BauernZeitung: Der NÖ Bauernbund hat bei dutzenden Bezirksbauernratskonferenzen wieder Bilanz über das Jahr 2023 gezogen. Was waren die großen Herausforderungen im abgelaufenen Jahr? Und welche Bedeutung haben die Konferenzen generell für die politische Arbeit im Bauernbund?
PERNKOPF: Die Konferenzen sind für uns im Bauernbund die wichtigsten Veranstaltungen im Jahr, verbunden mit der Auftragserteilung durch unsere Mitglieder und Funktionäre. Wir haben 2023 viel erreicht. Es bleiben aber auch viele Herausforderungen: Stichwort Pflanzenschutz oder auch Getreideimporte aus der Ukraine. Mir war stets wichtig zu betonen: Bei uns im Bauernbund wird noch persönlich miteinander geredet. Nicht anonym via Internet, sondern auf Augenhöhe. Mit Respekt, Anstand und der notwendigen Klarheit. Und das ist auch gut so. Das ist genau das, was den Bauernbund ausmacht.
Wo überall konnte der Bauernbund Einfluss nehmen und mit seiner politischen Arbeit punkten?
Der Bauernbund ist auf allen politischen Ebenen vertreten und punktet dort, vom EU-Parlament über die Bundes- und Landesregierung bis in die Gemeinden, wo wir ganz viele Bürgermeister stellen. Wir haben durch unseren Einsatz unsinnige EUPläne aufgehalten, die Anpassung der GAP-Prämien erreicht und vor Ort die Gemeinden gestaltet. All diese Ebenen sind wichtig, wenn es um die bäuerlichen Familienbetriebe und den ländlichen Raum geht.
Was braucht Niederösterreichs Landwirtschaft in Zeiten wie diesen am dringendsten?
Diese Frage haben wir in unserem 5×5-Punkte-Papier zusammengefasst. Es sind das die Sicherung der notwendigen Betriebs- und Pflanzenschutzmittel, kein Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten oder die Absage an ständigneue Eigentumssteuer-Fantasien. Unser Credo lautet bekanntlich Hausverstand einsetzen und Innovationen fördern statt unnötige Vorschriften, Verbote und Neiddebatten.
Pernkopf: “Noch nie waren unsere jungen Landwirte so gut ausgebildet wie heute.”
Vor allem junge Bauern wollen wissen, wohin die Reise geht. Was sagen Sie denen?
Dass sie zu Recht stolz sein können, Bäuerin oder Bauer zu sein. Noch nie waren unsere jungen Landwirte so gut ausgebildet wie heute. Dazu kommen ihr Unternehmergeist, Fleiß und Interesse an Innovationen. Lassen wir sie doch in Ruhe arbeiten und unterstützen wir sie wo notwendig, zum Beispiel bei der Bewässerung.
Seit dem Frühjahr regiert die Landesregierung erstmals auf Basis eines Arbeitsübereinkommens von ÖVP und den Freiheitlichen. Die Bildung dieser Koalition stieß auf viel Kritik. Sie sind LH-Stellvertreter. Wie läuft es?
Hier gilt es festzuhalten: Die Freiheitlichen waren auch bisher Teil der Landesregierung, genauso wie die SPÖ. Manche meinten, die Welt würde einstürzen. Andere meinten, nun wird alles anders. Beides ist nicht passiert. Die Welt dreht sich weiter. Man soll Regierungen an ihren Taten messen.
2024 stehen zwei wichtige Urnengänge an, die Europawahl und die Nationalratswahl. Wie sehr besorgt Sie der wachsende Zuspruch für europakritische, auch EU-feindliche Parteien?
Kritik ist ja nichts Schlechtes, wenn sie konstruktiv ist und etwas bewegt. Manche kritisieren aber nur, ohne Lösungen zu haben. Was mich besorgt, ist die wachsende Polarisierung. Radikal Linke hier, rechte Spalter und Hetzer dort. Die einen würden offenkundig die Wirtschaft und auch die Landwirtschaft am liebsten abdrehen. Einkommen und Lebensmittel fallen dann anscheinend einfach so vom Himmel. Die anderenwürden am liebsten die Zeit zurückdrehen. Beides kann und wird nicht funktionieren.
Pernkopf: “Die Einstellung des Bauernbundes ist nicht per se EU-kritisch oder gar EU-feindlich.”
Sie selbst kritisieren die EU immer wieder hart. Wie lautet Ihr Hauptvorwurf?
Die Einstellung des Bauernbundes ist nicht per se EU-kritisch oder gar EU-feindlich. Österreich hat seit 1995 massiv vom Beitritt in die EU profitiert und wir begrüßen die gesellschaftlichen Vorteile. Aber man muss auch manche Fehlentwicklungen ansprechen dürfen, um sie zu stoppen. Die EU muss in den großen Fragen wie etwa der Migrationsproblematik aktiver werden und sich in anderen Bereichen von überbordender Regulierung befreien. Konkret gilt es, die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und weiteren Gütern aus der systemrelevanten Infrastruktur zu stärken, den Binnenmarkt zu schützen und das Zusammenwachsen Europas zu fördern, statt bestens erprobte Pflanzenschutzmittel oder die Nachhaltigkeit von erneuerbarer Energie aus heimischen Wäldern infrage zu stellen.
Der bäuerliche Spitzenkandidat der ÖVP für die EU-Wahl, Alexander Bernhuber, ist ein Bauernbündler aus Niederösterreich und seit 2019 EU-Abgeordneter. Was zeichnet ihn aus?
Alexander Bernhuber ist 2019 für uns in die EU-Wahl gegangen. Heute ist er einer der profiliertesten Agrarpolitiker der Europäischen Volkspartei. Ihm haben wir zu verdanken, dass die SURRichtlinie gekippt wurde. Er hat auch beim Wolf Druck gemacht und die EU-Kommission zu einer echten Kehrtwende bewegt, ebenso bei den Themen Glyphosat oder Biomasse. Mit Hausverstand ist ihm auch mit der Herkunftskennzeichnung für Honig, Marmelade und Fruchtsäfte eine Regelung gelungen.
Zur Nationalratswahl: Niederösterreich gilt bekanntlich als Stammland der ÖVP mit einem besonders starken Bauernbund. Auch hier ist die Zustimmung gebröckelt. Können sich die ÖVP und der Bauernbund noch auf ihre Wählerklientel am Land verlassen?
Der Bauernbund ist die Stimme des ländlichen Raumes. Stark verankert und stark vertreten. Das war so, ist so und wird auch so bleiben. Basis dafür sind die turnusmäßigen „Bauernbundwahlen“, die 2024 anstehen, auf Ebene der Ortsgruppen bis hin auf Landesebene. Ich bin mir sicher: Danach gehen wir gestärkt und frisch in die Nationalratswahl. Es stimmt, wir erleben gerade herausfordernde Zeiten mit multiplen Krisen und auch Krieg. Wir werden aber auch aufzeigen, auf wen sich die Menschen in schwierigen Zeiten verlassen können.
Josef Riegler, Vater der Ökosozialen Marktwirtschaft und ihr Vorgänger als Präsident des Ökosozialen Forums, hat zuletzt betont, dass keine andere Regierungskonstellation als die derzeitige die Umsetzung der ökosozialen Steuerreform geschafft hätte. Wie sehen Sie die bisherige türkis-grüne Legislative auf Bundesebene?
Das stimmt natürlich. Gelungen sind auch weitere, wirklich große Entscheidungen wie die Abschaffung der kalten Progression und kürzlich erst die Anpassung der GAP-Prämien um acht Prozent. Das hat es vorher noch nie gegeben und da muss man Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig auch wirklich gratulieren. Klar ist aber auch, dass die Grünen ideologisch von ganz woanders herkommen als wir. Das merkt man, wenn sie etwa wichtige Infrastrukturprojekte willkürlich blockierten und ihnen gleichzeitig irgendwelche Gendersternchen wichtiger sind.
Bitte noch kurz Ihre Anmerkungen und Einschätzungen zu folgenden Themen: Was tun gegen die Bodenversiegelung?
Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Niederösterreich besteht zu mehr als 94 Prozent aus Äckern, Wäldern, Gärten, Gewässern und Bergen. Nur auf 2,2 Prozent der Landesfläche stehen Gebäude und Betriebe. Aktuell werden nur mehr 0,5 Hektar täglich umgewidmet für Häuser, Höfe, Betriebe und Gärten. Und trotzdem müssen wir natürlich sorgsam mit Böden umgehen. Daher haben wir das Raumordnungsgesetz verschärft, um die Ortskerne zu stärken, statt auf der grünen Wiese zu wachsen. Neue Einkaufszentren dürfen nur in Zentrumszonen entstehen und nicht mehr an der Peripherie. Neue Betriebsgebiete haben wir ebenso rigoros eingeschränkt wie Parkplätze bei Supermärkten, die außerdem mit Photovoltaik überdacht werden.
Braucht es neue Züchtungstechniken auch für die heimische Landwirtschaft?
Die Herausforderungen des Klimawandels wie Trockenheit oder mehr Schädlinge sind groß. Gleichzeitig bin ich überzeugt davon, dass es die Wissenschaft und Forschung braucht, um Antworten darauf zu finden. Das gilt auch für die Landwirtschaft, die sich seit jeher durch Innovationskraft auszeichnet. In Niederösterreich sind wir in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Das kann ich auch als für die Wissenschaft zuständiges Regierungsmitglied sagen.
Bis wann gelingt ein nennenswerter Abbau der Agrarbürokratie?
Das wird nur mit einem starken Ergebnis für die EVP bei der EU-Wahl gelingen. Diese Forderung haben wir Anfang Dezember in Brüssel auch bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen persönlich deponiert. Auch da hat man übrigens gesehen, welchen Stellenwert Alex Bernhuber und der Niederösterreichische Bauernbund mittlerweile haben. Von der Leyen hat sich persönlich bei der traditionellen Christbaumsegnung Zeit für uns genommen.
Pernkopf: “Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen.”
Herzstück des Bauernbundes war stets die Einheit des Berufsstandes. Wie lässt sich diese weiterhin absichern?
Egal wo ich unterwegs bin, die Unterstützung für die Bauernschaft ist spürbar. Unsere Landsleute wissen, dass es die Bäuerinnen und Bauern sind, die sie versorgen. Leider wachsen der wirtschaftliche und auch der gesellschaftliche Druck auf die Betriebe ständig. Da dürfen wir uns nicht auseinanderdividieren lassen. Dass es sich auszahlt, wenn man gemeinsam aufsteht und füreinander einsteht, sehen wir ganz aktuell am neuen Impulsprogramm unserer Regierung, das europaweit einzigartig ist. In Deutschland passiert gerade genau das Gegenteil: Unter einem roten Kanzler und einem grünen Landwirtschaftsminister wird auf dem Rücken der Bauern gekürzt und eine Milliarde Euro aus dem System genommen. Das ist ein Wahnsinn, was dort gerade passiert! Wir stehen da klar an der Seite des Deutschen Bauernverbandes und von Präsident Joachim Rukwied, den ich auch persönlich gut kenne. Er beneidet uns derzeit, denn bei uns werden die GAP-Prämien um acht Prozent erhöht und damit die Inflation für die Familienbetriebe abgegolten.
Welche Impulse wird der Bauernbund 2024 setzen?
Wie erwähnt, stehen im Frühjahr für 15.000 Funktionärinnen und Funktionäre unsere Bauernbundwahlen an. Damit werden wir wieder jünger und auch weiblicher. Inhaltlich werden wir das AMA-Gütesiegel für Getreide umsetzen, die erneuerbare Energie oder auch die Herkunfskennzeichnung weiter vorantreiben. Davor freue ich mich aber einmal auf den Bauernbundball, der am 13. Jänner endlich wieder stattfinden wird.
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- Gesprächssituation LH Stv. Stephan Pernkopf: NLK Filzwieser