nicht initiieren. Auch der Terminmarkt wird letztlich nur über die fundamentalen Faktoren Angebot und Nachfrage bestimmt. Die bedeutendsten Terminbörsen sind die Chicago Board of Trade (CBoT) und für den europäischen Markt die Euronext in Paris sowie die EEX in Leipzig.

Vermarktungsstrategien abwägen
Für Produzenten kann der Terminhandel eine Option darstellen, um Schwankungen der Erzeugerpreise am Kassamarkt abzufedern. Der Handel bietet den Bauern bei Kontraktabschlüssen dazu verschiedene Konditionen, bei der die Euronext-Notierungen unterschiedliche Gewichtung finden. „Kontrakte geben beiden Vertragsparteien, also Einkäufer wie Verkäufer, Sicherheit“, erklärt Andreas Jirkowsky, Bereichsleiter für Landwirtschaftliche Erzeugnisse in der Raiffeisen Ware Austria (RWA). Menge, Preis, Qualität und Lieferzeitpunkt sind darin genau festgehalten. Der Preis würde durch Angebot und Nachfrage bestimmt. „Die physischen Märkte reagieren in der Regel mit Zeitverzögerung auf die Entwicklung an den Börsen. Deshalb ist es derzeit besonders schwer, den richtigen Verkaufszeitpunkt im Getreidehandel zu finden“, weiß auch Vermarktungsprofi Jirkowsky.

Risiko oder Sicherheit
Ein zu früher Kontraktabschluss war heuer bei Weizen jedenfalls genauso wenig zufriedenstellend wie ein Zuwarten beim derzeit im Sinkflug befindlichen Raps. Jirkowsky empfiehlt den Bauern daher auch die Pool-Vermarktung zu erwägen: „Die gemeinsame Vermarktung führt für die Getreideproduzenten zu einem guten Durchschnittspreis über die gesamte Vermarktungssaison – gleichzeitig sichert eine Akontozahlung auf die Pool-Ware zeitnah nach der Ernte die Liquidität.“ Der Handel bietet den Bauern so eine deutliche Risikominderung, freilich gehen dem Erzeuger damit aber auch Höchstpreise durch die Lappen.

Aktuelles zu den Terminmärkten

Aktuelles Kursblatt der Produktenbörse

Weizen-Terminmarkt Euronext

- Bildquellen -

  • : Elypse - stock.adobe.com
- Werbung -
AUTORClemens Wieltsch
Vorheriger ArtikelBienenzentrum feiert 5-jähriges Jubiläum
Nächster ArtikelAlpenrind nach Brand zurück im Normalbetrieb