Eine Welt in Aufruhr. Unter diesem Titel informierte der internationale Marktnachrichtendienst AgriBriefing am 16. März über die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf die weltweiten Getreide-, Ölsaaten- und Futtermittelmärkte.
Exportstopp und Panikreaktionen
Für die Getreidemärkte berichtete Hemeline Macret vom französischen Marktanalysten Strategie Grains, dass Russland und die Ukraine für ein Volumen von etwa 30 Prozent des Welthandels stehen. Die Schwarzmeerhäfen der Ukraine und die russischen Häfen im Asowschen Meer wurden im Zuge der Kriegshandlungen für Exporte geschlossen. Weiters seien wichtige russische Banken im Zuge der westlichen Sanktionen vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen.
Verschärft werde die Angebotslücke laut Macret noch durch Panikreaktionen einzelner Länder. Sie nannte dazu den von Ungarn verhängten Exportstopp von Getreide, der gegen die Regeln des gemeinsamen Marktes verstößt. Außerhalb der EU haben beispielsweise Serbien und Montenegro Export- reduktionen bzw. -kontrollen angekündigt.
Am stärksten seien die Auswirkungen bei Weizen, von dem in den nächsten Monaten etwa fünf Millionen Tonnen aus der Ukraine auf dem Weltmarkt fehlen werden. Bei Mais hat man in der laufenden Saison bis Ende September in Summe 33 Mio. Tonnen an Exporten aus der Ukraine erwartet. Davon fehlen akutell noch etwa 12 Mio. t, was für die inernationalen Märkte einen „kolossalen Ausfall“ darstelle. Ähnliches gelte für Russland, das nur noch in direkt benachbarte Länder Weizen und Mais liefern könne, bei allen anderen Exportzielen gehe die Tendenz Richtung null.
EU wird mehr exportieren und weniger importieren
Mehrexporte zur Verkleinerung der Angebotslücke erwartet Macret bei Weizen aus Australien, Indien, den USA und aus der EU. Bei Mais könnten nur Nord- und Südamerika etwas Ausgleich schaffen. Die EU sieht Macret von einem Doppeleffekt betroffen – es werde mehr Weizen exportiert als erwartet, und es werde weniger Mais importiert, zumal der wichtige Lieferant Serbien verlautbart hat, seine Exporte zu kontrollieren. Das hat auch für den agrarindustriellen Sektor in der EU Folgen. Beispielsweise könnte die Ethanolerzeugung mangels Rohstoff oder wegen hoher Preise bis Jahresmitte gezwungen sein, Produktionen herunterzufahren.
Macrets Fazit: Auch wenn die Häfen demnächst den Betrieb wieder aufnehmen, bleiben die Lagerstände in den Exportländern zumindest bis September 2023 niedrig. Die Versorgungslage bleibt also angespannt, und die Preise bleiben hoch für lange Zeit.
Die Knappheit bei Mais hat auch Folgewirkungen auf Futterzusatzstoffe wie Aminosäuren. Hier ist China praktisch weltweit der Alleinversorger. Die Verteuerung der Grundstoffe Mais und Sojaschrot wird auch die Aminosäurepreise nach oben treiben. In China wirken zudem die rigiden Covid-Maßnahmen bremsend auf die Produktion.
Marktturbulenzen auch bei Tilapia und Alaska-Seelachs
Weitreichende Folgewirkungen hat auch der aktuelle Preisauftrieb bei Eiweißfuttermitteln. Sojaschrot hat, verstärkt durch die Ukraine-Krise, ebenfalls bisher nicht gekannte Höchstnotierungen erreicht. Das bedeutet zunächst für die Schweine- und Geflügelmast einen deutlichen Preisschub. Weltweit ist von den hohen Sojaschrotpreisen vor allem die Aquakultur betroffen. Hier nimmt HP-Soja als Ersatz für das kostspielige Fischmehl immer höhere Anteile ein. Laut Angel Rubio vom US Branchendienst Urner Barry-Consulting wird das vor allem in Süd-Ost-Asien das dort sehr bedeutende Tilapia-Farming stark betreffen. Hohe Fischpreise könnten zu Unruhen in der Bevölkerung führen.
Ebenfalls gravierende Auswirkungen erwartet man aufgrund der Russlandsanktionen beim Angebot von Futterphosphaten. Hier ist Russland der zweitwichtigste Anbieter auf dem Weltmarkt. Ersatz ist nicht ohne Weiteres verfügbar.
Führender Versorger für die EU ist Russland auch beim „Alaska Seelachs“ (Pollock). Rund 170.000 Tonnen kamen im Vorjahr aus dem fernen Osten Russlands in die EU. Diese Lieferungen sind aufgrund der Sanktionen nun gestoppt.
www.strategie-grains.com
Hans Maad