Wir sind schon auf der Zielgeraden. Das Wetter schafft auch an, wie lang das Vieh noch drobenbleiben kann“, sagte unlängst ein Bauer mit Blick auf seine Alm zu mir und deutete damit an, wie sehr die Land- und Almwirtschaft von der Natur mitbestimmt wird. Kurz darauf kam der Kälteeinbruch und sorgte landesweit für verfrühte Almabtriebe und abgesagte Feste.
Allen war ohnedies nicht nach Feiern zumute, wie in Fließ, wo u. a. die Wolfsproblematik zur Absage des Schaferfestes führte. Trotz allem ist die Tradition der öffentlichen Feste für viele Almbewirtschafter ein geliebter Abschluss des Almsommers, während man auf manchen Almen lieber unter sich bleibt.
Tannheimer Almsommer-Bilanz
In der Gemeinde Tannheim, die für ihre prächtigen Almabtriebe bekannt ist, beteiligen sich sechs Almen am traditionellen Almabtrieb: die Obere Traualpe, die Vilsalpe, die Rossalpe, das Älpele, die Gappenfeldalpe und die Usseralpe am Neunerköpfle.
Viktoria und Stephan Dreger vom Älpele sind mit dem Almsommer sehr zufrieden: „Alles guat gangen, alle Viecher sind no ganz!“, meinen sie scherzhaft, wohl wissend, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Auch das Wetter war in Ordnung, ein wenig nass war es halt am Anfang und am Schluss. Sie begleiten 110 Stück Jungvieh von der Alm nach Hause, jedes Tier bekommt eine Schelle und die meisten werden aufgekranzt.
Familie Lochbihler von der Vilsalpe zieht ebenfalls gute Bilanz: „A guate Woad und die Tiere alle g’sund!“ Bei ihnen sind das 44 Milchkühe, 20 Stück Jungvieh und fünf Pferde. Ca. 30 Gebinde aus Tannenzweigen, Almrosenstauden und Blumen werden jedes Jahr für den Almabtrieb gebunden, dabei helfen Freunde und Familie. Das ist ein kleines, familiäres Fest. Auch das große Fest beim Almabtrieb in Tannheim möchten sie nicht missen. Ludwig Lochbihler: „Den ganzen Sommer haben wir keinen Kontakt zu den anderen Almen, aber bei diesem Fest kommen wir zusammen und tauschen unsere Erfahrungen aus.“
Viel Freude, viele Sorgen
Insgesamt treiben die Tannheimer am Ende eines Almsommers bis zu 800 Stück Vieh zu Tal – Kühe, Kälber, Rinder, Mutterkühe, Pferde. Jungbauernobmann Vincent Kleiner, der mit einem dreizehnköpfigen Ausschuss für die Organisation des Almabtriebs und des Festes verantwortlich ist, das traditionell auf den 21. September fällt: „Es ist immer wieder ein Nervenkitzel, wie der Almabtrieb verläuft. Wie ist das Wetter? Schneit es? Kommen viele Besucher? Wie ist die Laune der Leute? Kommen alle Helfer und läuft alles rund beim Fest? Es sind ja immer ungefähr 100 freiwillige Helfer dabei, die dankenswerterweise tüchtig mitanpacken.“
Ansonsten haben die Tannheimer die gleichen Sorgen wie die Almbauern im ganzen Land: „Auch bei uns sind Bär und Wolf eine Bedrohung für unsere Almtiere. Heuer fiel schon ein Kalb dem Bären zum Opfer. Das Frustrierende ist, dass man sich hilflos fühlt, weil man kaum etwas dagegen tun kann.“
Familiäre Feier zum Alm-Abschied
Auf der Farmkehralm im Alpbachtal, die sich drei ortsansässige Bauern teilen, brachte ein Wolf im letzten Sommer drei Kälber zu Tode. Das war ein Schock, zum Glück ist der Almsommer 2024 gut verlaufen und die Weide war ausgezeichnet. Heuer war hier eher der Stark-
regen ein Thema, auch Hagel, aber der hat die Alm zum Glück nur gestreift, während in der Wildschönau große Schäden zu beklagen waren. „Bei uns waren halt die Wege durch den Starkregen ein bisschen beleidigt“, erzählen die Farmkehr-Almbauern.
Alois Larch ist einer von ihnen. Für ihn schwingt beim Almabschied immer auch Wehmut mit: „Mir kommt mit zunehmendem Alter vor, dass der Sommer immer noch schneller vergeht. Wir sind doch erst aufgefahren! Aber wenn das Gras gar ist oder der Schnee kommt, ist es Zeit zum Heimfahren!“
Der Almabtrieb ist auf der Farmkehralm kein öffentliches Ereignis: „Unsere Alm ist nicht weit von unseren Höfen entfernt, deshalb buschen wir nicht auf, sondern feiern unseren Almabtrieb im Kreis der Familien.“
Einer der schönsten Tage
Hannes Kostenzer bewirtschaftet ebenfalls einen Teil der Farmkehralm. Er freut sich auf den Auftrieb und den Almabtrieb gleichermaßen: „Wenn der Sommer gut verlaufen ist, ist das der schönste Tag für uns, fast so schön wie Weihnachten. Die Kühe bekommen ihre Ausfahrtglocken umgehängt, dann geht es heimwärts. Meistens haben wir genauso viele Treiber wie Tiere, weil die ganze Familie mit Kindern und Enkeln dabei ist. Zuhause gibt es Kaffee und Kuchen, dann spielt die Ziehharmonika auf. – Hot scho a diam länger dauerscht!“
In die Dankbarkeit über einen unfallfreien Sommer mischt sich fast allerorts Nachdenklichkeit – darüber, was die Zukunft wohl bringen wird. Fazit vieler Almbauern und Almbäuerinnen: „Man muss schon sehr idealistisch sein, damit man sich das alles antut, angesichts der vielen Probleme. Aber es gibt so viele schöne und wichtige Seiten bei der Almbewirtschaftung, deshalb machen wir weiter!“
- Bildquellen -
- Meurers Herbst 2017 0543: TVB Tannheimer Tal/Anna Meurer
- Almabtrieb Tannheim, Tannheimertal, Tirol, Österreich: TVB Tannheimer Tal/Anna Meurer
- 20240908 173146: Familie Larch