Kein Zuckerschlecken mehr. Die Eigenversorgung Österreichs mit Zucker aus eigener Produktion könnte bald Geschichte sein. Dieses bedrohliche Szenario für die heimische Zuckerwirtschaft beherrschte die diesjährige Generalversammlung des Rübenbauernbundes für NÖ und Wien, die am 28. Februar in Wien stattgefunden hat.
Auslöser des Alarmrufes ist die vor kurzem getroffene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), ab sofort das Zuckerrübensaatgut nicht mehr mit Neonicotinoiden behandeln zu dürfen. Dies stellte den heimischen Rübenanbau vor eine ernstzunehmende Bedrohung. Mehr als die Hälfte der Rübenanbaufläche des Einzugsgebietes Niederösterreich und Wien kämpft seit Jahren mit dem Rübenderbrüssler, der in kürzester Zeit ganze Zuckerrübenflächen kahlfressen kann.
Käfer nicht mehr beherrschbar
Die Neonicotinoide in der Saatgutbehandlung waren die einzige Möglichkeit, die Schädlingspopulation in Griff zu halten. Alternative Insektizide für die Flächenbehandlung gibt es kaum und diese haben nicht einmal ansatzweise eine vergleichbare Wirkung.
Laut Rübenbauernpräsident Ernst Karpfinger besteht deshalb die Gefahr, dass in Österreich zur heurigen Anbausaison die seit Jahrzehnten geringste Rübenfläche zur Verfügung steht. Dadurch könnte erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg eine Unterversorgung Österreichs mit heimischem Zucker entstehen.
Neonicverbot kommt zur Unzeit
Das Verbot des Beizmittels kommt zur Unzeit. Mit großem Engangement und trotz Schädlingsepidemie sowie Preisabsturz aufgrund der Zuckermarktliberalisierung haben die Rübenbauern in den vergangenen beiden Jahren zum Bestand der beiden heimischen Zuckerfabriken beigetragen. Parallel dazu hat sich der Zuckermarkt wieder stabilisiert. Das Jahr 2022 bot mit Rübenpreisen von durchschnittlich 65 Euro pro Tonne Luft zum wirtschaftlichen Durchatmen. Nun scheinen all diese Anstrengungen umsonst, denn die Politik lässt den erst im Herbst 2020 geschlossenen “Pakt zur Rettung des heimischen Zuckers” ins Leere laufen.
Doppelmoral der EU-Kommission
Die Rübenbauern sehen im Verhalten der EU-Kommission eine „heuchlerische Doppelmoral“. Denn während man aufgrund der verhängten Verbote von Pflanzenschutzmitteln die Produktion immer mehr zurückfahren muss, steigen die Importe aus Drittländern an, hauptsächlich aus Übersee. Bei der Produktion von Zucker aus Übersee wird nicht darauf geachtet, wie die Produktionsbedingungen und -standards vor Ort sind. Die Europäische Union verlangt lediglich leicht erfüllbare Grenzwerte von Pflanzenschutzmitteln in den Importprodukten. Karpfinger: „Das ist unfair und wettbewerbsverzerrend! Während bei der europäischen Produktion Wirkstoffe erst gar nicht verwendet werden dürfen, werden bei Importen sogar Rückstände dieser Mittel toleriert.“
NGOs gefährden die Versorgungssicherheit
Die Europäische Kommission müsse sich wieder für eine Landwirtschaftspolitik entscheiden, die die Versorgungssicherheit der europäischen Bevölkerung durch heimische, regionale Produktion sicherstelle, fordert Karpfinger. Die Hauptschuld für diese Fehlentwicklung tragen die Umwelt-NGOs, die mit fragwürdigen Studien und Behauptungen die Bevölkerung verunsichern und immer mehr Druck auf die Europäische Kommission ausüben. Von den Verantwortungsträgern in Europa fordert Karpfinger, dass wissenschaftliche Fakten und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung wieder die Basis für Entscheidungen werden.
- Bildquellen -
- 2309 W Zuckerruebe 3 Blatt: agrarfoto.com