EU-Zuckerwirtschaft verschenkt 110 Euro/t

Anlässlich der Generalversammlung des Rübenbauernbunds für NÖ und Wien gab es vor dem Hintergrund des Auslaufens der EU-Zuckerquoten eine Standortbestimmung für die heimische Zuckerwirtschaft.

Während sich der Weltmarktpreis für Zucker in den zurückliegenden Monaten etwas erholt hat, verharrt der EU-Zuckerpreis nur knapp über dem Referenzpreis der EU (rote Linie). ©EU-Kommission
Während sich der Weltmarktpreis für Zucker in den zurückliegenden Monaten etwas erholt hat, verharrt der EU-Zuckerpreis nur knapp über dem Referenzpreis der EU (rote Linie). ©EU-Kommission
Den Markt an die Kapazitäten anpassen oder die Kapazitäten an den Markt anpassen – an dieser entscheidenden Weggabelung sieht Ernst Karpfinger in seiner Funktion als Obmann des Rübenbauernbunds für NÖ und Wien die europäische Zuckerwirtschaft stehen. Denn angesichts des Auslaufens der EU-Quotenregelungen für Zucker und Isoglucose per 30. September 2017 habe sich bereits seit Jahresbeginn 2015 ein für den gesamten EU-Zuckersektor extrem ungesunder Preiswettbewerb ergeben. Mit etwa 420 bis 430 Euro pro Tonne sei Zucker in Europa “so billig ist wie noch nie”. Aufgrund des in den letzten Monaten leicht anziehenden Weltmarktpreises, sei der EU-Markt sogar für jene Länder unattraktiv geworden, deren Zuckerlieferungen keinerlei Zöllen unterliegen.

Verdrängungswettbewerb schon vor dem Quoten-Aus

Ernst Karpfinger ruft Europas Rübenbauern dazu auf, die Produktion an den Markt anzupassen. ©HAMPÖLZ
Ernst Karpfinger ruft Europas Rübenbauern dazu auf, die Produktion an den Markt anzupassen. ©HAMPÖLZ
Ausgehend von 380 Euro/t als durchschnittlichem Weltmarktpreis seit etwa Jahresbeginn 2016, zuzüglich etwa 60 Euro/t für Transportkosten und 100 Euro/t Zoll, könnte der Zuckerpreis in der EU etwa 540 Euro/t betragen. Tatsächlich erzielt wurden aber nur etwa 430 Euro/t. Karpfinger: “Wie lange wollen Rübenbauern und Industrie das durchhalten?” Erklärbar sei dies nur durch einen ungezügelten Verdrängungswettbewerb, auf den sich Europas Zuckerwirtschaft schon im Vorfeld des Auslaufens der EU-Zuckerquoten einlasse. Dahinter stünde die Strategie, den Markt an die Kapazitäten anzupassen, was Karpfinger für verfehlt hält. Statt die Mengen weiter auszudehnen und damit schlechte Preise in Kauf zu nehmen, plädiert er dafür, die Produktionskapazitäten an den Markt anzupassen. Es liege in der Eigenverantwortung der Zuckerkonzerne und der Landwirte, das Marktgleichgewicht herzustellen; dazu gehören auch der Abbau von Kapazitäten und die Bereinigung der Fabrikstandorte.
In Österreich sah Karpfinger anlässlich der in der Vorwoche abgehaltenen Generalversammlung des Rübenbauernbunds für NÖ und Wien “die Hausaufgaben gemacht”. Im Jahr 2006 sei das Werk Hohenau geschlossen worden, die verbliebenen Werke seien mit durchschnittlichen Kampagnedauern von 130 Tagen wettbewerbsfähig, das Rübenplatzsystem bewähre sich dabei, Agrana habe wichtige Märkte aufgebaut, und die Defizitmärkte Osteuropas würden frachtkostengünstig vor Österreichs Haustür liegen.
Auch wenn “schwierige Zeiten” bevorstehen könnten, setzt der Obmann des Rübenbauernbunds auf eine fortgesetzt gute Zusammenarbeit mit Agrana. Durch Mitsprache auf Augenhöhe sei es möglich, dass “Schmerzen und Erlöse gerecht verteilt” würden. Liefermengen und Preisgestaltung werden in Zukunft auf vertraglicher Grundlage erfolgen. Dazu sei es notwendig, dass es ab 2017 nur noch “eine Kategorie von Rübenbauern” gebe. Deshalb soll eine außerordentliche Generalversammlung am 25. Mai 2016 die Verschränkung von Rübenbauernbund und Özvg beschließen.

Marihart: “Dieser Preiswettbewerb ist unsinnig”

Johann Marihart zu den Rübenbauern:
Johann Marihart zu den Rübenbauern: “Werksschließungen sind nicht geplant, wenn Ihre Rübe da ist.” ©Hampölz
Johann Marihart, Vorstandsvorsitzender der Agrana, wies in seinem Grußwort auf den “unsinnigen Wettbewerb” in der europäischen Zuckerbranche hin, durch den es trotz bis 2017 aufrechter Quoten für Rübenzucker und Isoglucose bereits seit 2015 einen ruinösen Preiswettbewerb gebe. Als Präsident der Vereinigung der EU-Zuckerproduzenten (Cefs) weise er die EU-Kommission wiederholt darauf hin, dass es ihre Rolle sei, die Versorgung sicherzustellen und nicht, die Preise zu regulieren. Marihart: “Wir haben in der EU ein Preisproblem, und das ist hausgemacht.” Gegenüber den Rübenbauern betonte Marihart, dass man an in der Agrana an die Zukunft des Rübenzuckers glaube. Schließungen seien nicht beabsichtigt, “wenn Ihre Rübe da ist.”

Plank: “Der Höhenflug des Ölpreises ist Geschichte”

Josef Plank:
Josef Plank: “Klimaschutz braucht Lenkungsmaßnahmen, wie beispielsweise das Ökostromgesetz.” ©Hampölz
Es werde nie mehr einen so hohen Ölpreis geben, wie wir das bisher erlebt haben, mit dieser Analyse der Beschlüsse der Weltklimakonferenz in Paris, 2015, lies der designierte Generalsekretär der LK Österreich aufhorchen. Die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf höchstens 2 °C bedeute bis etwa zur Mitte dieses Jahrhunderts einen kompletten Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Die enge Koppelung der Preise agrarischer Güter an den Ölpreis sei somit ab sofort zu hinterfragen. Ohne schmerzliche Lenkungsmaßnahmen werde das Ziel jedoch nicht erreichbar sein, so Plank. “Hochziehen” will Plank auch das Thema der Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln im Gastro- und Cateringbereich. Dies mache nicht nur Freunde.

Pröll: “Steigerung der Produktivität ist ein Muss”

Josef Pröll:
Josef Pröll: “Österreichs Lebensmittelsektor ist exportorientiert. Es gilt, den Wettbewerb anzunehmen.” ©Hampölz
Josef Pröll, Generaldirektor der Leipnik Lundenburger AG, des Eigentümers des Mühlenkonzerns Good Mills (900 Mio. Euro Jahresumsatz, Marktführer in der EU), zeigte sich in seiner Festansprache vor der Generalversammlung der Rübenbauern überzeugt davon, dass Österreichs Landwirte und Lebensmittelverarbeiter vor der Herausforderung stehen, Produktivität und Kostenbewusstsein weiter zu steigern. Pröll: “Wir müssen wissen, wo unsere Margen zustande kommen und wir brauchen als Antwort auf die Konzentration im Lebensmittelhandel auch kritische Unternehmensgrößen in der Verarbeitung und Markenstrategien.” Der Strukturwandel in der Müllerei sei noch im Gang, derzeit befänden sich 65 % der Kapazitäten noch in privater Hand.

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