„Die nächsten Tage werden entscheidend sein“

Thomas Brunner, gebürtiger Oberösterreicher, ist Großbauer in der Ukraine. Angesichts der aktuellen Lage im Kriegsgebiet warnt er vor einer Hungersnot.

Ein Bild aus besseren Tagen: Thomas Brunner auf seinem Betrieb in der Ukraine Foto: privat

„Es ist eine absolute Katastrophe“, so die Reaktion von Thomas Brunner (45) auf das aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine. Seit zehn Jahren bewirtschaftet der Landwirt aus St. Florian bei Linz (OÖ) mit seinen 35 Mitarbeitern 250 Kilometer südlich der Hauptstadt Kiew einen für dortige Verhältnisse „mittelgroßen Betrieb“, eine ehemalige Kolchose, mit 1.200 Hektar Ackerbau sowie 400 Zuchtsauen und 2.700 Mastplätzen. „Den Bestand werden wir reduzieren, da bereits zehn Mitarbeiter einen Einberufungsbefehl erhalten haben“, erklärte Brunner, der mit seiner ukrainischen Frau und den beiden gemeinsamen Kindern das Land Ende Februar verlassen hat und derzeit in Österreich weilt.
Neben der massiven Verteuerung hätten die ukrainischen Landwirte derzeit auch ein Cash-Flow-Problem. „Der Schweineverkauf hat aufgrund der Logistik zwei Wochen lang nicht funktioniert. Zudem können wir die Ernte, die auf Lager liegt, nicht verkaufen, weil der Hafen in Odessa zu ist. Betriebsmittel erhält man derzeit aber nicht wie üblich auf Kredit, sondern nur gegen Sofortbezahlung“, so Brunner.
Die aktuelle Lage könnte sich noch weiter verschärfen, da nicht nur
Arbeitskräfte und Betriebsmittel fehlen, sondern russische Streitkräfte mittlerweile auch gezielt agrarische Infrastruktur angreifen würden. Brunner warnt vor den massiven Auswirkungen auf die weltweite Ernährungssicherheit und fordert daher, „maximalen Druck auf Russland auszuüben“ und Sanktionen wie das Handelsembargo zu verschärfen, damit Putin den Krieg beendet: „Die nächsten Tage werden entscheidend sein. Sollte in der Ukraine jetzt im Frühjahr kein Anbau möglich sein, werden in Nordafrika bis zu zwei Millionen Menschen dem Hungertod zum Opfer fallen.“
Seine Befürchtungen teilte Brunner auch Landwirtschaftsministerin
Elisabeth Köstinger bei einem Treffen in Linz mit. Diese brachte das Thema Ernährungssicherheit Anfang der Woche beim EU-Agrarministerrat ein.

Elisabeth Köstinger: „Wir müssen jetzt handeln“
„Dieser Krieg zeigt einmal mehr die dringende Notwendigkeit, dass sich ein starkes Europa selbst mit Lebens- und Futtermitteln versorgen können muss“, so Köstinger, die die Kommission zur Ausarbeitung einer EU-Eiweißstrategie aufforderte, um bei Futtermitteln unabhängiger von Drittländerimporten zu werden.
Die Agrarminister forderten zudem, das bereits vorgeschlagene EU-Maßnahmenpaket sofort umzusetzen. Dieses beinhaltet Ausnahmeregelung zur Nutzung von Brachflächen, Vorschusszahlungen von Direktzahlungen, private Lagerhaltung von Schweinefleisch sowie die Schaffung von Regeln zur Ermöglichung staatlicher Beihilfen. „Wenn wir die Brachefläche nutzen wollen, dann braucht es jetzt die notwendigen Maßnahmen. In zwei bis drei Wochen ist es zu spät. Wir müssen jetzt handeln, damit wir die Ausfälle in der Ukraine zumindest teilweise kompensieren können“, forderte Köstinger.

Brunner will zurückkehren, sobald die Lage sicher ist
Indes richtet sich der Blick von Brunner in Richtung seiner zweiten Heimat: „Ich habe dort viele Freunde und bin von dem Land und den Menschen begeistert. Die Ukraine ist ein friedliches Land. Sobald die Lage dort wieder sicher ist, werden wir zurückkehren und beim Wiederaufbau des Landes helfen.“ Währendessen kümmert er sich hierzulande um den von ihm gegründeten Verein „Sunua“ (Support Ukraine now Upper Austria), der bereits 60 Tonnen Hilfsmittel in die Ukraine verschickt hat und bietet sich als Anlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge an.

Thomas Mursch-Edlmayr

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AUTORRed. SN
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