Teuerung: Milchprodukte deutlich unter dem iPhone-Index

Butter, Käse und Milch als Inflationstreiber? Dieser Behauptung trat Molkereien-Präsident Helmut Petschar bei der Österreichischen Milchwirtschaftlichen Tagung energisch entgegen. Österreichs Milchwirtschaft erzielte im Vorjahr zwar einen deutlich höheren finanziellen Umsatz, dieser war jedoch rein kostengetrieben. Weder Molkereien noch Bauern haben „abgecasht“, so Petschar.

Knapp mehr als 46 Euro gab ein Österreicher im Vorjahr jeden Monat für den Einkauf von Milchprodukten aus. Den Vorwurf, damit Preistreiber zu sein, hat der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), Helmut Petschar, strikt zurückgewiesen. Alleine die Kosten eines neuen iPhones würden bei 1.200 Euro Kaufpreis und zwei Jahren Nutzungsdauer deutlich über diesem Wert liegen.
Bei der diesjährigen Österreichischen Milchwirtschaftlichen Tagung, die vergangene Woche in Rotholz in Tirol stattgefunden hat, betonte Petschar, dass das Image der „teuren Butter“ nicht der Realität entspreche. Die Preissteigerungen bei Milchprodukten seien „rein kostengetrieben“, weder Bauern noch Molkereien haben sich daran „bereichern“ können.

Umsatzplus wurde von den höheren Kosten kompensiert

Zwar sei der Umsatz der heimischen Molkereibranche im Vorjahr um 25 Prozent von 3,05 auf 3,8 Milliarden Euro gestiegen, das Ergebnis vor Steuern der Milchverarbeiter sei gemäß einer Hochrechnung des Revisionsverbandes mit 0,2 Prozent bezogen auf den Umsatz aber weiterhin sehr knapp. Die Mehreinnahmen mussten zur Abdeckung der massiv gestiegenen Kosten verwendet werden, vor allem bei Strom und Gas sowie auch bei Verpackung, Logistik und Löhnen. Unterstützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand hätten in der Milchwirtschaft bisher nicht gegriffen, so Petschar.
Erhöht habe man auch die Erzeugermilchpreise, da auch die Milchbauern mit massiven Kostensteigerungen zu kämpfen hatten. Laut VÖM-Auswertung haben die Milcherzeugerpreise in Österreich mit Jahreswechsel ihren Höchststand erreicht, wobei der Spitzenwert unter dem Vergleichswert in Deutschland blieb und auch erst mit Verzögerung erreicht wurde. Die Gründe dafür liegen in der verzögerten bzw. nur teilweisen Umsetzung der internationalen Preisentwicklung in Österreich im vergangenen Jahr, der starken Handelskonzentration und in den Produktsortimenten.

Erzeugermilchpreis hinkte im Deutschlandvergleich nach

Die Erzeugerpreise für gentechnikfreie, konventionelle Qualitätsmilch (4,0 % Fett, 3,4 % Eiweiß) beliefen sich für den Zeitraum Jänner bis Juli 2023 auf 51,35 ct/kg netto, was um gut ein Fünftel über dem Vorjahreswert lag. Allerdings ist der aktuelle Juli-Bauernmilchpreis mit 46,79 ct/kg erstmals wieder unter der Vorjahreslinie, was angesichts der anhaltend hohen Kosten die Milchbauern in eine schwierige Situation bringe, so Petschar. Im Vergleich zu Deutschland habe man Stand Juli mit rund 7 Cent Vorsprung nun aber wieder Boden gut gemacht. Gefordert seien Milchverarbeiter und Bauern aktuell vor allem bei Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls. Die Vorgaben aus dem für Österreich sehr wichtigen Exportmarkt Deutschland erzeugen hier Zeitdruck. Denn die deutschen Diskonter Lidl und Aldi werden ab Jänner 2024 Trinkmilch nur noch aus den deutschen Haltungsstufen 3 und 4 anbieten.

Baustellen bei Tierwohl und Herkunftskennzeichnung

Das bedeutet zumindest Laufstallhaltung mit ganzjährig nutzbarem Laufhof oder Laufstall mit Weidehaltung, keine Anbindung. Bei einer Exportquote der heimischen Milchwirtschaft von mehr als 45 Prozent mit dem Hauptmarkt Deutschland lässt sich dies nicht einfach ignorieren. Heimische Molkereien, die diese Schiene bedienen, müssen entsprechende Milchmengen beschaffen und diese, strukturell bedingt, auch getrennt sammeln. Petschar merkte an, dass die dauernde Anbindehaltung im AMA-Gütesiegel mit Ende 2023 ohnehin nicht mehr möglich sei, um weiter exportieren zu können, müsse man aber auch mit dem deutschen System ITW über Anpassungen verhandeln. Man wolle die Bauern mit Kombihaltung nicht im Stich lassen. In puncto Herkunftskennzeichnung plädierte Petschar erneut für eine „möglichst breite, verpflichtende Kennzeichnung“. Nur damit seien für die Konsumenten fundierte Kaufentscheidungen möglich. Besonders wichtig sei dies vor dem Hintergrund neuer Handelsabkommen etwa mit Neuseeland oder möglicherweise auch mit den Mercosur-Ländern.

Quelle: BZ / Maad
Helmut Petschar ist Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM).

Zur Struktur der heimischen Milchwirtschaft erläuterte Petschar, dass die Anzahl der Milchlieferanten im Vorjahr um knapp drei Prozent zurückgegangen sei auf rund 23.200 Betriebe. Die Anzahl der Milchkühe habe jedoch um fast fünf Prozent zugenommen auf rund 550.000 Tiere. Mit 24 Kühen je Betrieb und 151.000 kg Jahreslieferleistung sei die heimische Milchwirtschaft im internationalen Vergleich immer noch sehr klein strukturiert.

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  • W03 Petschar Kop: BZ / Maad
  • W02 2338 03: Fotos: Gina Sanders - stock.adobe.com, made_by_nana - stock.adobe.com
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AUTORH.M.
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