Getreu dem Tagungsmotto „Wir leben Innovation aus Tradition“ rückten vergangene Woche am Ackerbau-Fachtag in der LK Niederösterreich-Zentrale in St. Pölten klassische Pflanzenbauthemen eher in den Hintergrund. Die Debatten in den hochkarätig besetzten Podiumsdiskussionen wurden von den Herausforderungen der Branche hinsichtlich Inflation, Klimawandel sowie von den politischen Auflagen durch den Green Deal dominiert.
Der Vortragsreigen wurde von Sebastian Dickow eröffnet. Er skizzierte in seiner Funktion als stellvertretender Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes die aktuelle Situation der deutschen Ackerbauern, insbesondere die Herausforderungen durch den Green Deal. Dickow, selbst Landwirt in Niederbayern, ist überzeugt: „Klimaschutzmaßnahmen müssen sich wirtschaftlich rechnen, hier braucht es Anreize und neue Modelle.“ Mark Manshanden, via Internet von der Universität Wageningen zugeschaltet, gab zu bedenken, dass der politische Wille zur Abschwächung des Klimawandels Konsequenzen für die EU-Landwirtschaft mit sich bringen werde. „Ein Teil der Auswirkungen wird sich dabei auf Länder außerhalb Europas verlagern“, ist der Wissenschaftler überzeugt.
Nachhaltigkeitskriterien beschäftigen Unternehmen
Dass auch die der Landwirtschaft nachgelagerte Industrie mehr und mehr zu den Getriebenen in Sachen Nachhaltigkeit gehört, erläuterte Ulrike Middelhoff, Managerin für Nachhaltigkeit bei Agrana. Demnach sei seit 2015 eine Welle an Auflagen über den Konzern hereingebrochen, welche genaue Belege für die CO2-Emissionen der erzeugten Produkte verlangt. Seit 2020 sei es für Unternehmen gar unmöglich, ohne Nachhaltigkeitskriterien noch Fremdkapital zu bekommen. Beim Frucht-, Stärke- und Zuckerspezialist sucht man deshalb vermehrt den Kontakt zu seinen Zulieferern, „um über die Emissionsreduktion in unserer eigenen Produktion hinaus auch emissionsarme, biodiversitätssteigernde Agrarpraktiken in Kooperation mit der Landwirtschaft zu fördern“, so Middelhoff.
Fokus auf die Wirtschaftlichkeit
Welche Stellschrauben im Ackerbau zur Verfügung stehen, um in einem zunehmend volatilen Marktumfeld trotzdem wirtschaftlich zu agieren, war Thema im zweiten Tagungsblock. Hier machte Elisabeth von Bothmer, agrarische Unternehmensberaterin aus Göttingen, den Anfang. Anhand anonymisierter Daten ihrer Beratungskunden in Tschechien gab sie Tipps für den Betriebsmitteleinkauf und den Verkauf der Ernte. „Der Trend auf den Märkten geht in Richtung stärkere Schwankung“, nahm sie mögliche Fragen nach einer Beruhigung der Agrarmärkte gleich vorweg. Generell empfiehlt sie den Bauern, bei Zahlungszielen für den Betriebsmitteleinkauf stets die Liquidität des Hofes im Blick zu behalten. So erwies sich in den Jahren 2015 bis 2023 der Stickstoffdüngereinkauf im Juni als günstigster Zeitpunkt. Bei Phosphor und Kali sei hingegen die Bedarfsdeckung im Winter ratsam.
Skaleneffekte und Technik als Stellschrauben
Wie ihren Beratungskunden in Tschechien und Deutschland gab sie auch dem Publikum in St. Pölten mit: „Bauern sind keine Börsenmakler. Statt auf Spekulation zu setzen, müssen wir Bauern unsere Zahlen kennen und wissen, zu welchen Preisen wir kostendeckend kaufen und verkaufen können.“ Ihren Datensätzen zufolge seien hier feste Verkaufstermine nach dem Motto „Keep it stupid and simple“ das bessere Verfahren. Den Landwirten bliebe zur Optimierung auf betrieblicher Ebene nur die Absenkung ihrer Stückkosten in der Produktion.
In dieselbe Kerbe schlug auch der Betriebswirtschaftsberater der LK Niederösterreich, Gerald Biedermann. Er präsentierte die Kostenstruktur von 80 Ackerbauern seines Bundeslandes am Beispiel des Getreidebaus und betonte gleich vorweg: „Getreide war auch schon vor den Krisen nicht immer eine vollkostendeckende Kultur.“ Zuletzt habe sich die Schere durch sinkende Erzeuger- und steigende Betriebsmittelpreise allerdings zugespitzt. Erschwerend seien die Kostensteigerungen bei Faktorkosten – wie jene für Arbeit, Kapital und Flächen – hinzugekommen. Die Einschätzung des Fachmanns: „Auch 2024 wird sicherlich ein herausforderndes Jahr.“ Den Betriebsmitteleinsatz erachtet Biedermann dennoch als „betriebswirtschaftlich notwendig“. Immerhin: Während etwa bei Saatgut nach wie vor höhere Preisniveaus an der Tagesordnung sind, berichtet der LK-Experte von global rückläufigen Preisen für Pflanzenschutzmittel. Wenngleich er mahnte: „Die Mittel sind zu teuer, um als Land- und Betriebswirt zum Standardprogramm überzugehen.“ Auch er empfiehlt der Bauernschaft, ihre eigene Kostenstruktur auf Betriebsebene zu optimieren und sieht hier vor allem in moderner Technik (etwa teilflächenspezifischer Applikation) großes Potenzial.
“Taktgeber der Branche”
Der dritte Schwerpunkt widmete sich innovativen Unternehmen, die mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Region Mehrwert in selbiger generieren. So stellte der Premiumbäcker Josef Weghaupt aus dem Waldviertel seine Marke „Joseph Brot“ vor. Seit 2019 kauft er die Zutaten dafür (von Getreide bis Kakao) großteils direkt bei den Erzeugern ein. „Wir sehen uns als Taktgeber der Branche und wollen Bewusstsein schaffen“, so der Kult-Bäcker vieler Wiener. Aus dem Salzkammergut war Josef Sigl von der Trumer Privatbrauerei angereist, um deren neuestes Produkt, einen Haferdrink, zu präsentieren. „Ich kenne die Vorbehalte vieler Bäuerinnen und Bauern“, sagte Sigl. Die wachsende Beliebtheit der Milchalternativen werde von Österreichs Landwirten derzeit „leider eher als Problem, nicht als Chance wahrgenommen“. Mit seinem Pflanzendrink „ausschließlich aus heimischen Rohstoffen“ will er aber „den Bauern den Rücken stärken“.
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- Podium Fachtag Ackerbau: ÖKOSOZIALES FORUM/HERZOG