Aufgrund des großen Interesses hat das ÖKL heuer gleich zweimal einen Praxistag zu „inneralpinem Ackerbau“ am Hof von Familie Platzer/Kreuzberger vulgo Gschwendt veranstaltet. Folgend eine Kurfassung des Berichts von Simon Wirkert (ÖKL).  

Gerade in bergigen Lagen und vor allem im Pongau ist Ackerwirtschaft und Getreideanbau eher selten geworden. So nahmen etwa die Ackerbauflächen im Bundesland Salzburg von 8200 ha (1970) auf 2100 ha (2018) ab. Gründe für diese Abnahme im alpinen Raum waren die Spezialisierung der Betriebe auf Milchwirtschaft, die Globalisierung und die Verbauung von landwirtschaftlichen Flächen.

Der Biohof Gschwendt betreibt neben Grünland-Heuverkauf und Mutterschaf-Haltung auch alpinen Ackerbau mit Direktvermarktung. Neben Buschbohnen werden vor allem alte Getreidesorten, wie etwa Rinner, St. Johanner Winterweizen oder z.B. Tauernroggen und Nackthafer, auf ca. 2 ha Ackerfläche angebaut. Das Ziel Emil Platzers ist die Wiedereinführung des Ackerbaus im alpinen Raum und damit verbunden die Erhaltung von Biodiversität der Kulturpflanzen, aber natürlich auch die Motivation Lebensmittel zu erzeugen.

Es wird wärmer

Claudia Riedl von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) trug zum Thema „Klimaentwicklung: Neue Voraussetzungen für unsere Landwirtschaft?“ vor. Lufttemperatur sowie Sonnenscheindauer haben sich durch den Klimawandel bereits messbar erhöht. Die Hitzetage steigen und die Vegetationsperiode im Jahr 2020 war bereits fast einen Monat länger als 50 Jahre zuvor. Diese Veränderung bringt massive Einschnitte in die Ökologie im Alpenraum, jedoch aus landwirtschaftlicher Sicht auch einen gewissen Vorteil, besonders in höheren Regionen: Es kann mit einer längeren Vegetationsperiode gerechnet werden. Durch die Erwärmung erhöht sich allerdings auch die Verdunstung, die Niederschläge bleiben aber gleich und somit kommt es zu Trockenheit, auch auf Almen und in inneralpinen Lagen. Darüber führen immer öfter auftretende Starkregenereignisse zu Erosionsgefahr und lokalen Schäden.

Getreideanbau bis über 1500 Meter Seehöhe

Stefanie Suchy von der Tiroler Umweltanwaltschaft referierte über alte Tiroler Getreidesorten & Biodiversität. Das vorgestellte Getreideprojekt unterstützt Bio-Betriebe in Tirol beim Anbau von ausgewählten Getreide-Landsorten. Das Saatgut wird über die Tiroler Genbank bzw. von der Tiroler Saatbau bezogen und ca. die Hälfte der Felder wird mit Saatgut aus eigenem Nachbau angebaut. Die Wintergetreide-Sorten „Chrysanth Hanserroggen“ und „Tiroler Kolbendinkel“ werden hauptsächlich im Projekt verwendet. Das höchste Getreidefeld liegt in Nauders auf 1550m Seehöhe. Selbst in dieser extremen Höhe ist Ackerbau möglich und hier können sich die alten, robusten Landsorten etablieren.

Die einzelnen Landsorten wurden kurz vorgestellt, darunter auch die Tiroler Rispenhirse, welche in der Vergangenheit traditionell auf Standorten im Gurgltal bis auf 1000 m Seehöhe angebaut wurde. Die Hirse diente als Futter für Kanarienvögel, diese wurden wiederum als „lebendige Kohlenmonoxid-Anzeiger im Bergbau“ verwendet. Wurde ein Vogel ohnmächtig oder gar tot, war für Bergleute höchste Zeit den Stollen auf schnellstem Wege zu verlassen, da sonst eine Kohlenmonoxid-Vergiftung drohte.

Spezielle Herausforderungen in den Bergen

Waltraud Hein von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein forscht zum Bio-Ackerbau. Sie präsentierte Erfahrungen aus langjährigen Versuchen im Getreideanbau im Alpenraum.

Verbissschäden durch Wild oder Fraß durch Vögel und Schädlinge, Ernteverlust durch Auswinterung oder Lagerung und Schwierigkeiten mit Pathogenen sowie die dadurch verursachte Kontamination von Futter- und Lebensmittel mit Ergotalkaloiden oder Mykotoxinen – etwa mit Steinbrand, Fusarium oder Mutterkorn (typische Problemerreger im Bioanbau) –  stellen neben den klimatischen Bedingungen im inneralpinen Raum die größten Herausforderungen für einen erfolgreichen Getreideanbau dar. Ein weiteres Problem in schneereichen Lagen bereitet der Schneeschimmel: Ist der Boden nass und liegt das Getreide unter einer Schneedecke, so kann dieser Pilz im Frühjahr einen erheblichen negativen Einfluss auf das bereits angebaute Wintergetreide haben.

Zusammenfassend konnte Hein feststellen, dass Getreideanbau im Alpenraum durchaus möglich ist und dass je nach Standort von Wintergerste bis Sommerhafer auch in hohen Lagen Getreideanbau funktioniert. Allerdings muss als Voraussetzung die maschinelle Ausrüstung (überbetrieblich) gegeben sein. Ebenso ein sehr wichtiger Faktor ist die optimale Sortenwahl: Standfestigkeit, gute Überwinterung, frühreife Eigenschaften, Auswuchsfestigkeit und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten sind hier wichtig. Die Boniturtabellen und Versuchsergebnisse der AGES dienen hier als Auswahltabellen.

Nach der Pause ging es mit einem Vortrag von Matthias Greisberger von der Landwirtschaftskammer Salzburg weiter. Greisberger behandelte u. a. die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Ackerbau in alpinen Lagen und eines möglichen Umbruchs des Dauergrünlandes.

Schweinehaltung auf dem Acker

Als Praktiker führte Matthias Löcker, Landwirt und Ackerbauer aus dem Lungau, den letzten Vortrag des Seminar-Theorieteils durch. Löcker bewirtschaftet im Lungau den Biohof Sauschneider. In einer Seehöhe von 1050 m betreibt er auf 8 ha Fläche Ackerbau mit Schweinehaltung. Alte Getreidesorten wie etwa der Lungauer Tauernroggen (extrem hoch und dadurch verbunden ein extrem hoher Strohertrag: 6000kg/ha), Hanf zur Hanfölproduktion, Gemengeanbau und diverse Anbauexperimente wurden in einem lebendigen Vortrag dargestellt. Löcker beschrieb u.a. die besondere Betriebsform mit Schweinehaltung auf dem Acker und die damit verbundene spezielle Fruchtfolge. Auch Veredelung der Produkte und Vermarktung mit Vertrieb spielen eine wichtige Rolle für den Erfolg eines Betriebes. Der Biohof Sauschneider produziert Korn, Mehl, Brot, Nudel, Leindotteröl, Hanföl und -tee, Lebkuchen, Kartoffeln, Leindottersalz und Speck.

Im Anschluss folgte der praktische Teil mit Maschinenvorführungen: Sowohl die Feldmaschinen von Emil Platzer am Acker als auch diverse Reinigungs-, Mahl- und Verarbeitungsmaschinen an der Hofstelle wurden gemeinsam begutachtet. In anregenden Diskussionen und Gesprächen standen neben den Vortragenden und der Gastgeberfamilie auch Hannes Moser und Thomas Gruber vom Maschinenring für Fragen zur Verfügung.

Fazit: Die Landwirte Matthias Löcker und Emil Platzer sind der beste Beweis dafür, dass erfolgreicher Ackerbau im inneralpinen Raum möglich ist. Sie zeigen welche Möglichkeiten der Vermarktung sich ergeben und wie aufkommende Probleme lösbar sind.

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