“Halbhinig sind sie droben gelegen!“, sagte ein Almbauer und ihm war noch die Erschütterung über die vorgefundenen Spuren des Gemetzels anzumerken. Im Zeitraum vom 18. Mai bis zum 5. Juni wurden im Gemeindegebiet von Serfaus 22 schwer verletzte und tote Schafe entdeckt. Tatort: die Komperdell-Alpe, mittels DNA-Analyse schnell entlarvter Täter: ein Wolf.
Wo sich Wildtiere, die große Beute greifen, und Nutztiere ins Gehege geraten, kommt es unweigerlich zu Konflikten. Und es kommt zu einer Polarisierung in der oft ideologisch geführten Diskussion. Hinter dem Wolf stehen engagierte Tierschutzaktivisten, die sich darüber freuen, dass der Wolf, der vor 150 Jahren schon fast ausgerottet war, sich dank Wolfsschutz und strengen Abschussverboten nun auch in Österreich Gebiete zurückerobert und nicht mehr auf der Liste der gefährdeten Tiere steht. Aber auch die Bauern sehen sich als Tierschützer, denen ihr Vieh selbstverständlich mehr am Herzen liegt als der Wolf und die es nicht verstehen können, dass Schafe und Nutztiere weniger schützenswert sein sollen.
Auch Schafe sind schützenswert
Zwar sind für Tierschutzaktivisten auch Schafe schützenswert, aber sie setzen dabei ausschließlich auf Herdenschutzmaßnahmen, die leider auf vielen Bergweiden entweder gar nicht oder nicht konsequent genug umgesetzt werden können. Mit Herdenschutzhunden auf den Almen tun sich auch neue Probleme auf, denn bei missverständlichen Begegnungen können sie zu einer Gefahr für Wanderer werden. Schließlich sind sie eng mit dem Wolf verwandt und seit Jahrtausenden durch die gleichen Vorfahren miteinander verbunden.
Im Almgebiet oberhalb von Komperdell weiden normalerweise im Sommer 250 bis 300 Schafe, die mittlerweile auf andere Weiden gebracht wurden. Manche Tiroler Schafbauern belassen ihre Tiere mittlerweile überhaupt im Stall. Solche Ausweichmaßnahmen sind keine dauerhafte Lösung und mit Ausgleichszahlungen lässt sich ebenfalls nicht alles regeln, es geht ja auch um das Leid der Schafe und nicht nur um ihren Geldwert.
Was tun in diesem Dilemma? Kann man den Wolf, der nicht nur für das Vieh, sondern auch für Menschen eine Gefahr darstellt, in die bestehenden Lebensräume eingliedern, ohne dass er Schaden nimmt und Schaden zufügt?
Raumplanung für den Wolf
Univ.-Prof. Dr. Klaus Hackländer, Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft, Leiter des Instituts für Integrative Biologie und Biodiversitätsforschung an der Universität für Bodenkultur in Wien, wird bei allen sich zu Wort meldenden Parteien für seine Sachlichkeit und Fachkompetenz geschätzt und anerkannt. Er hat sich intensiv mit diesem Thema befasst und darüber ein Buch geschrieben: „Er ist da. Der Wolf kehrt zurück.“ Ein interessantes und informatives Buch, das auch mögliche Lösungsansätze aufzeigt, mit einem lesenswerten Vorwort von Tobias Moretti. Der Wolf, so Hackländer, komme derzeit aus allen Richtungen und werde bleiben, wenn man ihn lässt, denn Österreich sei ein Schlaraffenland für einen großen Beutegreifer wie ihn, ein mit viel Wild reich gedeckter Tisch. Man schätzt, dass es in 15 Jahren bis zu 500 Wölfe in Österreich geben könnte. Man muss kein Schaf sein, um das als Bedrohung zu sehen.
Wolf-Freihaltezonen
Deshalb wird der Landwirtschaft nichts anderes übrigbleiben, als sich künftig mit gezielten Maßnahmen auf den Wolf einzustellen. Klaus Hackländer: „Herdenschutz ist das Um und Auf, wir werden darauf nicht verzichten können und müssen deshalb Ausbildungsstätten für Schäfer und Zuchtprogramme für Herdenschutzhunde schaffen. Das kostet Geld, aber das sollte uns der Schutz der Schafe und des Viehs wert sein.“ Gleichzeitig schlägt der Experte ein gezieltes Wolfs-Management inklusive Raumplanung vor.
Die Koexistenz sei nur möglich, wenn der Wolf auf Distanz gehalten werde. Klaus Hackländer: „Neben Wolfskernzonen, in denen wir Wolfsrudel akzeptieren, brauchen wir künftig auch Wolf-Freihaltezonen, wo wir die Anwesenheit des Wolfes und die Etablierung von Rudeln verhindern müssen. Dazu bedarf es einer Herabstufung des strengen Schutzes in Europa und neuer rechtlicher Rahmenbedingungen in Österreich!“ Sein Wort im Ohr der Verantwortlichen!
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