Auch nach sehr kritischen Tönen aus den eigenen politischen Reihen verzichten Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner nun doch auf Abschaffung der Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für die Forst- und Landwirtschaft, auch wegen des erheblichen bürokratischen Aufwands. An der Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel wird zwar festgehalten, allerdings soll sie nicht in einem Schritt vollzogen werden. Nun ist eine schrittweise Reduzierung des Entlastungssatzes vorgesehen: 2024 um 40 Prozent, in den folgenden Jahren 2025 und 2026 jeweils um weitere 30 Prozent.
Nach der Berechnung des Landwirtschaftsministeriums (BMEL) in Berlin, das laut Agra-Europe hinter dem Kompromiss steht, bedeute die schrittweise Kürzung heuer eine Einbuße von rund 1.100 Euro gegenüber 2023 und mit der kompletten Abschaffung in drei Jahren etwa 2.800 Euro.

Wie aus dem Ministerium am Freitag verlautete, wird die Einigung jetzt in Gesetzestexte gegossen. Einmal mehr klargestellt wurde, dass es keine weitere Einsparung bei der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung geben wird. Sparen wird das Bundeslandwirtschaftsministerium wegen der Gegenfinanzierung trotzdem müssen, indem es bestimmte, zuvor geplante neue Förderprogramme nun nicht auflegen wird.  Vorstellbar ist hier für das BMEL derweil ein Förderprogramm zur entsprechenden Umrüstung der Traktoren auf Biodiesel und Pflanzenöle. Geprüft werden soll auch die Wiedereinführung einer steuerlichen Begünstigung von Biodiesel.
Generell geht man im Berliner Agrarressort davon aus, dass die Demonstrationen der Landwirtschaft nach diesem Kompromiss abebben werden. Indes besteht der Deutsche Bauernverband (DBV) auf der Beibehaltung auch der Agrardieselbeihilfe und hält an der angekündigten Aktionswoche vom 8. bis 15. Jänner fest. Geplant sind zahlreiche regionale Proteste von Kreisbauernverbänden. Abgeschlossen werden soll die Aktionswoche mit einer Großdemonstration in Berlin.

Klares Nein zu radikalen Bauernprotest-Aktionen

Auf Aufsehen und gehörig Aufregung sorgten wütende Bauern in Schleswig-Holstein indes mit einer überbordenden Protestaktion. Am Donnerstagabend hatten nach Polizeiangaben rund 100 Landwirte die Ankunft von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck mittels Fähre am Hafen Schlüttsiel verhindert. Der Grünen-Politiker war gezwungen, auf die Hallig Hooge zurückzukehren, auf der er mit seiner Familie Urlaub machte.
Der Deutsche Bauernverband hat die Blockade der Fähre mittlerweile scharf verurteilt. DBV-Präsident Joachim Rukwied bezeichnete die gewaltsame Protestaktion als völlig unangemessen und gegen alle demokratischen Gepflogenheiten. „Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht. Die Privatsphäre von Politikern muss trotz allem Unmut respektiert werden“. stellte Rukwied klar.
Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärte im ARD-Morgenmagazin: „Diese Bilder schaden der deutschen Landwirtschaft“. Er habe großes Verständnis dafür, wenn Landwirtinnen und Landwirte ihre Positionen einbringen und dafür auch auf ihr Demonstrationsrecht setzen. Jedoch seien radikale Aktionen wie das Zurschaustellen von Galgen oder die Fährblockade klar zu verurteilen, so der Minister.

Ebenso als „inakzeptabel“ bezeichnete Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz das Vorgehen der protestierenden Landwirte. „Bei der Blockade in Schlüttsiel sind ganz klar Grenzen überschritten worden“, erklärte der CDU-Politiker. „Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren.“ Er appellierte „eindringlich“, in der vom DBV angekündigten Protestwoche „friedlich und demokratisch zu demonstrieren.“

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  • BMEL Berlin: BMEL
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AUTORRed. BW
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