Papst Franziskus wurde einmal als „Pfarrer der Welt“ bezeichnet. „Pfarrer von Tirol“ nennt man den am 2. Dezember vor 70 Jahren verstorbenen „Tag- und Nachtschreiber Gottes“, Monsignore Sebastian Rieger oder Reimmichl, der mit 200 Geschichten und 60 Büchern zum bis heute unerreichten Tiroler Volksschriftsteller wurde. Wohl und Wehe des Tiroler Volkes, insbesondere des damals wirtschaftlich benachteiligten Bauernstandes, waren die Triebfedern seiner Zeitungsarbeit.
Geschichte des „Reimmichl“
Sebastian Rieger kam am 28. Mai 1867 auf dem Eggerhof in der Gemeinde St. Veit in Defereggen zur Welt. Am Peter und Paulstag des Jahres 1891 empfing er in Brixen aus der Hand von Fürstbischof Simon Aichner die Priesterweihe, die festliche Primiz feierte er in seinem Heimatort St.Veit. Die folgenden Kooperatorenjahre führten ihn nach Stilfes bei Sterzing, Sexten, Dölsach und Taufers. In Sexten erfolgte gewissermaßen der Start zu seinem öffentlichen Wirken.
Dort lebte ein Schuster namens Michl, der eine Fülle von lustigen Geschichten zu erzählen wusste. Der Kooperator schrieb sie nieder und schickte sie an den 1892 gegründeten „Tiroler Volksboten“, der sich ab dem 22. Dezember 1892 das „Blatt zur Belehrung und Unterhaltung des katholischen Volkes“ nannte. Dort veröffentlichte Sebastian Rieger Beiträge und volkstümliche Erzählungen, die er aber nicht mit vollem Namen, sondern nur mit R. oder mit S. R. zeichnete. Seit 1894 erschienen die lustigen Geschichten unter dem Titel „Was der Reimmichl erzählt“, ein Name, der Sebastian Rieger bleiben sollte.
Sebastian Riegers Mutter, die dem jungen Seelsorger, die Wirtschaft führte, fragte eines schönen Tages ihren Sohn: „Ich les‘ da immer diese netten Geschichten, die ein ganz neuer Erzähler unter dem Namen ‚Reimmichl‘ schreibt. Kennst du den?“ Reimmichl ließ seine Mutter vorläufig noch im Ungewissen. Kein Wunder, dass ihn Prälat Dr. Aemilian Schöpfer im Jahre 1897 in die Redaktion des „Tiroler Volksboten“ holte. 1898 wurde Reimmichl Expositus in Gries am Brenner, von wo aus er zusammen mit seinem Mitschüler und Freund Josef Grinner den „Volksboten“ redigierte. 1914 übersiedelte er nach Heiligkreuz bei Hall. Mit seinen Erzählungen im „Bötl“ traf er die Herzen des Volkes.
„Reimmichls Volkskalender“
Sein politisches und journalistisches Engagement in der christlich-sozialen Bewegung darf nicht übersehen werden: Er war 1904 geistiger Vater des Tiroler Bauernbundes, er führte im selben Jahr eine Dienstbotenehrung durch, bei der 402 Knechte und Mägde als Dank für ihre Treue im „Bötl“ genannt wurden.
Ab 1920 widmete er sich besonders seiner originellen Erfindung eines „Tiroler Kalenders“, der ab 1925 „Reimmichls Volkskalender“ hieß. Reimmichls große Erzählungen spiegeln das Leben der bäuerlichen Welt. Reimmichl wurde so zum „Pfarrer von Tirol“ – wie man ihn nannte – über seinen Tod am 2. Dezember 1953 hinaus.
- Bildquellen -
- Reimmichl Foto Tiroler Bauernbund: Heinz Wieser