Tierwohl: Zwischen Wunsch der Konsumenten und Realität im Regal

Die Nutztierhaltung steht in einem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Erwartungen und Anforderungen des Marktes.

Heumilchbetrieb der Familie Neuhofer in Straßwalchen: Ein Tierwohl-Stall wie er im (Bilder)-Buch steht.

Die Nutztierhaltung und damit verbunden der Konsum von tierischen Lebensmitteln rückt im­mer stärker in den Fokus der Gesellschaft und das Thema Tierwohl gewinnt an Bedeutung. „Den Bäuerinnen und Bauern ist Tierwohl wichtig, denn nur wenn es den Tieren gut geht können diese eine entsprechende Leistung bringen. Die mediale Berichterstattung über Missstände sind Einzelfälle, die meist auf persönliche Überforderung der Betriebsführer zurückzuführen sind“, betonte Präsident Franz Waldenberger, im Zuge einer Pressefahrt der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Dabei erhielten Journalisten Einblicke in die moderne Nutztierhaltung sowie in die gesamte tierische Wertschöpfungskette.

Schweine: Derzeit keine neuen Tierwohl-Betriebe gesucht

In der Schweinehaltung ist der Transformationsprozess bereits seit Jahren im Gange. Dieser wurde vergangenes Jahr durch die Diskussion um den Vollspaltenboden weiter beschleunigt. „Während für Neubauten die Anforderungen bereits in Kraft getreten sind, ist es gelungen für bestehende Stallungen mittels Übergangsfristen einen vernünftigen Kompromiss zu erzielen, um nicht vorzeitige Betriebsstilllegungen zu provozieren und die heimische Schweinefleischversorgung aufrecht erhalten zu können“, erklärte Kammerdirektor Karl Dietachmair.


Christian und Petra Bauer haben 2021 ihren geschlossen Zucht- und Mastbetrieb in Peuerbach auf Tierwohl umgestellt.

Die Bauernvertretung hat gemeinsam mit der Branche den sogenannten „Masterplan Schweinehaltung“ erarbeitet. Dieser sieht vor, dass im Laufe der nächsten zehn Jahre eine Million Schweine aus Tierwohlhaltungsformen kommen sollen. Ein ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, dass die Menge derzeit lediglich bei einem Viertel liegt. Familie Bauer aus Peuer­bach ist ein Pionier auf diesem Gebiet und betreibt bereits seit 2021 einen zertifizierten „TW100“-Stall. „Wir wollten nicht mehr vergrößern, sondern mit dem Bestand weiterarbeiten und mehr Bewegungsmöglichkeit schaffen“, erklärte Christian Bauer. Der Anbau für den Auslauf habe 100.000 Euro gekostet. Neben den hohen Investitionskosten sei auch die Arbeit mehr geworden, insbesondere in der Ferkelaufzucht. Dieser Mehraufwand werde jedoch durch einen fairen Preis abgegolten, bekommt man pro Schwein immerhin 60 Euro mehr bezahlt.

Vermarktet wird über die VLV, geschlachtet beim Großfurtner und verkauft über die Rewe-Initiative „Fair zum Tier“, die eine fünfjährige Abnahme garantiert. Zudem werden bis zu 20 Euro pro Schwein über das ÖPUL-Programm durch die öffentliche Hand zugeschossen. „Ich hoffe, dass die Hochpreispha­se noch länger anhält, denn wir müssen jetzt Geld verdienen, da bald wieder Investitionen anstehen um die gesetzlichen Mindeststandards zu erfüllen“, so der Betriebsführer und meint damit die Umsetzung der Bewegungsbuchten im Abferkelbereich bis 2033. VLV-Fer­kelring-Geschäftsführer Johann Stinglmayr befürchtet, dass auf Grund dessen bis dahin die Hälfte der Zuchtsauen-Betriebe im Land aufhören werde.

Bei den TW60-Betrieben stellt sich die wirtschaftliche Situation etwas an­ders dar. Sie bekommen 15 bzw. 25 Euro (bei gvo-freier Fütterung) mehr pro Schwein. „Der Handel ist momentan nicht bereit höhere Aufschläge da­für zu bezahlen“, erklärte VLV-Geschäftsführer Johann Schlederer. Generell gebe es viel mehr Schweinebauern, speziell unter der jüngeren Generation, die auf Tierwohl-Haltung umstellen wollen, alleine es fehlen die Abnehmer dafür. „Diese Haltungsformen können nur aufrechterhalten wer­den, wenn die Konsumenten die Tierwohl-Produkte auch kaufen“, so Stinglmayr. Doch das sei derzeit eben nicht wirklich der Fall, wie auch Andreas Stieglmayr, Konzernleiter beim Fleischverarbeiter Tann, bestätigt:

Wir merken derzeit keinen Anstieg bei den Tierwohl-Produkten. Das ist vermutlich auch der Inflation geschuldet. Deshalb können wir momentan auch keine zusätzlichen Betriebe brauchen.

Kammerpräsident Waldenberger sieht die gesellschaftliche Diskussion stark getrieben von diversen NGOs: „Die Schweinebauern sind bereit zu liefern, aber der Mehraufwand muss auch bezahlt werden.“ Für VLV-Obmann Markus Brandmayr ist „nicht nur der Erzeugerpreis, sondern auch die Zukunftsaussicht entscheidend“ ob die Betriebe in der Produktion bleiben.

Rinder: Aus für dauernde Anbindehaltung ab 2024

„Was man tut, muss man auch herzeigen können. Wir Bauern sind keine Landschaftsgärtner, sondern wirtschaftende Lebensmittelproduzenten“, betonte Berglandmilch-Obmann Stefan Lindner, bei einem Treffen mit der oberösterreichischen Delegation in dessen Heimat Oberndorf bei Kitzbühel. Dort wurden unter anderem rinderhaltende Betriebe besichtigt und über die künftigen Herausforderungen in der Branche diskutiert. Zentrales Element: Das Aus für die dauernde An­bindehaltung mit 1. Jänner 2024 für AMA-Gütesiegel-Betriebe. Die Diskussion darüber wurde aus Deutschland importiert und habe hierzulande die Entscheidung nicht nur beeinflusst, sondern auch beschleunigt. Betroffen davon seien bundesweit circa zehn bis 15 Prozent der 8500 Betriebe alleine im Fleischbereich, die derzeit noch die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen. „Ein Teil der Betriebe wird die nö­tigen Investitionen nicht mehr tätigen, insbesondere kleinere“, meint Waldenberger. Man sei jedoch bestrebt gemeinsam (Stallbau)lösungen zu erarbeiten.

Für Lindner ist klar, dass dieser Weg begangen werden müsse, da ansonsten auch die Kombinationshaltung in Gefahr sei: „Die Kombinati­onshaltung muss der salonfähige Mindeststandard sein. Alles was investiert wird muss Richtung Laufstall gehen – auch im Berggebiet. Auch wenn das unseren Mitgliedern viel abverlangt. Ansonsten verlieren wir insbesondere viele kleine Betriebe, welche ja auch die Gesellschaft unbedingt weiter haben will“, so Lindner der gemeinsam mit sei­nem Bruder den Schörgerer-Hof be­wirtschaftet – ein Betrieb der als Musterbeispiel für gelebte Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Gastro­nomie gesehen werden kann. Ein Drittel der Milch wird in der eigenen Hofkäserei veredelt und direkt vermarktet. Abnehmer ist unter anderem die Schwester, die ein Hotel im Ort betreibt. Zudem bekommen die Gäste dort auch Gerichte mit Freilandeier sowie Rind- und (Stroh)schweinefleisch vom Betrieb der Brüder serviert.

Im Gespräch: Franz Waldenberger, Josef Braunshofer, Stefan Lindner und Karl Dietachmair (v.l.)

„Bei Lebensmittel dreht sich derzeit alles um den Preis“

Im Zuge der Besichtigung der Tirol-Milch-Molkerei in Wörgl gab Bergland­milch-Geschäftsführer Josef Braunshofer exklusive Einblicke über die aktuelle Situation am Milchmarkt:

Der Milchpreis geht in Europa zurück. Wir gehen aber davon aus, dass der „Milchpeak“ erreicht ist und die Mengen sich nicht mehr erhöhen werden.

Der Absatz der Milchprodukte sei gut jedoch müsse man insbesondere darauf achten, wie sich die jüngere Konsumentenschicht in Zukunft ernährt und welche Ansprüche sie auch in Bezug auf die Haltung stellt. Deshalb setzt man stark auf die Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels. Das Ende der Anbindehaltung wird als Notwendigkeit erachtet, „denn wir können den Konsumenten nicht mehr länger erklären, dass Tiere 365 Tage im Jahr angebunden sind“. Wenig Verständnis hat er daher aber für die aktuellen Diskussionen rund um den Wert von Lebensmitteln: “Diese konzentriert sich derzeit hauptsächlich an einem Faktor und das ist der Preis. Bei Aktionen schalten die Konsumenten einfach das Hirn aus.”

Fazit: Die Bauern sind entsprechend dem Wunsch der Konsumenten bereit in mehr Tierwohl zu investieren, nur müssen diese die (teureren) Produkte im Regal dann auch kaufen.

- Bildquellen -

  • Heumilchbetrieb Neuhofer: BZ/Mursch-Edlmayr
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AUTORThomas Mursch-Edlmayr
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