Die Nutztierhaltung im Spannungsfeld der Zeit

Über die längerfristigen, strategischen Herausforderungen der Nutztierhaltung wurde bei der Arbeitstagung der Landwirtschaftskammer Oberösterreich mit Experten intensiv diskutiert.

Immer mehr befinde sich die Nutztierhaltung in einem Spannungsfeld. So seien es Themen wie etwa das Tierwohl, der Beitrag der Landwirtschaft zu den Treibhausgas-Emissionen oder die Nahrungskonkurrenz zwischen Mensch und Tier, die die Haltung von Nutztieren immer mehr in Frage stelle. Um sich über Kritikpunkte auszutauschen und positive Fakten über die Nutztierhaltung darzulegen, wurde bei der Arbeitstagung der oberösterreichischen
Landwirtschaftskammer mit Kay-Uwe Götz vom bayrischen LfL-Institut für Tierzucht sowie Landwirtschaftskammer-Funktionären diskutiert.

Vorausdenkend wirtschaften

Einleitend betonte Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Waldenberger, dass sich die Bäuerinnen und Bauern mit den Veränderungen, die in vielen Bereichen längerfristig anstehen, schon jetzt beschäftigen müssen. „Die Nutztierhaltung wird oft negativ dargestellt, das ist für uns als Bauern herausfordernd. Wir müssen aber auf die größeren Zusammenhänge achten und für zukünftige Entwicklungen die wissenschaftliche Begleitung suchen“, so Waldenberger.

Aus für „Wachse oder Weiche“?

Bis vor einigen Jahren konnte das landwirtschaftliche Einkommen nur durch betriebliches Wachstum gesteigert werden. Laut Götz werde dieser Ansatz mittlerweile jedoch von vielen Seiten immer mehr angezweifelt, denn von einer „guten“ Nutztierhaltung verlange die Gesellschaft heutzutage mehr als nur die Einhaltung von Mindeststandards beim Tierschutz. Ein weiteres Problem bestehe darin, dass die Nachfrage nach Lebensmitteln durch den Bevölkerungsanstieg bis zum Jahr 2050 massiv steigern werde. So sei es kaum vorstellbar, dass die benötigten Lebensmittel ohne Flächenmehrung produziert werden können. Landnutzungsänderungen mit massiven Folgen für die Biodiversität wären dadurch unvermeidlich.

Die „Nutztierwende“ stehe an

„Wir würden bis 2050 zusätzlich die Fläche von Australien brauchen, um die zusätzlich benötigten Mengen von Fleisch und Milch erzeugen zu können. Dieses Dilemma können
wir nur lösen, indem wir die Nutztierhaltung so umgestalten, dass keine Nahrungskonkurrenz mehr zum Menschen besteht. Der Konsum von tierischen Erzeugnissen wird weiter reduziert werden“, so Götz. Daher brauche es eine sogenannte „Nutztierwende“. Damit meine man, dass die Nutztierhaltung mittel- und längerfristig noch stärker kreislauforientiert, biodviersitätsfördernd, ohne Nahrungskonkurrenz zu Mensch und Tier sowie möglichst klimaneutral werde.

Der Weg der essbaren Biomasse

Von Veganern werde selten beachtet, dass auch bei der Produktion von einem Kilo veganer Lebensmittel vier Kilo nicht durch den Menschen essbare Biomasse anfällt. Diese Nebenprodukte würden auf drei Arten genutzt werden können: durch Verbleib auf dem Acker, Vergärung in Biogasanlagen oder Veredelung über Nutztiere. „In einer echten Kreislaufwirtschaft ist der dritte Weg im Vorteil“, betont Götz. Würde die Nutztierfütte­rung aber insgesamt auf die vom Menschen nicht essbare Biomasse umgestellt, dann hätte dies gravierende Folgen. So würde etwa die Schweine- sowie Geflügelproduktion dadurch deutlich reduziert werden. Wiederkäuer könnten hingegen die Produktion von Lebensmitteln am besten aufrechterhalten.
Für Götz sei klar, dass auch 2040 noch viele Nutztierte gehalten werden. Die Frage sei jedoch, wie für die Nutztierhaltung mehr Akzeptanz geschafften werden kann. Denn die Nutztierhaltung stehe oft zu Recht, genauso oft aber auch zu Unrecht in der Kritik.

Die Kuh ist kein „Klimakiller“

Insbesondere Wiederkäuer seien für die Sicherstellung der menschlichen Er­nährung eine Lösung, denn sie erhalten marginale Standorte wie exten­sives Grünland. Die Nutztierhaltung fördere zudem das Bodenleben und die Biodiversität. Darüber hinaus seien Kühe – wie oftmals dargestellt – keine „Klimakiller“. Denn das Methan, welches von den Kühen ausgestoßen wird, baue sich innerhalb von 20 Jahren wieder ab. Methan würde sich daher nicht so dauerhaft in der Atmosphäre anreichern wie CO2. Dennoch gelte es neue Methanquellen zu vermeiden.

Mehr Platz für Fakten ist nötig

Generell müsse in den aktuellen Diskussionen wieder mehr Platz für Fakten sein. Denn zu oft werde die Nutztierhaltung über einfache Erklärungen in ein schlechtes Licht gerückt. „Insgesamt kommt es in Zukunft darauf an, aus der begrenzt verfügbaren, landwirtschaftlichen Nutzfläche mit möglichst geringer Umwelt- und Klimawirkung ein Optimum an Lebensmitteln zu erzeugen. Dieses Ziel wird nur unter der Einbindung von Wiederkäuern wie Rinder, Schafe und Ziegen zur Nutzung der in Österreich prägenden Grünlandflächen erreicht. Das Grünland ist nur über die Milch- und Fleischproduktion für die menschliche Ernährung nutzbar und sowohl in Österreich als auch weltweit für die Ernährungssicherung absolut unverzichtbar“, betonte Waldenberger. Denn gerade in Berggebieten gebe es zur Milch- und Fleischproduktion keine wirkliche Alternative, doch auch die Schweine- und Geflügelhaltung werde aufgrund der höheren Futter- und Klimaeffizienz weiter unverzichtbar bleiben. So sei der Austausch zwischen Landwirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft weiterhin unabdingbar, um auf die wirtschaftliche Machbarkeit und die Mitverantwortung der Konsumenten hinzuweisen.

- Bildquellen -

  • Kuh im Grünland: Peter Atkins - Stock.Adobe.Com
- Werbung -
AUTORred. AL
Vorheriger ArtikelBlau-gelbes Schulstartgeld: 100 Euro für jedes Kind
Nächster ArtikelDiplomarbeit zur Rolle der Tiroler Bäuerinnen