Für Landwirte stehen bei neuen Technologien zwei Faktoren ganz klar im Vordergrund: Sie müssen zuverlässig funktionieren und wirtschaftlich sein. Dieser Erkenntnis von Capgemini Consulting folgend, hat die Melzer PR Group die erste „Chefsache Digital Farming“ im Schloss Weinzierl bei Wieselburg (NÖ) ausgerichtet, zu der 15 Geschäftsführer und Innovations- bzw. Vertriebschefs von führenden Landmaschinenherstellern wie Traktorenwerke Lindner, Reform Werke, Bauer Group, CNH, Fliegl, Komptech bzw. Farmtech oder Vakutec eingeladen waren.
Es gibt mittlerweile unzählige Apps und Anwendungen für die Landwirtschaft. Die Frage, die sich Entwickler und Hersteller stellen müssen und die Chefsachen-Initiator Rudolf J. Melzer an die Runde stellte, ist: „Was braucht der Landwirt wirklich?“ Mit der Antwort auf diese Frage eröffnete Bastian Thöle, Senior Manager im Bereich Corporate Excellence & Transformation bei Capgemini Consulting, die exklusive Gesprächsrunde, denn: „Funktioniert die Technologie draußen am Feld? Das ist die Frage, die mir Landwirte immer wieder stellen. Nur, wenn eine reibungslose Funktionalität vom Hersteller gewährleistet wird, ist der Kunde auch bereit, dafür Geld auszugeben.“ Künftig werde es viele Funktionen „on demand“ geben, betont Thöle, also Features, die erst am Weg zum Feld freigeschalten werden, nämlich dann, wenn der Landwirt sie tatsächlich braucht. Auch eine Mietfunktion von diversen Technologien würde künftig die Kosten erheblich senken und so die Digitalisierung auch in der Landwirtschaft weiter vorantreiben. „Ein Grundproblem bei der Digitalisierung ist, dass es in vielen ländlichen Gegenden noch nicht die passende digitale Infrastruktur gibt und so vieles einfach aufgrund der mangelnden Datengeschwindigkeit nicht möglich ist“, so Thöle.
Ist ein Generationenwechsel bei Händlern nötig?
Welche Technologien es bereits gibt und wie viel Autonomisierung in der Landwirtschaft möglich ist, ergänzte Roberto Ferrari, Managing Director der TTControl Srl, in der zweiten Keynote des informativen Nachmittags: Die Herausforderung am autonomen Fahren im sogenannten ‚Off-Highway‘-Bereich stellt sicherlich die nicht vorhersehbare Beschaffenheit des Bodens und der gesamten Umgebung dar“, so Ferrari. „Felder und Wiesen sind natürlich unebener als Straßen und bieten dem autonomen System kaum Anhaltspunkte, wie es zum Beispiel bei Fahrstreifen auf Schnellstraßen oder Autobahnen der Fall ist. Unvorhersehbare starre Hindernisse wie Steine oder Holz, aber auch Tiere stellen zudem große Risikofaktoren dar, und können letztlich die Sicherheit der Landwirte und Maschinen erheblich beeinflussen.“
Wie können Entwickler und Hersteller also diesen Herausforderungen begegnen? „Die grundlegende Voraussetzung für unsere Kunden ist eine modulare und sichere Plattform. Der Kunde kann in der Folge selbst entscheiden, welches Modul er für seine spezifische Landmaschine braucht und welche genauen Funktionen dieses Modul umsetzen soll“, erklärt Ferrari. „Es muss eine Plattform-Lösung geben, die für alle beteiligten Maschinen durchgehend einsetzbar ist, nur so kann die systemübergreifende Autonomisierung in der Landwirtschaft effizient und reibungslos funktionieren.“
Die Diskutanten waren sich einig, dass es vor allem an den Händlern läge, die neuen Technologien den Kunden zu vermitteln und deren Mehrwert sichtbar zu machen. Ferrari: „Viele Händler sind sich über die Verfügbarkeit und tatsächliche Nutzung von Apps nicht bewusst. Wichtige Informationen der Hersteller werden kaum verwertet und an den Kunden weitergeleitet. Möglicherweise braucht es hier einen Generationenwechsel, damit die Digitalisierung endgültig in der Landwirtschaft ankommt.“
Hagen Adam von der AVL Commercial Driveline & Tractor Engineering, Steyr, stellte dem entgegen: „Diese Jahre haben wir nicht. Die Architekturen der Technologien müssen flexibel sein und Unvorhersehbares vorhersehen.“ Das Problem seien allerdings nicht nur die Schnittstellen, so Sebastian Birx, Vertriebsleiter Precision Farming bei CNH Industrial: „Die Richtung, in die es gehen muss ist klar. Der Punkt ist allerdings, dass es viele Maschinen am Markt gibt, die für die Digitalisierung noch gar nicht gerüstet sind. Und dann geht es vor allem um die Basis, die Plattform, die überall implementiert sein muss – und das vor allem schnell genug.“
Für einen weltweit tätigen Landmaschinenhersteller wie die Bauer Group, Voitsberg (Stmk.), hat die Schnittstellenthematik besondere Bedeutung: „Theoretisch müsste man jedes Anbaugerät mit jedem Traktor testen. Hier wären international verbindliche Standards sehr hilfreich“, sagte Bauer-Vertriebschef Franz Peter Roll.
Clemens Malina-Altzinger, Geschäftsführender Gesellschafter der Reform Werke Bauer in Wels (OÖ), verwies in seinem Statement auf die Bedeutung, die die Digitalisierung für kleinstrukturierte Agrarländer wie Österreich oder die Schweiz hat: „Wichtig ist, dass die entsprechenden Softwarelösungen dann auch für diese kleineren Betriebe erschwinglich sind.“
In einem waren sich alle Diskutanten einig, so auch Hermann Lindner, Geschäftsführer der Traktorenwerke Lindner: „Das einzig essentielle ist der Kundennutzen. Was funktioniert für den Landwirt und was nicht? Was braucht er und was nicht? Digitalisierung ist oftmals in der Beweissicherung und der Dokumentation für Förderungen wichtig – und da muss die Technologie einwandfrei klappen.“
Für diesen Erfolg und die massentaugliche Implementierung der digitalen Helfer sein ein offener Austausch in der Industrie nötig, so Simon El Dib, Head of Corporate Excellence &Transformation bei Capgemini Consulting: „Der Zusammenschluss von mehreren Anbietern wird notwendig, um eine Plattform zu schaffen, die alle Wünsche erfüllt. Es ist entscheidend, dass auch in der Landmaschinen-Industrie ein Community-Gedanke entsteht.“
An der konstruktiven und informativen Diskussion beteiligten sich unter anderem Heinrich Prankl, der Leiter für Forschung und Innovation am Francisco Josephinum Wieselburg, der auch Vorsitzender der Plattform Digitalisierung in der Landwirtschaft im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus ist, Johann Bock, Geschäftsführer von Becom Electronics, der langjährige Geschäftsführer von GGW Gruber, Karl Wiefler, Farmtech-Geschäftsführer Franz Jantscher, Franz Höpfinger, Entwicklungschef der Fliegl Agrartechnik und Karl Steinmann, Geschäftsführer der Vakutec Gülletechnik GmbH.
Kurzinfo zu „Chefsache Industrie 4.0
Die informelle Expertenplattform „Chefsache Industrie 4.0“ wurde Anfang 2014 von der Melzer PR Group gemeinsam mit Wirtschaftswissenschaftern und CEOs diverser betroffener Unternehmen gegründet. Ziel ist es, das Thema „Industrie 4.0“ bzw. „Internet der Dinge“ (IoT) in Österreich noch stärker zu einer „Chefsache“ zu machen, also den entsprechenden Informationsaustausch auf Geschäftsführerebene anzuregen und zu erleichtern. Zu den Executive-Roundtable-Gesprächen und Exkursionen laden der jeweilige „Host“ und die MPRG-Vorstände und -Geschäftsführer von führenden Industriebetrieben ein. Teilnehmende Unternehmen sind bis dato unter anderem: A1 Digital, Andritz, Becom, Bossard, Capgemini, Fraunhofer Research Austria, GGW Gruber, Jungheinrich, KBA Mödling, Mondi, NTT DATA, OMV, Palfinger, Prinzhorn, SAP, SCA, Schaeffler, Semperit, TTControl, Weidmüller und andere mehr.
- Bildquellen -
- Chefsache Digital Farming 14 MelzerPR: Melzer PR Group
- Chefsache Technik: Melzer PR Group