In vielen EU-Ländern äußerten Bauern in den vergangenen Monaten aus verschiedenen Gründen Protest.

Vorweg: In der Tagespolitik vieler EU-Länder ist der Stellenwert der Landwirte und ihrer Anliegen und Sorgen oft gering. Gerade linke oder auch liberale Regierungen speziell in den eingangs genannten Staaten sehen auch in der Landwirtschaft immer wieder den Sündenbock etwa für den Klimawandel und negieren, dass es sich bei diesem um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung handelt. So ist der Druck, der mit immer neuen Auflagen auf die Bauern ausgeübt wird, in anderen EU-Ländern oft deutlich höher als in Österreich.

Indes zählt die Alpenrepublik mit seinem Umweltprogramm ÖPUL, mit dem den Bauern erbrachte Zusatzleistungen für Fauna und Flora, aber auch für den Gewässerschutz abgegolten werden, zu den Vorreitern in der EU. Massive Nitratprobleme im Grundwasser, wie sie etwa in den Niederlanden durch eine nicht an die Flächengröße der Höfe gebundene Tierhaltung entstanden sind, konnten so in Österreich vermieden werden. Auch eine Hofübergabe von Alt auf Jung ohne massive finanzielle Belastungen für die Übernehmergeneration und ein angemessenes bäuerliches Pensionssystem sind bis dato nicht überall in den EU-27 selbstverständlich.

Wo Bauern dieser Staaten der Schuh drückt, zeigen ausgewählte Beispiele:

In Deutschland ist die soziale Absicherung der Landwirte im Vergleich mit Österreich nur gering. Die durchschnittliche Alterspension ist dort nur etwa halb so hoch. Landwirte und ihre Ehefrauen, die seit ihrem 25. Lebensjahr Beiträge in die Alterskasse eingezahlt haben, erhalten zum Rentenbeginn mit 67 Jahren pro Person 730 Euro, zusammen also 1.460 Euro. Als Folge der niedrigen Pensionen werden Betriebe später übergeben.

In Frankreich führte ein nationaler Plan einer massiven Reduktion des Pestizideinsatzes um 50 Prozent samt Glyphosatverbot zu heftigen Protesten der Bauern. Für die Finanzierung von Agrochemie-Alternativen war eine Gebühr auf den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln vorgesehen. Der Plan wurde nach großen Bauerndemonstrationen ausgesetzt. Ebenfalls wieder abgesagt wurden höhere Steuern auf die Wasserentnahme zur Bewässerung von Feldern und Plantagen. Indes hat die Regierung in Paris ein Gesetz auf die lange Bank geschoben, das Junglandwirten die Hofübernahme erleichtern sollte. Auch sind Bauernpensionen in Frankreich mit 1.000 Euro, oft sogar darunter, die niedrigsten aller Wirtschaftsbereiche.

In den Niederlanden kämpft man indes seit Jahren mit viel zu hohen Stickstoffeinträgen aus der traditionell tierhaltungsintensiven Landwirtschaft in die Umwelt. Geht es nach der Regierung in Den Haag, soll nun der Ammoniakausstoß der Landwirtschaft halbiert werden. Geplant ist, 3.000 Stallbetriebe in Naturschutzgebieten zu 120 Prozent ihres Verkehrswertes staatlicherseits aufzukaufen, wenn diese sich verpflichten, die Produktion zu beenden und auch nicht mehr anderswo in der EU weiterproduzieren zu wollen. Dafür sind 1,5 Mrd. Euro budgetiert.
Auch Zwangsenteignungen stehen im Raum, was kritischen Bauerngruppierungen besonderen Aufwind gegeben hat. Verschärfen dürfte sich die Situation, weil heuer auch eine Ausnahmeregelung endet, die es den holländischen Betrieben ermöglicht hat, je nach Bodenart auf Grünland bis zu 250 Kilogramm organischen Stickstoff pro Hektar auszubringen. Das könnte wiederum die Gülleproblematik anheizen. In den Niederlanden darf Gülle nur noch zwischen 16. Februar und 31. August auf Grünland ausgebracht werden, auf Äckern ab Mitte März bis Ende Juli, mit Ausnahmen für Frühkulturen, Zwischenfrüchte und Raps bereits ab Mitte Februar bis Mitte September. Hollands Bauern laufen immer wieder gegen ihre Regierung Sturm.

Auch Belgien kämpft mit seinen zu hohen Stickstoffemissionen auf Feldern und Wiesen. Neuerdings müssen Landwirte für Betriebs- und Umweltgenehmigungen nachweisen, dass auf ihren Höfen der Stickstoffausstoß deutlich verringert wurde. Dabei werden auch strengere Regelungen als für die Industrie vorgegeben, kritisieren Bauernvertreter. Junglandwirte müssen etwa Emissionsrechte von Betrieben erwerben, die schließen.

In Dänemark gelten für Landwirte strikte Vorgaben bei der Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdünger. Nach dem Prallteller- Verbot schon in den 1990er-Jahren ist seit 2011 bis auf wenige Ausnahmen auch der Schleppschlauch verpönt. Gülle darf nur nach Ansäuerung und mit sofortiger Einarbeitung oder mit Schlitzverfahren im Grünland ausgebracht werden. Die Abdeckung aller Güllelager ist Pflicht, gelagerter Festmist muss binnen 24 Stunden abgedeckt und am Acker binnen vier Stunden eingearbeitet werden. Güllelager erfordern eine Kapazität für mindestens neun Monate, neue Ställe mit Abstandsvorschriften zu Ortschaften müssen mit Luftfiltern und Gülleversäuerungsanlagen ausgestattet werden.
Wer auf seinem Acker über den Winter keine Zwischenfrüchte sät, darf weniger Stickstoff einsetzen. In Regionen mit zu hohen Ammoniakemissionen wurden die Tierzahlen auf den Betrieben amtlicherseits gedrückt. Auf Pflanzenschutzmittel wurden die Steuern dermaßen erhöht, dass sich der Einsatz um 40 Prozent reduziert hat. Von einer Pauschalierung wie in Österreich können die dänischen Bauern nur träumen. Auch bekommen viele nur eine sehr niedrige Grundrente, daher sind sie im Alter auf den möglichst hohen Erlös aus dem Verkauf ihres Hofes angewiesen. Die Hofübergabe innerhalb einer Familie unterscheidet sich kaum von außerfamiliären Übergaben. In jedem Fall müssen Jungbauern den Verkehrswert des Hofes berappen.

In Schweden führen enorm hohe und damit teure Tierwohlstandards (Stichwort Vollspaltenbodenverbot) mittlerweile zu Produktionsrückgängen, etwa bei Schweinefleisch. Der Selbstversorgungsgrad fiel ab den 1990er-Jahren von einst 110 auf 70 Prozent und liegt aktuell bei 83 Prozent. In Schweineställen ist die freie Abferkelung Pflicht. Alle Kühe müssen täglich sechs Stunden auf die Weide. Seit dem EU-Beitritt Schwedens 1995 haben 93 Prozent der Milchbauern aufgehört. Die Zahl der Kühe hat sich mehr als halbiert. Immer mehr Höfe werden von Betriebsleitern längst im Pensionsalter geführt.

In Portugal hat die Regierung wegen anhaltender Dürre drastische Einschnitte bei der Bewässerung vorgenommen und die dafür vorgesehenen Wassermengen um bis zu 72 Prozent reduziert. Das trifft zu gut einem Drittel die Landwirte. Dabei versickert das begehrte Nass meist im maroden Leitungsnetz.

In der Slowakei warten die Landwirte indes auf ihre Agrarfördergelder. Schuld daran ist nicht die EU, sondern die Regierung in Bratislava, welche die Auszahlung auch der EU-Gelder in einem bisher beispiellosen Schritt verzögert. An die Bauern überwiesen wurde bisher weniger als ein Drittel der für sie bereitstehenden 336 Millionen Euro. Anders als in Österreich, wo die Agrarmarkt Austria die Fördergeldauszahlung überwiegend noch im Antragsjahr abwickelt, hapert es in der Slowakei auch 20 Jahre nach dem EU-Beitritt an einem effektiv funktionierenden Verwaltungs- und Kontrollsystem solcher Direktzahlungen. Die ausbleibenden Zahlungen haben dazu geführt, dass viele Bauern bei den Banken verschuldet sind und sogar Vermögenswerte verkaufen müssen. Protestkundgebungen waren die Folge.

 

In Spanien sind zuletzt ebenfalls Tausende Bauern auf die Straße gegangen, um ihrer Regierung Zugeständnisse betreffend die Unterstützung der Landwirtschaft abzuringen. Sie forderten primär von der Regierung in Madrid den Abbau von Bürokratie, aber auch die Durchsetzung angemessener Preise für Agrarprodukte sowie mehr Hilfen für von der Dürre betroffene Bauern. Eine vom Landwirtschaftsminister vorgelegte Liste von 18 Maßnahmen wurde von nahezu allen Bauernverbänden als „unzureichend“ abgelehnt.

In Polen forderten Landwirte bei Protesten nicht nur in Warschau ein Ende der Green-Deal- Politik der EU sowie das Aussetzen von Importen billiger ukrainischer Agrarprodukte. Die EU hat bekanntlich 2022 Solidaritätskorridore eingeführt, um dem vom Krieg zerrütteten Land zu helfen, vor allem Getreide weiterhin zu exportieren. Einiges davon gelangte daraufhin auf den polnischen Markt, was zu einem Preisverfall führte. Ähnlich erging es Rumänien und im Dominoeffekt vielen EU-Ländern. Die Bauernproteste griffen später auch auf andere Länder über und gingen bis Brüssel. Ab Juni werden künftig wieder Zollregeln schlagend, wenn das bisherige Importausmaß überschritten wird.

In Italien gingen die Bauern kürzlich zu Tausenden am Brenner auf die Barrikaden. Bei einer vom Bauernverband Coldiretti organisierten Demonstration wurden unter Obhut der Finanzpolizei Lkw mit Lebensmittelimporten inspiziert. Der Grund: Italien würde mit Ware aus der EU „überschwemmt“, die als „Made in Italy“ deklariert werde. Geht es nach Coldiretti, soll mit diesen „unfairen Importen“ bald Schluss sein. Der Südtiroler Bauernbund war am Brenner übrigens nicht mit von der Partie. Obmann Daniel Gasser erklärt: „Innerhalb von Europa die Grenzen zu schließen, ist für uns im Sinne des europäischen Gedankens nicht zielführend“, zumal Italien auch einiges an Lebensmitteln am EU-Binnenmarkt absetze. Nachsatz: „Der Südtiroler Bauernbund setzt sich dennoch vehement dafür ein, dass regionalen Produkten in Handel und Gastronomie der Vorzug gegeben wird.“

Fatale Auswirkungen des Brexits

Nicht mehr in der EU, hat sich die Situation für die Farmer in Großbritannien massiv verschlechtert. Anders als einst von den Brexit-Befürwortern propagiert, hat der Ausstieg aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU keines der bereits davor bestehenden Probleme in der landwirtschaftlichen Produktion gelöst. Im Gegenteil: Es fehlt vielen an Absatz und damit an Geld. 2021 berichtete jeder fünfte Schweinehalter, dass auch gesunde Tiere von ihren Höfen mangels Käufern wie auch wegen abgewanderter Schlachthofmitarbeiter notgeschlachtet werden mussten. Die Handelserschwernisse mit der EU hätten auch dazu geführt, dass 2023 40 Prozent der Rinderbauern und gut ein Drittel der Schafhalter ihre Tierbestände verkleinern wollten. Vor gut einem Jahr kam es im Inselkönigreich auch zu massiven Versorgungsengpässen bei Gemüse und Obst. Tomaten, Gurken, Salat oder Himbeeren mussten rationiert werden. Gründe waren die vermehrte Bürokratie und höhere Kosten für Importe durch den Brexit. Teilweise konnten auch Kulturen nicht geerntet werden: aufgrund fehlender Saisonkräfte.

- Bildquellen -

  • Bauernprotest und Flaggen: ANDREW INK & STOCKDEVIL - STOCK.ADOBE.COM
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AUTORBernhard Weber
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