Antibiotika: Keine Routine mehr und keine Prophylaxe

Mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz soll übermäßiger Gebrauch eingedämmt werden, da Resistenzen zunehmen und auch die Humanmedizin gefährden.

Seinen Bestand gut im Blick zu haben und Maßnahmen zum Schutz vor Krankheitserregern zu ergreifen, empfiehlt sich für jeden Tierhalter.

Antibiotikaresistenzen sind eine wachsende Bedrohung für Mensch und Tier. Befeuert werden diese durch einen übermäßigen Einsatz der Mittel. In der Veterinärmedizin ist der Gebrauch von Antibiotika mit dem per 1. Jänner 2024 in Kraft getretenen Tierarzneimittelgesetz neu geregelt worden. In seinem jüngsten Online-Infoabend informierte der OÖ Bauernbund über genau dieses Thema. Mehr als 100 Interessierte folgten via „Zoom-Meeting“ den Ausführungen von Tierarzt Gottfried Schoder. Er steht dem OÖ Tiergesundheitsdienst (TGD) als Geschäftsführer vor und ist auch als bundesweiter Koordinator dieser Dienste tätig. „Rechtzeitig vorbeugen“ lautet das TGD-Leitbild, das sich natürlich auch auf den Antibiotikaeinsatz übertragen lässt.

Antibiotika wirken gegen Krankheiten, die durch Bakterien verursacht wurden. „Aber nicht alle Bakterien sind Krankheitserreger“, stellte Schoder eingangs klar.

Fehlende Hygiene nicht durch Medizin ersetzen

Mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz dürfen Antibiotika nicht mehr routinemäßig eingesetzt werden, um mangelhafte Hygiene, Haltungsbedingungen oder Pflege auszugleichen, um das Wachstum der Tiere zu fördern oder den Ertrag zu steigern.

“Der Einsatz von Antibiotika liegt immer in der Verantwortung des behandelnden Tierarztes” Gottfried Schoder

Verboten ist auch der prophylaktische Einsatz, also ein antibiotisches Behandeln von gesunden Tieren“, Scho­der. Einzige Ausnahme: Wenn das Risiko einer Infekti­on sehr hoch ist und die Folgen wahrscheinlich schwerwiegend sein würden. Der Experte nannte dafür zwei Beispiele: zum einen eine Behandlung vor einer Operation. „Zum Zweiten das antibiotische Trockenstellen von eutergesunden Tieren, das in vielen Betrieben bislang routinemäßig durchgeführt wor­den ist. Das ist nun nicht mehr zulässig. Es können einzelne Tiere oder eine begrenzte Zahl von Tieren antibiotisch trockengestellt werden, auch wenn das Euter gesund ist, aber es braucht entsprechende Begründungen wie zum Beispiel ein hoher Milchfluss“, so Schoder. „Der Einsatz liegt immer in der Verantwortung des behandelden Tierarztes“, betont der Experte, darüber hinaus müsse natürlich alles dokumentiert werden. Doch wann braucht es nun zwingend eine bakteriologische Untersuchung?

  • Beim Einsatz von Cephalosporinen (dritte und vierte Ge­neration) und Fluorchinolonen.
  • Wenn ein Antibiotikum gewechselt wird, weil das eingesetzte nicht wirkt.
  • Bei wiederholtem oder längerfristigem Einsatz von Antibiotika in einer „epidemiologischen Einheit“, also wenn etwa bei einem Milchviehbetrieb das Problem nicht in den Griff zu bekommen ist.
  • Beim Anwenden eines nicht für Tiere zugelassenen Antibiotikums, welches systemisch wirkt.
  • Beim kombinierten Einsatz von Antibiotika, die nicht als Kombipräparate zugelassen sind.
Quelle: Angellodeco - Stock.adobe.com
Im Labor wird festgestellt, um welche Bakterien es sich genau handelt.

TGD-Labor Ried: Mehr Untersuchungen 2024

Im TGD-Labor in Ried im Innkreis ist es mit dem In-Kraft-Treten des neuen Tierarzneimittelgesetzes im Bereich der bakteriologischen Untersuchungen und der Resistenzprüfungen zu einem deutlichen Anstieg gekommen. So wurden im Vorjahr Milchuntersuchungen von knapp 32.000 oberösterreichischen Tieren von gut 3200 Betrieben registriert. Dabei sei in 35 Prozent der Fälle in allen vier Eutervierteln kein Erreger gefunden worden, berichtet Schoder. Einer der Hauptgründe für das Einsenden von Proben sei die Kontrolle vor dem Trockenstellen gewesen. Generell entscheidet der Tierarzt darüber, ob eine bakteriologische Untersuchung nötig ist.

Abschließend informierte der TGD-Geschäftsführer noch kurz über das sogenannte „Benchmarking“ im Antibiotika-Bereich, also den Verlauf und Vergleich zu anderen Betrieben. Seit 2015 gibt es die Antibiotika-Mengenströmeverordnung. Sie verpflichtet Tierärzte dazu, die Antibiotika, die sie an den Landwirt abgeben, in eine zentrale Datenbank zu melden. Was der Tierarzt selbst angewendet hat, wird dabei nicht erfasst. Diese Antibiotikaberichte sind für den Landwirt einsehbar. „Jeder kann dort sehen, wie sein Verbrauch über die vergangenen Jahre hinweg war. Außerdem wird anhand einer Grafik gezeigt, wo man im Vergleich zu anderen Betrieben liegt. Alle, die bei 90 oder 100 Prozent liegen, sollen Maßnahmen setzen, um ihren Antiobiotikaverbrauch zu reduzieren“, so Schoder.

Gottfried Schoder
Tierarzt, Geschäfts-
führer OÖ Tiergesundheitsdienst (TGD)

Steigende Todesfälle

Das Thema Antibiotika-Resistenzen wird immer wichtiger. Allein in Europa sterben jährlich mehr als 35.000 Personen an nicht behandelbaren Infekten, Schätzungen zufolge werden
es im Jahr 2050 bereits 390.000 pro Jahr sein.

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  • Labor: Angellodeco - Stock.adobe.com
  • Stall: Agrarfoto.com
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