Niemand hätte wohl vor einem Jahr gedacht, dass das Jahr 2020 so verlaufen würde: Pandemie, Schließung des Handels und Ausgangsbeschränkungen. Auch das Parlament und die Abgeordneten waren extrem gefordert und mussten schnell Gesetze beschließen.
Wie haben Sie das Jahr 2020 mit seinen Herausforderungen erlebt und was erhoffen Sie sich für das kommende Jahr?
Hermann Gahr: Das Jahr 2020 wird in die Geschichte eingehen und ist Gott sei Dank jetzt auch Geschichte. Wir wurden alle von der Pandemie überrascht. Die Bundesregierung und das Parlament mussten schnell handeln. Zu Beginn im März 2020 gab es noch einen breiten Konsens im Parlament. Die ersten Notfallmaßnahmen sowie der erste Lockdown wurden von allen Parteien beschlossen. Insgesamt gab es im Jahr 2020 73 Sitzungen des Parlaments und 234 Ausschusssitzungen, das stellte natürlich auch uns Abgeordnete vor Herausforderungen.
Die Bundesregierung sowie die Abgeordneten haben immer nach besten Gewissen und Wissen gehandelt. Das möchte ich betonen, außergewöhnliche Zeiten erfordern auch außergewöhnliche Maßnahmen. Und natürlich ist nicht alles perfekt gelaufen, denn für keine Pandemie gibt es eine Gebrauchsanweisung. Mein Appell lautet nun an Euch: Bitte halten wir uns weiter an die Maßnahmen. Und vor allem: Lassen wir uns testen und dann auch impfen. Denn nur, wenn wir alle zusammenhalten, können wir gemeinsam diese Pandemie in diesem Jahr besiegen.
Sie haben im vergangenen Jahr zwei Petitionen zur Senkung des Schutzstatus des Wolfes in den Nationalrat eingebracht, da Tirol rund 200 Wolfsrisse zu verzeichnen hatte. Zahlreiche Bauern haben ihre Tiere vorzeitig von den Almen abgetrieben und nun herrscht Verunsicherung. Wie geht es nun in der Wolfsfrage weiter?
GAHR: Das Thema Wolf begleitet mich bereit seit Jahren. Leider wird das Thema immer noch unterschätzt. In Tirol haben wir 2020 erlebt, was es heißt, wenn ein Raubtier auf den Almen unterwegs ist. Realistisch muss man sagen, dass es derzeit nicht danach aussieht, dass es auf europäischer Ebene in der Wolfsfrage Änderungen gibt. Theoretisch ist es möglich, den Schutzstatus zu senken, doch es wurde bereits klar signalisiert, dass der Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius nicht gewillt ist, hier eine Änderung vorzunehmen. Unsere Bauernbund-EU-Abgeordneten Simone Schmidtbauer und Alex Bernhuber setzen sich hier weiter für die Senkung ein, doch es sieht nicht so aus, dass es hier in nächster Zeit Änderungen gibt. Das heißt für uns, dass wir auf Länderebene ansetzen müssen. Der Bauernbund hat eine Studie in Auftrag gegeben, die nun rechtliche Möglichkeiten auf Länderebene prüft. Es soll geklärt werden, wie und ob es möglich ist, Problemwölfe zu entnehmen. Im Jänner werden hier bereits Ergebnisse erwartet. Wir müssen klar sagen, das ist der einzig realistische Weg für die kommenden Jahre, eine Lösung für den Umgang mit Problemwölfen zu finden.
Im Regierungsprogramm steht sehr prominent das Thema Herkunftskennzeichnung. Wie sieht es hier aus, gibt es bereits einen Fahrplan, wann und wie die Herkunftskennzeichnung umgesetzt wird?
GAHR: Es wurde bereits ein Entschließungsantrag zur Einführung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung im Nationalrat beschlossen. Konkret geht es um die öffentliche und private Gemeinschaftsverpflegung wie Kantinen oder Mensen sowie um eine transparente Kennzeichnung bei verarbeiteten Produkten für die Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier. Im Gesundheitsministerium wird bereits in Abstimmung mit Experten an einem Gesetz gearbeitet. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Gesetz 2021 beschließend werden und es dann 2022 zur Umsetzung kommen wird. Dies wäre ein wichtiger Meilenstein für die bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich. Denn ich bin davon überzeugt, dass bei einer transparenten Kennzeichnung die Menschen lieber zu heimischen Produkten greifen und somit die heimischen Bäuerinnen und Bauern unterstützen.
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