Während sich in anderen EU-Ländern nach der Taxonomie-Abstimmung die Investitionen in Atomstrom und Gas künftig wohl häufen werden, bleibt das vor Jahrzehnten errichtete Kernkraftwerk in Zwentendorf mit Sicherheit zu.
Die Abstimmung zur EU-Taxonomie erinnert an die Situation in Österreich im Jahr 1978, allein das Endergebnis ist nicht dasselbe. Nach der politisch großteils befürworteten Errichtung des Kernkraftwerks lehnten bei einer Volksabstimmung 50,47 Prozent der Stimmberechtigten die Inbetriebnahme ab und das Projekt scheiterte. Auch nach der Volksabstimmung kam es zu heftigen Diskussionen. Heute ist man über diese Entscheidung froh. Auch vor der Abstimmung zur Verordnung der EU-Taxonomie, die definiert, welche Energiequellen als „nachhaltig“ gelten, wurde politisch heftig interveniert. Aber der Reihe nach: Am 31. Dezember 2021 wurde von der EU-Kommission – kurz vor Mitternacht – ein delegierter Rechtsakt zur Taxonomie präsentiert. Plötzlich dämmerte den Atomkraftkritikern, dass die EU-Kommission Investitionen für Strom aus Atomenergie und fossilem Erdgas als nachhaltig einstufen wolle. Mittels EU-Taxonomie, sollen Atom- und Gasproduktion in und für die EU langfristig abgesichert werden.
Die Empörung der Österreicher
„Atomkraft durch die Hintertür“ oder „Greenwashing der Kernkraft“, ertönte es prompt aus diversen politischen Büros im ganzen Land. Eine wünschenswert klare Linie über Parteigrenzen hinweg und dennoch ist sie etwas scheinheilig. Zwar steht auf Österreichischem Boden kein aktives Kernkraftwerk, doch wird vor allem im Winter Atomstrom nach Österreich importiert, um Versorgungsengpässen entgegenzuwirken.
„Diese Entscheidung ist an Absurdität kaum zu überbieten“, beschrieb die jüngsten Entwicklungen Bauernbund-Direktor Norbert Totschnig. Er kritisiert die mit der Taxonomie möglicherweise einhergehende Bürokratiewelle für die Land- und Forstwirtschaft. Was das eine mit dem anderen zu tun hat?
Die Taxonomie beurteilt, ob Investitionen künftig als nachhaltig oder riskant eingestuft werden. Sie ist ein Instrument der EU, das Energieformen lenkt. Aus Brüsseler Kreisen ist zu entnehmen, dass Investitionen in die Land- und Forstwirtschaft künftig nicht mehr so einfach als „nachhaltig“ eingestuft werden, als es bisher der Fall war.
Beispiel „nachhaltiger“ Forsttraktor
Bei der Finanzierung von beispielsweise einem Traktor für die Forstarbeit würde das bedeuten, dass zusätzlich zur Investition Managementpläne und Aufzeichnungen bei der Bank eingereicht werden müssten. Damit solle der Forstwirt beweisen, dass die Investition nachhaltig ist. Würde die Investition hingegen mangels Nachvollziehbarkeit als nicht nachhaltig eingestuft werden, würde der Forstwirt höhere Zinsen zahlen müssen, da die Banken laut Taxonomie-Verordnung mit dieser Investition ein höheres Risiko eingehen würden.
In delegierten Rechtsakten legt die EU-Kommission in den kommenden Monaten Kriterien für nachhaltige Investitionen in die Landwirtschaft (Nutztierhaltung und Pflanzenbau) fest. Erste Entwürfe lassen auf strenge Auflagen und zusätzliche Aufzeich-
nungen sowie Kontrollen schließen. Es scheint fast so, als würde die EU-Kommission ihre ambitionierten Klimaziele nicht erreichen und deshalb Atomstrom und Gas notgedrungen in den Ring werfen. Dass sie darüber hinaus einen Sektor wie die Forstwirtschaft, welcher den Begriff „Nachhaltigkeit“ einst hergeleitet hat, mit einem Fuß aus dem Ring stößt, ist heimischen Agrariern „nicht nachvollziehbar“.
Taxonomie-Verordnung kippen?
Aus heutiger Sicht eher aussichtslos. Im Rat der EU bräuchte es eine Mehrheit von 20 Regierungen. Eher noch vorstellbar ist eine Blockade durch eine absolute Mehrheit im EU-Parlament
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