Die Corona-Krise lenkt den Blick der Öffentlichkeit nicht nur auf die Lebensmittelversorgung, sondern auch auf prekäre Arbeitsbedingungen. Das jüngste Beispiel: das deutsche Schlachtunternehmen Tönnies. Mehr als 1.500 Mitarbeitende haben sich im Tönnies-Betrieb im Kreis Gütersloh mit dem Corona-Virus angesteckt. Das Kreisgebiet wurde abgeriegelt, für Tausende Bewohner aus diesem Gebiet gelten wieder verschärfte Bedingungen. Wer etwa aus dem Kreis Gütersloh nach Österreich will, muss einen negativen Corona-Test vorweisen, betonte Gesundheitsminister Rudolf Anschober im ORF.
Zuvor waren auch andernorts in Schlachtbetrieben gehäuft Corona-Infektionen aufgetreten, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich oder den USA. Dazu kamen vermehrt Berichte über die speziell in der Fleischindustrie prekären Arbeits- (Stichwort Lohndumping) und oder auch katastrophaler Wohnverhältnisse von Mitarbeitern, welche die Masseninfektionen begünstigt haben sollen.
Massive Lohnunterschiede
Der Vorwurf des Lohndumpings ist aber alles andere als neu. Dass miese Bezahlung der Fleischzerleger die Fleischpreise beeinflusst und zu unterschiedlichen Bedingungen am EU-Binnenmarkt führt ist seit Langem bekannt. In Deutschland, aber auch in Österreich stammen viele Arbeiter in der Fleischindustrie überwiegend aus Rumänien oder Bulgarien. Anders als in Österreich gebe es laut Rudolf Großfurtner, Geschäftsführer des gleichnamigen Innviertler Schlachthofes, in Deutschland aber keinen Branchen-Kollektivvertrag. „Daher sind dort die Arbeiter auf Werkvertragsbasis eingestellt. Ohne 13. und 14. Gehalt, es gibt auch keine Überstunden- und Nachtstundenzuschläge.“ Das sei ein Missbrauch auf Kosten der Arbeitnehmer. „Bei uns verdienen die Arbeiter um fast 60 Prozent mehr als ihre deutschen Kollegen.“ Tatsächlich sind Werkverträge und ausländische Subunternehmen weit verbreitet in der deutschen Fleischbranche. Dadurch sind die Personalkosten in Deutschland deutlich niedriger und ermöglichen dieses Preisdumping, heißt es auch aus dem österreichischen Landwirtschaftsministerium. Im Durchschnitt liegen in Deutschland die Löhne zwischen 1.200 und 1.450 Euro netto (inkl. Überstunden), wovon meist noch Kosten für Unterkunft, Fahrten zum Schlachthof und Arbeitsmaterialien wie etwa Messer abgezogen werden. Demgegenüber stehe in Österreich die kollektivvertragliche Bezahlung, die laut Branchenkennern zu einem Wettbewerbsnachteil alleine bei den Lohnkosten von 30 bis 60 % führt.
„Deshalb kann Fleisch in Deutschland günstiger zerlegt und abgepackt werden und kommt als billigere Importware zu uns. Dieses zu Dumpingpreisen produzierte Fleisch bringt unsere heimischen Fleischerzeuger immer mehr in Bedrängnis“, kritisiert auch OÖ. Agrarlandesrat Max Hiegelsberger. Laut dem OÖ Bauernbund-Obmann werden in Österreich jährlich rund fünf Millionen Schweine produziert. „Obwohl mit dieser Menge die Eigenversorgung Österreichs gewährleistet ist, werden trotzdem noch 2,5 Millionen Schweine pro Jahr aus anderen EU-Staaten importiert. Zwei Drittel davon kommen aus Deutschland.“ Von diesen 2,5 Millionen importierten Schweinen gehen rund 40 Prozent in den Großhandel, die restlichen 60 Prozent werden in der Fleischindustrie verarbeitet.
Deutsche Regierung lenkt ein
Die deutsche Bundesregierung hat mittlerweile angekündigt, diese Lohn-Praktiken mit Anfang 2021 in Deutschland verbieten zu wollen. Ab nächstem Jahr soll es keine Werkverträge oder Leiharbeit in den großen fleischverarbeitenden Betrieben und Schlachthöfen mehr geben. Und die Arbeitnehmer müssen direkt bei den Betrieben angestellt werden. Auch der Verband der deutschen Fleischwirtschaft hat inzwischen eingelenkt und sich für das geplante Verbot von Werkverträgen ausgesprochen. Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger dazu: „Endlich scheint Schluss zu sein mit dem Lohndumping der deutschen Fleischindustrie. Seit mehr als zehn Jahren kämpfen unsere heimischen Verarbeiter gegen diese massive Ungleichbehandlung. “
Eva Zitz
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