Seit die Europäische Kommission vor gut zwei Jahren ihren Entwurf für das sogenannte Naturwiederherstellungsgesetz als Herzstück des Green Deals präsentierte, sorgt dieser für reichlich Zündstoff, besonders in der Landwirtschaft. Bekanntermaßen plant Brüssel bis 2030 zumindest ein Fünftel der Landes- und Meeresfläche sowie bis 2050 alle als geschädigt eingestuften Ökosysteme in einen guten Zustand zu versetzen. Auf Ebene der Mitgliedstaaten soll bis 2030 begonnen werden, zunächst 30 Prozent der von den Vorgaben erfassten Wälder, Agrarflächen, Feuchtgebiete und Gewässer von einem schlechten in einen guten Zustand zu überführen. Oberste Priorität sollen zunächst die bestehenden Natura-2000-Gebiete haben. Von den torfreichen Moorböden müssen die EU-Staaten bis 2030 30 Prozent in einen guten ökologischen Zustand überführen. Bei einem Viertel der betroffenen Fläche soll dies durch Wiedervernässung erfolgen.
Weiters gilt für sanierte Ökosysteme künftig ein „Verschlechterungsverbot“. Festmachen will der europäische Gesetzgeber Verbesserungen anhand dreier Indikatoren: einem Grünland-Schmetterlingsindex, dem Anteil von vielfältigen Landschaftselementen sowie am organischen Kohlenstoffgehalt in Ackerböden. Optimierungen bei zwei der drei Parameter sollen Mitgliedstaaten in Zukunft als Nachweis einer Verbesserung genügen.
EVP stimmte dagegen
Nach langwierigen Verhandlungen hat nun auch das Europäische Parlament bei seinem Zusammentreffen in Straßburg für die Einführung des NRL gestimmt. 329 Abgeordnete sprachen sich dafür aus, 24 enthielten sich. 275 Parlamentarier stimmten dagegen, darunter die gesamte Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Diese hatte sich bereits im Juni des Vorjahres offiziell aus den Verhandlungen zum NRL zurückgezogen. Fraktionsvorsitzender Manfred Weber (CSU) hatte diesen Schritt damals mit der Gefahr einer deutlich verringerten Agrarproduktion begründet. Den Trilog-Verhandlungen wohnte man – nach der Zustimmung des Parlaments im Sommer – aber dennoch bei. „Als Volkspartei sind wir klar für Renaturierung zur Stärkung von Biodiversität und Klimaschutz“, stellt auch Alexander Bernhuber, Agrar- und Umweltsprecher der ÖVP im Europaparlament, diese Woche wieder fest. Nachsatz: „Zentralistische Eingriffe in die Subsidiarität und in die Eigentumsrechte unserer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft auf Kosten der Versorgungsicherheit lehnen wir aber klar ab.“
Bernhuber: „Zentralistische Eingriffe in die Subsidiarität und in die Eigentumsrechte unserer Land- und Forstwirtschaft lehnen wir ab.“
Aus Sicht des Bauernbündlers war der Vorschlag der Kommission „ideologisch motiviert und praktisch nicht durchführbar“. Die im Gesetz enthaltenen Aspekte zur Wiederherstellung von Biodiversität seien außerdem bereits in 23 bestehenden Gesetzen geregelt, ein „konkreter Mehrwert“ fehle. Insbesondere für Land- und Forstwirte sowie Behörden sei er eine „Katastrophe“. Bernhuber ortet in der Zustimmung des Parlaments „eine verpasste Chance für einen sinnvollen Neustart für Renaturierung vor Ort“.
Copa übt Kritik, NGOs feiern Meilenstein
Ähnliches ist auch von den EU-Ausschüssen der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca) zu hören. Man bedaure, dass das Gesetzesvorhaben nicht „auf die lange Bank geschoben wurde“. In der nun vorliegenden Form unterstützen es die Dachverbände nicht, da es „ernsthafte Probleme“ für die Landwirte beinhalte und auch Finanzierungsfragen noch offen seien. NGOs wie Greenpeace Österreich finden indes lobende Worte. Es handle sich um ein „Erste-Hilfe-Paket“ für die Natur, der WWF spricht von einem „Meilenstein“.
Parlament verlangte „Notbremse“
Immerhin in einem Punkt konnte der Kommissionsvorschlag im Parlament zugunsten der Landwirtschaft überarbeitet werden. Der Gesetzestext enthält nun eine „Notbremse“ für Mitgliedstaaten. Diese sollen unter außergewöhnlichen Umständen (etwa stockende Lebensmittelproduktion) die Möglichkeit bieten, die geltenden Umweltauflagen temporär auszusetzen.
Österreichisches „Nein“ im Rat fix
Für das offizielle Inkrafttreten des Renaturierungsgesetzes bedarf es nun noch der Zustimmung des Rates der Europäischen Union. Eigentlich ein Formalakt, Agra-Europe zufolge ist dies aber aufgrund der politischen Sprengkraft des NRL „mit Unsicherheiten behaftet“. Die für Österreich stimmberechtige Umweltministerin Leonore Gewessler ist aufgrund einer einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer verpflichtet, den Vorschlag abzulehnen. Die Abstimmung des Rates ist für März anberaumt. ÖVP-Agrarsprecher Bernhuber kündigte indes bereits an, im Falle einer Umsetzung genau darauf zu achten, wie sich das Gesetz auswirkt.
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