Gastkommentar von Hans Mayrhofer,
Generalsekretär des Ökosozialen
Forum Österreich und Europa
Vor Kurzem wurde ein Entwurf des Klimaschutzgesetzes veröffentlicht. Dieser wurde prompt von vielen Interessengruppen in seine Bestandteile zerlegt. Aus der Arbeiterkammer, über Oppositionsparteien, der Wirtschaftskammer und auch der Landwirtschaftskammer erfolgte berechtigte Kritik. Nur aus den grünen Reihen vernahm man (sehr) leise Zustimmung.
Woher kommt das? Wurde hier versucht, NGO-Politik zu machen – frei nach dem Motto: „Hoch antragen, weil nachgeben kann man noch immer. Oder hat die Klimaministerin einfach probiert, mit einem politischen Manöver alle vor vollendete Tatsachen zu stellen?
Vielleicht trifft hier keine der beiden Varianten zu. Am Beispiel Klimaschutzgesetz kann man viel über „grünes Politikverständnis“ lernen.
Erstens: Die Menschen sind unbelehrbar, nur Strafen wirkt. Werden die sehr ambitionierten Klimaschutz-Jahresziele nicht eingehalten, erfolgt eine automatische Erhöhung der Mineralölsteuer und der Abgaben auf Erdgas und Kohle. Zusätzlich müssen Bund und Länder für die Nicht-Erreichung zahlen.
Zweitens: Verantwortung muss verteilt werden. Das dadurch eingenommene Geld landet in einem Zukunftsfonds, der den Klimawandel stoppen soll. Mittelverwendung und Maßnahmen? Unbekannt. Kanzler, Minister und Landesvertreter und weitere Personen müssen dann im sogenannten „Klimakabinett“ gemeinsam Maßnahmen beschließen. Diesem sollen auch Vertreterinnen und Vertreter des Klimarates angehören. Es ist hier nicht ganz leicht, den Überblick zu wahren und zu erkennen, wer dem Bürger in der Verantwortung steht. Eher lebensfremd ist der Vorschlag für die Ausgestaltung des „Klimarates der Bürger“ (KRB). Ein solcher kann dem Anspruch, einen repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft abzubilden, nie entsprechen.
Drittens: Sanktionen um jeden Preis. Der Markt wird sich schon anpassen. Wenn man den Entwurf für das Klimaschutzgesetz liest, hat man den Eindruck, dass davon ausgegangen wird, dass jede der möglichen Maßnahmen (die Auswahl und deren Tragweite gehen bis in die Regionalverwaltung) wirtschaftlich machbar ist. Durch die fehlende Planbarkeit und eine verschwurbelt skizzierte Sanktionierung wird die Wirtschaft aber eher verunsichert, und das birgt darüber hinaus noch ein hohes Risiko für das Carbon- & Biodiversity-Leakage.
Was wir brauchen, ist eine ökosoziale Wirtschaftspolitik und damit Planbarkeit, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit und die Möglichkeiten, Eigenverant-
wortung an den Tag zu legen, die gut für das Klima ist und sich rechnet. Nicht die Vergangenheit soll bestraft, sondern die Zukunft gemeinsam gestaltet werden! Statt unklarer Preissprünge und fragwürdiger Verwendung von Steuergeld braucht es jetzt regionale Erfolgsbeispiele, die zum Mitmachen anregen und zudem zielgerichtete Investitionen genau dort, „wo es brennt“, sprich: Förderungen und Entlastungen rund um alternative Kraftstoffe, die Eigenstromversorgung und vieles mehr. Dazu braucht es keine neuen Gremien, Räte und pseudodemokratische Strukturen, sondern Politikerinnen und Politiker, die geerdet sind und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Die Menschen brauchen ein klares Bild, eine politische Vision und eine Idee von der Gestaltung der Zukunft. Der systemische Wandel kann nicht durch Strafen herbeigeführt werden, sondern nur durch ein gemeinsames Ziel, in dem sich alle mit persönlichen Vorteilen wiederfinden.
Otto von Bismarck soll einst gesagt haben: „Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit.“ Die Krankheiten unserer Zeit sind eine globale Pandemie und das kippende Klima. Die Antwort kann nur durch Politiker gegeben werden, die zu ihrer Verantwortung stehen. Und sie wird ökosoziale Wirtschaftspolitik lauten.