Genossenschaftlich die Energiewende schaffen

„Die Klimakrise lässt sich nicht wegdiskutieren, aber mit vereinten Kräften können wir die Energiewende schaffen“, betont ÖR Hermann Kuenz im Interview mit der Bauernzeitung zum Thema „Erneuerbare Energiegemeinschaft“. Gemeinsam mit Manuel Falbesoner vom Raiffeisenverband Tirol lieferte Kuenz hilfreiche Informationen rund um dieses wichtige und aktuelle Thema und um grundlegende Abläufe zur Gründung einer Energiegemeinschaft.

Für Landwirte stellen Erneuerbare Energiegemeinschaften ein zusätzliches Standbein dar.

Bis zum Jahr 2030 sollen 100 Prozent des österreichischen Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen sogenannte „Erneuerbare Energiegemeinschaften“ eine wichtige Rolle spielen. 

Was sind „Erneuerbare Energiegemeinschaften“ (EEG) und welches Ziel verfolgen diese? 

FALBESONER: Bei einer EEG schließen sich private Einfamilienhäuser, kleinere und mittlere Betriebe und evtl. auch die Gemeinde zu einer Gemeinschaft zusammen. Innerhalb dieser Gemeinschaft wird Strom produziert und verbraucht. Privathäuser  mit einer Photovoltaikanlage benötigen morgens und abends viel Strom, produzieren allerdings untertags die meiste Energie. Wenn diese einen Betrieb in ihrer Energiegemeinschaft haben, könnte dieser den überschüssigen Strom verbrauchen. Dafür erhält der Produzent einen besseren Preis, als wenn er ins Netz einspeist, der Betrieb profitiert ebenfalls, weil er für den Strom aus der Gemeinschaft weniger bezahlt als für Energie vom Netzanbieter. Dieses Prinzip funktioniert natürlich umso besser, je höher die Diversität zwischen Angebot und Nachfrage ist. Die Stromproduktion beschränkt sich dabei nicht nur auf Photovoltaik sondern auf sämtliche erneuerbaren Energiequellen wie Wasserkraft oder auch Wind. 

KUENZ: Das Ziel von EEG ist ganz klar, die Energiewende voranzutreiben und den Menschen die Möglichkeit zu geben, von fossilen Energien wegzukommen. Als Einzelner fühlt man sich oft nicht im Stande, diesen Umstieg zu organisieren, die Investition erscheint einem als Riesenhürde. In Form einer Gemeinschaft lässt sich das insgesamt leichter stemmen. Dazu kommt das gute Gefühl, gemeinsam  als Fraktion, Gemeinde oder Region etwas erreicht zu haben. Das führt zu einem besseren Zusammenhalt und auch das ist ein gewisser Mehrwert, der nicht zu unterschätzen ist. 

Warum ist eine Genossenschaft die ideale Rechtsform für eine EEG?

FALBESONER: Es hat sich herauskristallisiert, dass es bei EEG zwei ideale Rechtsformen gibt. Für ganz kleine Gemeinschaften ist es der Verein. Ab einer gewissen Größe ist ganz klar eine Genossenschaft die beste Wahl. Das liegt daran, dass solche Gemeinschaften oft mit wenigen Mitgliedern starten und dann kontinuierlich wachsen. Deshalb braucht es eine Rechtsform mit offenem Beitritts-charakter. Bei einer Genossenschaft kann man jederzeit ein- aber auch wieder austreten, das ist bei anderen Rechtsformen meist nur schwer möglich bzw. mit Kosten verbunden. 

KUENZ: Der Einstieg in eine EEG ist ganz einfach, man zahlt einen oder mehrere Anteile und mit Beschluss der Genossenschaft ist man dabei. Eine Genossenschaft ist eine stabile Rechtsform, die auch wirtschaften kann, wo es Verbindlichkeiten und Rechte gibt und nicht auf Gutwill und anhand mündlicher Abmachungen agiert wird. Das ist auch sehr wichtig, denn wo investiert und Strom ausgetauscht wird, muss es auch Sicherheit geben. 

Inwiefern untersützt der Raiffeisenverband Energiegemeinschaften?

FALBESONER: Der Raiffeisenverband Tirol als gesetzlich anerkannter Revisionsverband für Genossenschaften unterstützt vom Gründungsgedanken bis zur Eintragung ins Firmenbuch und darüber hinaus. Wir setzen uns mit Interessierten zusammen und überprüfen die Wirtschaftlichkeit der geplanten Genossenschaft. Diese gesamte Beratungsleistung zur Gründung einer EEG erfolgt zur Gänze kostenlos. 

KUENZ: Der Raiffeisenverband stellt diese Beratung kostenlos zur Verfügung, weil es ihm ein Anliegen ist, einen Beitrag zur Forcierung der Energiewende zu leisten. Es muss auch erwähnt werden, dass niemand so eine breite Erfahrung mit der Organisation von Genossenschaften hat, weshalb wir uns als Experten in diesem Bereich bezeichnen dürfen. Ein wesentlicher Punkt ist außerdem, dass alle zwei Jahre eine Überprüfung der Genossenschaft stattfindet. Diese trägt zur Transparenz und somit zur Sicherheit der Mitglieder bei. 

FALBESONER: Eine Frage, die sich oft stellt, ist die Abwicklung der Abrechnungen. Auch hier gibt es inzwischen einige Software-Lösungen, die diesen Prozess wesentlich erleichtern. 

Oft stellt sich die Frage, ob das Stromnetz in der Lage ist, so viele Kleinkraftwerke zu bewältigen? Wer kümmert sich um diese technischen Fragen?

FALBESONER: Die Thematik Netzkapazität ist eine der ersten Hürden, die bei der Gründung einer EEG überwunden werden muss. Für technische Fragen stehen der jeweilige Netzanbieter und die Tirol Energie zur Verfügung.   

KUENZ: Die Tinetz weiß um den Auftrag, den sie bezüglich Netzausbau zu erfüllen hat und arbeitet sukzessive daran. Es kann durchaus vorkommen, dass da und dort die Netzkapazität noch nicht ausreicht, weshalb es umso wichtiger ist, dass man sich frühzeitig mit dieser Thematik auseinandersetzt, um lange Wartezeiten zu verhindern. Es ist allerdings so, dass EEGs sogar zu einer Entlastung von Überlandleitungen beitragen können, da der Strom regional produziert und konsumiert wird. Und genau das ist ja das Ziel von EEGs – regional bzw. lokal produzieren und konsumieren, so bleibt die Wertschöpfung in der Region. 

Vielen Dank für das Gespräch!

- Bildquellen -

  • IMG 3844: Bauernzeitung
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AUTORElisabeth Angerer
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