Luxemburg und Österreich gehören nicht zu den großen und damit maßgeblichen EU-Mitgliedstaaten. Immerhin haben beide bereits einen EU-Agrarkommissar gestellt: Renè Steichen (1993–1995) und dessen Nachfolger Franz Fischler (1995–2004), Luxemburg zudem drei Kommissionspräsidenten (Gaston Thorn, Jacques Santer und Jean-Claude Juncker).
In agrarpolitischen Belangen vertreten die Centrale Paysanne (CP), die größte und älteste Berufsorganisation der Bauern, Winzer und Gärtner des Großherzogtums, und der Österreichische Bauernbund aber oft ähnliche Ziele. Das wurde auch bei einem Treffen von Bauernbundpräsident Georg Strasser und seiner Delegation, darunter Abgeordnete, Bauernbunddirektoren und Mitarbeiter, mit den Lëtzebuerger Bauernvertretern deutlich; konkret mit Christian Wester, er ist Vorsitzender der CP, deren Direktor Laurent Schüssler und Guy Feydur, Präsident der Landwirtschaftskammer.
Ähnliche Themen und Sorgen
Es sind ähnliche Themen und Sorgen, welche die Landwirte beider Länder wälzen: neuerdings die Preisexplosion bei Energiekosten und Betriebsmitteln, damit längerfristig die Gefährdung der Lebensmittelversorgung; seit Längerem auch der gesellschaftliche Druck auf die Agrarproduktion betreffend Umwelt und Tierwohl. Oder der rasante Bodenverbrauch, weil die übrige Wirtschaft boomt und das wiederum Wohnraum und Straßen erfordert. Um 20.000 Einwohner wuchs Luxemburg mit seinen rund 640.000 Bürgern zuletzt jedes Jahr, berichtete Claude Wiseler, Parteichef der Christlich Sozialen Volkspartei, später bei einem Besuch im Parlament. Zehntausende pendeln täglich zur Arbeit ins Land, weil sie sich vor Ort das Wohnen nicht mehr leisten können.
Auch Luxemburg zählt immer weniger Bauern, es gibt ohnehin nur noch 1.800 Betriebe, davon 1.500 in der CP. Die regierende Dreier-Koalition macht es den Bauernvertretern nicht leicht: Regierungschef ist ein Liberaler, der seit Jänner neue Agrarminister Claude Haagen ist Sozialdemokrat, den Umweltminister stellen die Grünen. Das Leben ist teuer, ähnlich wie in der Schweiz, es gibt anders als in den unmittelbaren Nachbarregionen etwa in Belgien viele Besserverdiener. Deren Anspruch an die Bauern laute: „Betreibt besser Natur- und Wasserschutz als Ackerbau und Viehzucht“, erzählt Laurent Schüssler mit bitterer Miene.
Christian Wester ist selbst Milchbauer und Stiermäster. Er besitzt 200 Hektar Grün- und Ackerland, seine 120 Kühe geben 1 Million Liter Milch im Jahr. Von der gibt es genug im Land, viermal mehr als man benötigt für die eigene Molkereigenossenschaft. Die Betriebe sind höchst spezialisiert und „Europameister“, was die Steigerung der Milchproduktion betrifft, „noch besser als die Iren“, so Pierre Treinen, agrarpolitischer Direktor des Landwirtschaftsministers. Viel Milch geht daher über die Grenzen an die großen Milchkonzerne Arla und Lactalis. 47 Cent bekommt er je Liter, damit ist Wester durchaus zufrieden. Tierwohldebatten müssen sich auch er und seine Berufskollegen stellen. Weniger, was die Schweinehaltung betrifft (es gibt kaum noch Erzeuger, Anm.), sondern bei Kälbern. So hat Luxemburg Ende Februar Nutztierexporte in Drittstaaten generell verboten.
Wo ziehen beide Länder an einem Strang?
Luxemburg mit Österreich am gleichen Strang? Bevor er CP-Vorsitzender wurde, hat sich Wester als Jungbauer politisch engagiert. Ihn sorgen wie erwähnt die Landversiegelung und „die schleppende Agrarbürokratie“. Ihn freut, dass Luxemburg beim Nationalen GAP-Strategieplan die Junglandwirteförderung maximal ausgeschöpft hat. „Im EU-Vergleich stehen wir besser da als viele andere – aber nicht gut genug.“ Wo zieht Luxemburg mit Österreich am gleichen Strang? Bei der Kritik gegenüber Photovoltaikanlagen auf Feldern und generell auch bei vielen Green Deal-Vorhaben der EU, was die Landwirtschaft betrifft.
Im EU-Viertel am Kirchberg hat Österreichs früherer Landwirtschaftsminister und Vizekanzler Wilhelm Molterer, anfangs als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) und ab 2015 als Chef des europäischen Investitionsfonds (EFSI), agiert. Er öffnete den Bauernbündlern die Tür in die größte multilaterale Bank der Welt im Besitz aller 27 EU-Staaten. Mit 65 Milliarden Euro jährlich unterstützt die EIB weltweit Projekte, mit Fokus auf „grüne Investitionen“ in erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz, Klimaanpassung, ökologische Nachhaltigkeit. Im Agrarbereich für die Erforschung von neuem Saatgut, Bewässerungssysteme oder Drohnentechnologien. „50 Prozent unser Finanzierungen sind klimarelevant“, sagt Molterer. Und jeder Euro öffentliches Geld löst 5 Euro Fondsfinanzierungen aus.
50 % der EIB-Finanzierungen sind klimarelevant
Allein in Österreich wurden in den vergangenen 50 Jahren 305 Projekte mit 32,5 Mrd. Euro unterstützt. Derzeit sind es 19, für die 1,44 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Für Molterer ist die EIB „ein Juwel. Zweieinhalb Mal so groß wie die Weltbank, aber mit 80 Prozent weniger Personal“. Dass Österreich von der EIB nicht weit mehr Gelder für den Agrarbereich loseist, habe folgende Gründe: „Österreich hat einen starken Bankensektor, aber keine Agrarbanken wie die Rabobank in Holland oder Credit Agricole in Frankreich. Auch gibt es bei uns keine klassische Förderbank.“
Unweit von der EIB entfernt ist der Sitz des Europäischen Rechnungshofes. Dort werden stichprobenartig alle Einnahmen und Ausgaben der EU, 170 Mrd. Euro jährlich, genau unter die Lupe genommen, in 700 bis 1.000 Fällen pro Jahr. Österreichs oberste Vertreterin hier ist Helga Berger. „Mit 2,7 Prozent ist die geschätzte Fehlerquote bei den Ausgaben gering“, sagt sie. Mit hohem Risiko verbundene Ausgaben werden umfassender geprüft „Und nicht jeder Fehler ist gleichzusetzen mit Betrug.“ Bei Agrargeldern sei wegen der meist komplexeren Förderfähigkeitsbedingungen auch das Fehlerrisiko erhöht. Österreich wurde zuletzt 2020 geprüft. Ergebnis: „Zwei unwesentliche Fehler, einer ohne finanzielle Folgen.“ Am häufigsten geprüft werde die EU-Kommission. Bergers Ziel: „Die verstärkte Sichtbarkeit unserer Arbeit in Österreich.“
Ein Resümee nach den verschiedenen Gesprächen zog der frühere Agrarminister Nikolaus Berlakovich: „Die Luxemburger und wir waren immer Musterschüler in der EU. Andere haben sich bei Umstellungen von EU-Vorgaben wie beim Verbot der Käfighaltung von Hühnern viel mehr Zeit gelassen.“ Das sei auch ein Wettbewerbsthema. „Wir müssen darauf drängen, dass auch andere Länder EU-Auflagen rascher einhalten.“
Die Treffen „der Hären vum Bauernbund aus Eisträich“ mit den Vertretern der CP und des Ministeriums fanden übrigens im Hotel und in der Residenz von Botschafterin Melitta Schubert statt. Im Lëtzebuerger Agrarministerium mit seinen gerade einmal 45 Beamten gibt es keinen Raum für Gespräche mit einer Delegation mit halb so vielen Köpfen.
Luxemburger Agrarzahlen
131.500 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche (51 % Grünland, 22 % Futterpflanzen, 21 % Getreide)
1.800 landwirtschaftliche Betriebe (1990: 3.800)
6 Prozent Biobetriebe (knapp 6000 Hektar Fläche, 4 %)
70 Hektar durchschnittliche Betriebsgröße (1990: 33)
36.900 Euro durchschnittliches Einkommen je AK
0,3 Prozent Anteil Landwirtschaft an Bruttowertschöpfung
0,8 Prozent Anteil Beschäftigte in der Landwirtschaft
194.000 Rinder (54.000 Kühe), 84.000 Schweine, 132.000 Geflügel, 1240 Hektar Weinbau
Quelle: https://agriculture.public.lu/
Bernhard Weber