Wann sie an diesem Tag Zeit hätte? Da muss Christine Schragl vom Freihaushof in Mayrhofen im Zillertal nachdenken: Sie zählt auf: Haushalt und Kinder, Besuch im Altersheim, Kuchen machen, Brot backen, beim Heuen helfen und dann schaut sie an diesem Tag auch noch hinauf auf die Alm. Es ist die familieneigene Schaftenheu Alm am Hochschwendberg oberhalb von Hippach, die ihr Schwiegervater 1989 gekauft hat und die seit 16 Jahren Christine und ihr Mann Veit bewirtschaften. 360 Hektar ist sie groß, der Niederleger liegt auf 1.800 Meter, der höchste Melkpunkt auf 2.200 Meter. 20 hofeigene Milchkühe und 20 Stück Lehnvieh sowie ein paar prächtige Almschweine freuen sich hier über Auslauf.
Das Gefühl von Freiheit
Aber auch für die Familie selbst bedeutet das Almleben trotz der vielen Arbeit das Gefühl von Freiheit inmitten wunderschöner Natur. „Die Alm, das ist unser Lebensmittelpunkt“, erzählen Christine und Veit. „Sobald die Almwiesen ausgeapert sind, sind wir schon droben und bereiten alles für den Almsommer vor und dann verbringen wir bis zum Almabtrieb am Rosenkranz-Samstag so viel Zeit wie möglich gemeinsam auf der Alm.“
Veit, der schon als Kind als Hüterbub im Einsatz war und auf der Alm die Tiere betreut, verlässt die Alm während des Sommers hauptsächlich zur Heuernte und zum Mähen der steilen Bergwiesen. Christine, die ebenfalls einem landwirtschaftlichen Betrieb entstammt (dem Paulerhof in Stumm) und ausgebildete Touristikerin ist, muss sich während des Sommers um Hof und Gästehaus kümmern, da sie aber auch ihren Teil der Land- und Almwirtschaft erfüllt, nützt sie jede Gelegenheit, das Familienleben im Sommer auf die Alm zu verlegen.
Davon ließ sie sich auch nicht durch ihre Schwangerschaften abhalten. Für die Geburten ihrer beiden Söhne fuhr sie von der Alm direkt ins Krankenhaus und war ein paar Tage später schon wieder auf der Alm im Einsatz – mit einem neugeborenen Baby in der Wippe.
Die Kinder lernen hier viel
Den Kindern – Johannes ist mittlerweile acht und Josef vier Jahre alt – tut das Almleben gut, sind Christine und Veit überzeugt: „Sie lernen beim Mithelfen sehr viel über die Natur und die Tiere und stellen sich auch bei handwerklichen Arbeiten schon recht geschickt an. Und das einfache Leben auf der Alm ohne besondere Annehmlichkeiten und ohne Computer ist auch ein gutes Training für Bescheidenheit.“ Das ist ein Mehrwert, den die Familie bedenkt, wenn sie über die Rentabilität der Alm nachdenkt. „Wenn man den Stift ansetzt und alles genau durchkalkuliert sowie den immensen Arbeits- und Zeitaufwand dazuzählt, dann wirft unsere Alm nicht sehr viel ab, aber wir sind Idealisten, das Almleben gehört zur bäuerlichen Tradition, außerdem sind wir überzeugt, dass die Milch von Almkühen besser schmeckt.“
Umstellung auf
Bio-Landwirtschaft
Als Idealisten wollen sie auch demnächst ihren Traum vom Biobauernhof umsetzen, alles dafür Nötige haben sie bereits in die Wege geleitet. „Es braucht sechs Monate, bis die Kühe von der konventionellen Haltung umgestellt sind, und wir hoffen, dass im nächsten Sommer dann schon unsere Biokühe auf der Alm weiden. Nachhaltige Kreislaufwirtschaft betreiben wir auf dem Freihaushof ja schon lange, es wird für uns also keine große Umstellung sein.“
Die Milch wird zum Teil in die ErlebnisSennerei Zillertal geliefert, zum Teil direktvermarktet. Butter stellt Christine selber her. Die Kühe werden auf der Alm in Koppelwirtschaft gehalten und es wird darauf geachtet, dass sie mindestens alle drei Tage eine frische Futterwiese zur Verfügung haben. Heuer mussten wegen des vielen Regens die Viehzäune besonders oft versetzt werden, weil die Flächen schnell matschig wurden. „Die Kühe sind unsere Schätze“, sagt Veit. „Und Schätze muss man schätzen.“ Und so macht es ihm auch nichts aus, dass täglich um halb fünf der Wecker klingelt, um ihn zur Melkarbeit zu rufen. Freiheit auf der Alm bedeutet nämlich nicht, dem Tag einfach seinen Lauf zu lassen, sondern den Lauf des Tages zu nützen und dabei mit dem, was man tut, glücklich und zufrieden zu sein.
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