Bisher gab es in Österreichs Biolandwirtschaft einige Ausnahmen, die nicht den Vorgaben der gültigen (und ab 2021 noch strengeren) EU-Bio-Verordnung entsprechen. Nun soll damit Schluss sein. Die EU-Kommission bleibt hart und verlangt von den Biobetrieben ab 2020 Anpassungen. NÖ. Bauernbund-Obmann Stephan Pernkopf sieht indes Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl gefordert.
In einem weiteren Schreiben an Österreich hält die EU-Kommission erneut daran fest, dass ab dem Jahr 2020 jeder Bio-Betrieb, der Rinder, Schafe, Ziegen oder Pferde hält, seinen Tieren Zugang zur Weide ermöglichen muss. Keine Ausnahmen gibt es mehr, wenn das dazu nötige Grünland nur durch Überquerung von Straßen und Bahntrassen zu erreichen ist oder dessen Entfernung zum Stall größer als 200 Meter ist. Die Alpung von Tieren wird auf die Weidedauer angerechnet. Als Mindestanforderung bei den Weidevorgaben für Raufutterverzehrer gilt: Jeder tierhaltende Bio-Betrieb muss mindestens 1 RGVE/ha weidefähige Fläche oder zumindest 50 % des Tierbestandes weiden. Ackerflächen werden dabei mit 20 % als weidefähige Fläche gerechnet. Zusätzlich muss jeder Betrieb bis 30. Juni 2020 einen Weideplan erstellen und seine Weidehaltung dokumentieren. Nicht mehr erlaubt ist künftig auch die volle Überdachung der Mindestauslauffläche für Kälber, Lämmer und Kitze.
In den nächsten Monaten noch geklärt werden müssen letzte Details zu Weidehaltung,, Auslauf-Überdachung und Anbindehaltung bei Kleinbetrieben ab 2021.
Für die Genehmigung von Eingriffen bei Tieren gilt ab 2020, dass beim Enthornen der Rinder die Sedierung und Lokalanästhesie durch einen Tierarzt vorgenommen werden muss. Die Enthornung von Kälbern bis sechs Wochen nach der Geburt, von weiblichen Kitzen bis vier Wochen und das Schwanzkupieren bei weiblichen Lämmern bis sieben Tage muss einzelbetrieblich genehmigt werden, für andere Eingriffe wie das Einziehen eines Nasenrings bei Stieren sind tierbezogene Genehmigungen erforderlich. Anträge sind an die jeweils zuständige Landesbehörde zu stellen.
Und für Kontrollen von Einzelhandelsfilialen benötigt künftig jede Einzelhandelsfiliale ein eigenes Zertifikat, ein Kontrollvertrag mit der Zentrale ist jedoch ausreichend. Die Verfahren zur rückwirkenden Anerkennung von Umstellungszeiträumen werden inhaltlich unverändert weitergeführt. Ab 2021 müssen alle Anträge bei den zuständigen Behörden und nicht mehr bei den Kontrollstellen gestellt werden.
In den vergangenen Wochen haben Vertreter wie Ulrich Herzog vom zuständigen Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) oder des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) in enger Abstimmung mit der Landwirtschaftskammer und dem Verband Bio Austria auch in direkten Verhandlungen mit Vertretern der EU-Kommission die bisherigen österreichischen Ausnahmeregelungen verteidigt und zudem mögliche Lösungsvorschläge für Härtefälle besprochen.
Noch liegt keine genaue Zahl vor, wie viele Biobetriebe genau vom Ende der Ausnahmereglungen massiv betroffen sind und am Ende gar ihren Bio-Status verlieren könnten, als seriöse Schätzung gilt 2.800 bis 3.000 Betriebe in ganz Österreich.
NÖ. Bauernbund-Obmann LH-Stv. Stephan Pernkopf hat sich nun auch in einem Schreiben an die für die Umsetzung der Bioverordnung zuständige Bundesministerin für Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Brigitte Zarfl, gewendet und sie um das Eintreten für „tragfähige Perspektiven für alle Biobauern“ aufgefordert. Die nationale Umsetzung der EU-Bio-Verordnung mit den nun vorliegenden Anpassungsvorschlägen bei der Weidehaltung stelle zahlreiche Betriebe gerade in zentraler Dorflage in der Praxis vor ernsthafte Probleme und stößen auf Unverständnis bei den Bäuerinnen und Bauern, so Pernkopf.
Zudem verweist der Bauernvertreter „auf die aktuell gültigen und öffentlich einsehbaren Richtlinien im Nachbarland Deutschland. Dort angeführt sind explizit Passagen zur flexiblen und praxisnahen Handhabung der Weideverpflichtung“. Darüber würden Deutschlands Biobetrieben langjährige Übergangszeiten zur Absicherung ihrer Investitionen sowie Planungssicherheit eingeräumt. Pernkopf an Zarfl: „Ich ersuche Sie daher als zuständige Bundesministerin höflichst, die Möglichkeiten, die den Deutschen Bäuerinnen und Bauern zugestanden werden, auch für unsere heimischen Betreibe bei der EU-Kommission einzufordern.“