Er war ein bedeutender Staatsmann und ausgezeichneter Minister. Das ist das Beste, was von einem Politiker gesagt werden kann.“ Mit diesen Worten charakterisierte der damalige SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky am 24. Juli 1975 an der Bahre von Karl Schleinzer im Landhaushof in Klagenfurt diese große Persönlichkeit der Österreichischen Volkspartei. Fünf Tage davor war der frühere Verteidigungs- und spätere Landwirtschaftsminister, danach auch für kurze Zeit Generalsekretär und hernach damaliger ÖVP-Obmann und Spitzenkandidat für die wenige Wochen später abgehaltene Nationalratswahl, nur 51 Jahre alt, tödlich verunglückt. Er war mit seinem Pkw auf der Fahrt von Wien in seinen Heimatort St. Oswald bei Bruck/Mur frontal mit einem Sattelschlepper aus der Türkei zusammengeprallt. Er hinterließ seine Frau Margarethe und fünf Kinder.

Der Bauernsohn stammte aus Zellach bei Frantschach-St. Gertraud im Lavanttal. Der elterliche Hof, eingezwängt zwischen Fluss und Eisenbahn und bedrängt von der nahen Papierfabrik, bot kaum Zukunftschancen. Schleinzers Vater starb, als der Sohn gerade einmal fünf Jahre alt war. Mit 14 besuchte der junge Karl die Landwirtschaftsschule und erhielt hernach auch ein Stipendium für ein späteres Hochschulstudium. Er wurde aber alsbald im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht als Soldat eingezogen, geriet später in britische Gefangenschaft und kehrte aus dieser erst 1946 zurück. Ab 1948 bis 1951 folgte dann das Landwirtschaftsstudium an der damaligen Hochschule für Bodenkultur. Ein Jahr später promovierte er mit seiner Dissertation zu einem Bergbauern-Thema, begann seine berufliche Laufbahn erst in der LK Kärnten, dann im Agrarreferat des Landes Kärnten. 1956, mit 32 Jahren, zog er als Abgeordneter in den Kärntner Landtag ein, wurde ein Jahr später auch Bauernbund-Direktor und erreichte vier Jahre später, 1960, als Landesparteiobmann und Spitzenkandidat der Volkspartei deren bisher bestes Ergebnis bei Landtagswahlen in seinem Heimatbundesland. Schleinzer wird Agrarlandesrat, wenn auch nur bis 1961.

In diesem Jahr wurde er mit 37 Jahren als damals jüngstes Regierungsmitglied der Zweiten Republik als Verteidigungsminister ins Kabinett von Bundeskanzler Alfons Gorbach berufen und alsbald zu einem der wichtigsten Hoffnungsträger der ÖVP.

Lob für Schleinzers Sachkompetenz und hohes Arbeitsethos

Das erkannte 1964 auch Josef Klaus. Der ÖVP-Bundeskanzler holte den Kleinbauernsohn wegen dessen Sachkompetenz, seines Verantwortungsbewusstseins und seines hohen Arbeitsethos als Landwirtschaftsminister (ab 1964 bis 1970, als Nachfolger von Eduard Hartmann) in sein Regierungsteam. Schließlich wusste Schleinzer aus eigener Anschauung über die Sorgen, Ängste und (Existenz-)Probleme der Bauern Bescheid, die sich für die Landwirte durch den immer massiver werdenden Strukturwandel ergaben, schrieb der Historiker Friedrich Weissensteiner Jahre später über Schleinzer in dem Buch „An den Hebeln der Macht“. Mechanisierungsschritte mussten gesetzt, Rationalisierungsmaßnahmen eingeleitet, die Agrarstruktur verändert werden. Es galt mit der Kommassierung Grundstücke zusammenzulegen, den ländlichen Raum auch verkehrstechnisch neu zu erschließen, das landwirtschaftliche Schulwesen neu zu organisieren, die Altersversorgung der Bauern sicherzustellen. 

Landwirtschaftsminister Schleinzer in ÖVP-Alleinregierung (1964 – 1970) unter Bundeskanzler Josef Klaus.

Bald ein knappes halbes Jahrhundert nach seinem Tod auf der Bundesstraße im Murtal kann Karl Schleinzer heute zu Recht als „Baumeister der modernen Agrarpolitik“ bezeichnet werden. Als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft forcierte er auch die Agrarwissenschaft und knüpfte und intensivierte internationale Kontakte im Hinblick auf einen schon damals diskutierten Beitritt Österreichs zur einstigen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), heute EU. 1968 gründete er die Gesellschaft für Land-und Forstwirtschaftspolitik (aus der 1991 das Ökosoziale Forum Österreich hervorgegangen ist) als Plattform für den Dialog zwischen Agrarwirtschaft, Politik, Sozialpartnern und Wissenschaft. Ebenso schuf er den nach dem Bauernbefreier benannten „Hans Kudlich-Preis“. Diese Auszeichnung wurde seither an 160 Persönlichkeiten für besondere Leistungen zur Verständigung zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft in den Bereichen Publizistik, Wissenschaft und innovative Projekte in der Land-und Forstwirtschaft verliehen.

Eine leistungsfähige Agrar- und Ernährungswirtschaft war Karl Schleinzers zentrales politisches Anliegen, zumal der „bäuerliche Familienbetrieb“ bereits 1958 als Leitbild der EWG-Agrarpolitik definiert worden war. Schon damals hinterließ der Strukturwandel immer deutlichere Spuren im ländlichen Raum und erforderte neue agrarpolitische Konzepte samt Erweiterung der im „Grünen Plan“ gemäß Landwirtschaftsgesetz 1960 festgelegten Förderungsmaßnahmen. Der damalige Agrarkommissar der EWG in Brüssel, der Niederländer Sicco Mansholt, setzte auf das in Europa heftig umstrittene Konzept „Wachsen oder Weichen“ und präsentierte 1969 seinen Plan zur Förderung land- und forstwirtschaftlicher Haupterwerbsbetriebe mit dem Ziel, moderne Unternehmen zu schaffen. Bis heute mit dem Namen Karl Schleinzer als Landwirtschaftsminister verbunden ist das „Strukturpaket“ aus Siedlungsgrundsatzgesetz, Güter- und Seilwegegesetz und Besitzstrukturfonds.

Massive Bauernproteste wegen Sparkurs

Schleinzer forcierte auch die erste Qualitäts-und Absatzstrategie für die heimische Agrarwirtschaft. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch das Qualitätsklassegesetz. Der von Kanzler Klaus und Finanzminister Stephan Koren verordnete budgetäre Sparkurs 1968/1969 forderte aber auch von den Bauern Opfer. So wurde damals der Krisengroschen bei Milch zur Überschussverwertung mehrmals erhöht, der Weizenpreis zugunsten des Futtergetreides gesenkt und eine Weinsteuer eingeführt. Zahlreiche Bauerndemonstrationen und lautstarke Proteste gegen die ÖVP-Alleinregierung brachten daraufhin den Bauernbund und die Landwirtschaftskammern in Bedrängnis. Isidor Grießner, Präsident der LK Salzburg (1950 bis 1970) und auch der heutigen LK Österreich (1962 bis 1970), wurde aus seinen Ämtern gedrängt und sogar das Kammergebäude in Salzburg in Brand gesetzt. Josef Wallner, Präsident der LK Steiermark (1948 bis 1971) und Bauernbund-Präsident (1960 bis 1970), musste nach der Wahlniederlage der ÖVP 1970 (die eine 16 Jahre lange politische Vorherrschaft der SPÖ begründete) einräumen, dass die bäuerlichen Familien vom agrarpolitischen Wirken der Volkspartei nicht ausreichend überzeugt werden konnten. 

Nach der Wahlniederlage der ÖVP zog sich Josef Klaus aus allen Ämtern zurück. Der gebürtige Salzburger starb 2001 als (heute beinahe) vergessener Reformkanzler 91-jährig in Wien.

Indes hatte sich Karl Schleinzer bei aller Kritik an der Agrarpolitik so sehr profiliert, dass er 1970 ÖVP-Generalsekretär wurde und ein Jahr später VP-Bundesparteiobmann. Weissensteiner in seinem bereits erwähnten Buch über die Parteiführer der Zweiten Republik: „Schleinzer übernahm ein schweres Amt. Die ÖVP war zerstritten. Das Gesetz des Handels lag bei der SPÖ und ihrem Vorsitzenden.“ Zudem galt Schleinzer im Umgang mit den Medien im Gegensatz zu Bruno Kreisky als „introvertiert, eher verhalten, ein wenig hölzern“, letztlich als vorsichtig taktierender Pragmatiker. „Er war kein charismatischer Selbstdarsteller, kein Effekthascher.“ Dennoch schlug sich Schleinzer im Schlagabtausch mit Kreisky stets wacker und konnte dessen Versuche, die bündisch gegliederte ÖVP zu spalten, abwehren. 

1972 verhinderte er die Zersplitterung der ÖVP und erneuerte sie mit dem „Salzburger Programm“ als moderne, soziale Partei der Mitte samt der propagierten Werthaltung hinsichtlich Gerechtigkeit, Eigenverantwortung, Nächstenliebe und Freiheit. Die Weichen für die Nationalratswahl im Herbst 1975 waren gestellt, Schleinzer hatte sogar eine Drei-Parteien-Koalition im Sinn (was bei Kreisky auf wütende Ablehnung stieß). Seine Pläne konnte er jedoch nicht mehr verwirklichen. Auf der Rückkehr von einem Griechenland-Urlaub verunglückte Schleinzer am 19. Juli 1975 mit seinem Pkw auf der B 17. Er war auf der Stelle tot. Nach der Aufbahrung im Wiener Stephansdom wurde er in St. Oswald bei Bad Kleinkirchheim beigesetzt.

Als Parteiobmann hat Schleinzer zwar keine Wahl gewonnen, aber der ÖVP in einer schwierigen Phase ihrer Geschichte einen großen Dienst erwiesen und bereits früh die Weichen für eine Integration Österreichs in die heutige Europäische Union gestellt. 

- Bildquellen -

  • Karl Schleinzer: Wenzel-Jelinek, Margret/ÖNB-Bildarchiv/picturedesk.com
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AUTORGerhard Poschacher/Bernhard Weber
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