Zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) zählen einzigartige Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen oder auch Fertigkeiten. Dazu zählen zum Beispiel die Handwerkstechnik des Blaudrucks, die klassische Reitkunst der Spanischen Hofreitschule, die Parfumkunst aus Südfrankreich, die reiche Bierkultur Belgiens oder die traditionelle Herstellung von Terrazzo. Seit Frühjahr 2021 befinden sich das Trockensteinmauerbauen im “Österreichischen Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes”, nun soll der Erhalt dieser uralten Handwerkskunst auch internationale Anerkennung erfahren.
Wichtiges Kulturgut
Am 29. März unterzeichnete Österreich gemeinsam mit Andorra, Belgien, Irland und Luxemburg in Paris das Ansuchen für die Erweiterung der „Repräsentativen Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ um die Kunst des Trockensteinmauerns und übergab den Antrag der UNESCO. Für acht europäische Nationen ist das Trockensteinmauern bereits in die internationale Liste eingetragen.
Viel Arbeit gab es in den Monaten davor bei der Erstellung des Antrages für die Experten der Trockensteinmauernschule Österreich. Sie unterstützten als Erhalter und Vermittler des Kulturerbes neben NGOs, Naturparks und öffentlichen Körperschaften das österreichische UNESCO-Büro.
„Die Vielfalt unserer Aktivitäten und die Reichweite unserer Schulungen erwiesen sich dabei als äußerst wertvoll“,
erklärte Rainer Vogler von der Trockensteinmauernschule. „Wir konnten 60 Unterstützungserklärungen von Firmen, Körperschaften, Institutionen und Handwerkern sammeln. Die Fotos unserer Workshops mit Kindern und Jugendlichen sind ebenso ein guter Nachweis für die Lebendigkeit des Kulturerbes wie die 225 Kurse, die in ganz Österreich viele Landschaftsgärtner, Baufirmen und Landwirte zu Trockensteinmaurern gemacht haben.“
Tradition, Kunst und Wissen
Jedes der einreichenden Länder präsentierte das Trockensteinmauern und seine ausführenden Personen mit Fotos und in einem gemeinsamen Film, um die weitreichende kulturelle und soziale Bedeutung der Technik zu unterstreichen. Österreich lieferte dazu Filmmaterial über die Ökologie von Trockensteinmauern und über das spielerische Lernen von Kindern, um das Kulturerbe an viele der nächsten Generation weiter zu geben.
Jetzt ist Geduld gefragt. Das UNESCO-Komitee wird voraussichtlich bei der jährlichen Sitzung im Dezember 2024 über die Aufnahme der Kunst des Trockensteinmauerns abstimmen.
Das Trockensteinmauern als Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen
Die Kunst des Trockenmauerns umfasst das Wissen um die Herstellung von Steinkonstruktionen durch Aufeinanderstapeln von Steinen, ohne Verwendung anderer Materialien. Die Technik und genauen Ausformungen einzelner Konstruktionen haben sich im Laufe von Hunderten von Jahren als Reaktion auf die örtlichen Landschaften entwickelt. Sie tragen auch zur landschaftlichen Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung bei, indem sie Erdrutsche, Überschwemmungen und Lawinen verhindern, Erosion und Wüstenbildung bekämpfen, Wasser zurückhalten und die biologische Vielfalt fördern. Dadurch tragen sie zur Erreichung mehrerer nachhaltiger Entwicklungsziele der Agenda 2030 bei. Unter anderem Ziel 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur, Ziel 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden; und Ziel 15 Leben an Land, da die Praxis einen nachweislichen und sichtbaren positiven Effekt auf die Umgebung hat. Wissen und Fertigkeiten werden sowohl informell unter den Mitgliedern lokaler Gemeinschaften (wie Weinhauer und Privatinitiativen) als auch von Fachleuten (Branchenverbänden, Baufirmen, Gärtnereien und Schulen) weitergegeben.
Trockenmauerbau in Österreich
Seit Frühjahr 2021 befinden sich das Trockensteinmauerbauen im Österreichischen Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. Denn auch hier ist die jahrhundertealte Praxis nach wie vor von großer Bedeutung. Es existieren eine Vielzahl von Initiativen, Workshops und (internationalen) Netzwerke, die das Wissen und die Techniken rund um das Bauen und Erhalten von Trockensteinmauern weitergeben. Ende 2022 wurde auch eine eigene Schule, die Trockensteinmauernschule.Austria, gegründet, welche sich der Vermittlung und Verbreitung der Praxis widmet. Neben den bereits genannten positiven ökologischen Effekten prägen die Konstruktionen immer noch die Landwirtschaft und Landschaft in Österreich. Beispielsweise sind sie integrativer Bestandteil der Weltkulturerbe-Landschaft Wachau und ihren vielen Trockenmauern-Terrassen, die den landwirtschaftlichen (Wein-)Anbau ermöglichen.
Die internationalen Listen des immateriellen Kulturerbes der UNESCO
Einzelne Traditionen aus dem Nationalen Verzeichnis können für die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit (derzeit 569 Eintragungen) nominiert werden. Daneben besteht auch die Möglichkeit sich für das Register “Guter Praxisbeispiele” (derzeit 33 Eintragungen) oder der Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Kulturerbes (derzeit 76 Eintragungen) zu bewerben.
Die Elemente dieser Liste werden dann als immaterielles Kulturerbe der Menschheit und nicht als Weltkulturerbe bezeichnet. (Als Weltkulturerbe gelten Baudenkmäler, Stadtensembles und Kulturlandschaften, die von besonderem Wert für die Menschheit sind).
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Weitere Informationen:
- Infos zu Workshops der Trockensteinmauernschule unter rainer.vogler@wbs-krems.at oder 0676 / 59 57 626.
- Lehr-Filme über das Trockensteinmauern
- Internationale Listen des Immateriellen Kulturerbes
- Informationen zum Trockensteinmauerbau in Österreich
- Bildquellen -
- Im UNESCO-Headquarter in Paris: Permanent Representation of Ireland, Paris
- Gründungsurkunde: Trockensteinmauernschule.Austria
- Trockensteinmauer: Christine Emberger
- Trockensteinmauer: Christine Emberger