BauernZeitung: Das Corona-Virus, der Ukraine-Krieg, steigende Betriebsmittelkosten und der Klimawandel – es sind zahlreiche Herausforderungen, welche die Bauernfamilien in den vergangenen Monaten massiv beschäftigt und sicher auch Ihre Arbeit stark geprägt haben.
Langer-Weninger: Ja das stimmt. Es hat selten eine Zeit gegeben, in der die Landwirtschaft von so vielen großen weltweiten Krisen auf einmal betroffen war. Das alles zusammen fordert und prägt uns massiv in unserem täglichen Tun.
Gemeinsam mit Bauernbund-Direktor Wolfgang Wallner sind Sie heuer über den Sommer durch alle Bezirke getourt. Wie ist die Stimmung in der Bauernschaft und welche Themen brennen den Bäuerinnen und Bauern besonders unter den Nägeln?
In meiner neuen Funktion als Bauernbund-Landesobfrau war es mir wichtig, gleich zu Beginn draußen in den Bezirken bei den Funktionären und Mitgliedern unterwegs zu sein. Die Teuerung sowie die Verfügbarkeit von Betriebsmitteln waren dabei ein zentrales Thema in Verbindung mit der Schaffung von Einkommen auf den Betrieben. Das ist die große Herausforderung, um die es am Ende des Tages für jede Bäuerin und jeden Bauern geht. Die Stimmung ist auf Grund der allgemeinen Situation derzeit natürlich etwas getrübt.
Kürzlich wurde der Grüne Bericht präsentiert. Entgegen dem bundesweiten Trend sind die Einkommen der oberösterreichischen Landwirte um drei Prozent zurückgegangen. Worauf ist das zurückzuführen?
Oberösterreich ist ein sehr starkes Tierhaltungsbundesland mit einer intensiven Veredelungswirtschaft. Insbesondere im Schweinebereich haben wir massive Rückgänge und Einkommenseinbußen gehabt. Zudem haben die Betriebe im Land ob der Enns vergangenes Jahr sehr viel investiert.
Die Lebensmittelpreise steigen derzeit rasant an. Gibt es Betriebssparten, die sich dadurch jetzt über mehr Marge freuen können oder schlagen die gestiegenen Kosten bei Betriebsmitteln auf allen Höfen deutlich stärker zu Buche?
Die Lebensmittelpreise steigen zwar, aber die Landwirtschaft kämpft massiv mit den steigenden Betriebsmittelpreisen – angefangen bei Dünge- und Futtermitteln bis hin zu Energie wie Strom und Diesel. Davon sind alle Betriebssparten betroffen.
Die Regierung hat kürzlich das sogenannte Versorgungssicherheitspaket in Höhe von 110 Millionen Euro präsentiert. Ein Viertel davon wird an die Betriebe in Oberösterreich gehen. Das macht im Schnitt umgerechnet circa 1000 Euro pro Betrieb. Reicht das oder braucht es hier noch weitere Entlastungen für die Bäuerinnen und Bauern?
Das war ein erster Schritt im Entlastungsreigen, der für die Betriebe wichtig war. In Oberösterreich haben wir uns intensiv dafür eingesetzt, dass bei der Auszahlung auch der GVE-Besatz einen Niederschlag findet und nicht nur über die Fläche ausbezahlt wird. Als intensives Tierhaltungsbundesland bekommen wir dadurch einen größeren Brocken vom Budget. Weitere Entlastungsmaßnahmen wird es im Energiebereich geben. Wir sind derzeit in Verhandlung mit der Bundesebene und ich hoffe, dass wir auch hier rasch zu einer Einigung kommen.
Während es die letzten Jahre einen starken Trend zu regionalen und biologischen Produkten gab, greifen laut einer Studie zwei Drittel der Konsumenten auf Grund der Teuerung jetzt verstärkt zu günstigeren Lebensmitteln. Andererseits werden die Forderungen nach mehr Tierwohl und Umweltschutz lauter. Kann man hier von schizophrenen Konsumenten sprechen?
Jeder, der mehr Tierwohl, Klima- und Umweltschutz verlangt, ist aufgerufen, das auch in seinem Konsumverhalten umzusetzen. Nur zu verlangen und zu fordern ist zu wenig. Grundsätzlich habe ich aber derzeit Verständnis dafür, da es ja allen so geht. Auch wir auf den bäuerlichen Betrieben müssen überlegen, was wir uns im täglichen Gebrauch leisten können. Es ist aber nicht so, dass die ausländischen Lebensmittel billig sind und die inländischen nicht leistbar. Es muss insgesamt ein Umdenken geben im Preisbewusstsein und im Hinblick auf den Wert von Lebensmitteln. Auch wenn man regional einkauft, kann man durchaus preisbewusst ein Essen für die Familie auf den Tisch bringen. Ansetzen müssen wir auch bei der Lebensmittelverschwendung. Nach wie vor wird ein Drittel der Lebensmittel weggeschmissen.
„Die Bäuerinnen und Bauern kämpfen derzeit massiv mit den steigenden Betriebsmittelpreisen.“
michaela langer-weninger
Viele Bauern haben zuletzt hohe Investitionen auf ihren Betrieben in genau diesen Bereichen getätigt. Besteht hier aufgrund der hohen Inflation die Gefahr der Auslistung heimischer Premium-Produkte durch den Lebensmitteleinzelhandel, weil diese für viele nicht mehr leistbar sind?
Hier sind alle entlang der Wertschöpfungskette in der Pflicht. Jene, die vorher gefordert haben, dass sich die Landwirtschaft verändern und Produktionszweige anpassen soll, müssen diese Produkte jetzt listen und im Regal auch entsprechend platzieren. Die Tierwohl-Programme müssen sich an den Markt angepasst entwickeln. Es muss und wird aber künftig auch in den anderen Segmenten und somit für jede Geldbörse produziert werden. Der Markt wird entscheiden, zu welchen Produkten gegriffen wird und welche Qualitätsprogramme mehr oder weniger Niederschlag finden.
Die Agrarstrukturerhebung hat ergeben, dass die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in OÖ von 2010 bis 2020 von 33.300 auf 29.100 zurückgegangen ist – wie kann man gegen das Höfesterben ankämpfen?
In Oberösterreich hat sich das Zusperren der Höfe reduziert. In der letzten Dekade betrug der Rückgang mehr als 20 Prozent und jetzt 12,5 Prozent. Es ist aber nach wie vor schade um jeden Betrieb, der aufgibt, auch weil damit etwas in der Region verloren geht. Wir müssen daher politisch Rahmenbedingungen vorgeben, die es den Betrieben ermöglichen, auch wirtschaften zu können. Zudem braucht es für junge Landwirte einen Anreiz, die Betriebe weiterzuführen. Grundvoraussetzung hierfür ist, dass ein Einkommen auf den Höfen erwirtschaftet werden kann. Ganz wird man den Strukturwandel aber nicht stoppen können, da Mechanisierung, Technologisierung und Digitalisierung fortschreiten und dadurch größere Betriebe bewirtschaftet werden. Unser großer Vorteil ist aber, dass die Betriebe mit 95 Prozent fast alle familiengeführt sind. Das unterscheidet uns von vielen anderen Ländern in Europa.
Der nationale GAP-Strategieplan wurde seitens der EU jetzt genehmigt. Für Umweltmaßnahmen sind die Mittel angestiegen. Wieviel Prozent der oberösterreichischen Bäuerinnen und Bauern werden sich schätzungsweise an den ÖPUL-Maßnahmen beteiligen?
Das lässt sich momentan noch schwer einschätzen. Es gibt zwar mehr Geld, aber auch höhere Anforderungen. Es ist für jeden Betrieb eine einfache Rechnung: Kann ich mehr erwirtschaften, wenn ich Marktfrüchte am freien Markt verkaufe ohne ÖPUL-Maßnahmen, oder kann ich mit der Teilnahme die Mindererträge bzw. den Mehraufwand betriebswirtschaftlich darstellen. Auf Grund der aktuellen Situation der Marktpreise wissen wir, dass wir wahrscheinlich mehr Betriebe aus dem ÖPUL verlieren werden als in der letzten Periode.
Das Land Oberösterreich hat seine Photovoltaik-Strategie adaptiert und Erleichterung auf agrarischen Flächen geschaffen. Einerseits können Bauern als Energiewirte derzeit sehr viel Geld verdienen, andererseits werden die Flächen für die Lebensmittelproduktion benötigt, um die viel zitierte Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Wie schafft man diesen Spagat?
Es ist ein großer Spagat, der hier zu schaffen ist. Die PV-Strategie gibt aber einen sehr klaren Weg vor. Die besten Bonitäten sind ausgeschlossen. Darunter sind Doppelnutzungen möglich, sofern das Raumordnungsverfahren positiv ist. Wobei aber auch hier 75 Prozent der Fläche für landwirtschaftliche Nutzung gewährleistet sein muss. Auf schlechteren Bonitäten sind dann auch Freiflächen möglich. So ergibt sich für die Landwirte die Chance, Energiewirtschaft zu betreiben und gleichzeitig die Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen.
Eine weitere erneuerbare Energie aus Bauernhand ist Biomasse. Nun wird auf EU-Ebene über Einschränkungen debattiert. Wie beurteilen Sie die Diskussionen angesichts der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und des drohenden Gasstopps aus Russland?
Diese Diskussionen, die derzeit auf der europäischen Ebene geführt werden, kann ich überhaupt nicht verstehen. Wir brauchen die Biomasse. Sie ist der größte erneuerbare Energieträger, den wir in Österreich haben. Hierzulande wird mit dem Wald sehr nachhaltig umgegangen, da nicht mehr entnommen wird, als wieder nachwächst. In anderen Ländern ist dies nicht der Fall, weshalb man hier zwischen den Mitgliedsstaaten differenzieren muss. Der Bundeskanzler und die zuständige Ministerin müssen hier auf europäischer Ebene vehement das Wort erheben.
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- Michaela Langer-Weninger: Land OÖ