Auch wenn Schweine auf frischem Stroh optisch ansprechender aussehen, muss es ihren tierischen Kollegen auf Vollspalten nicht automatisch schlechter gehen. Die Macht der Bilder ist dennoch Treiber medialer Diskussionen über die gängigen Haltungsformen bei Mast- wie auch Zuchtschweinen. Ob in Medien verniedlichende Werbespots mit Ferkeln oder anonym und verbotenerweise gefilmte Schweineställe bei Nacht – gemeinsam ist diesen beiden extremen Darstellungsformen, dass sie von einem Großteil der Bevölkerung kaum hinterfragt werden.
Richtig glaubwürdig sind dennoch beide nicht. Ein Problem mit der Glaubwürdigkeit haben aber gerade auch jene heimischen Schweinehalter, die sich redlich bemühen, eine gute Arbeit zu leisten. Warum? Weil es der konventionelle, gewissenhaft geführte Schweinebetrieb selten bis gar nicht in die Medien schafft. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Angst der Bauern vor Verrissen
Österreichs Bauernbundpräsident Georg Strasser, der AMA-Manager für den Bereich Qualität Martin Greßl und Werner Habermann, der Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf, haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die Haltung von Schweinen auf heimischen Betrieben, ungeschönt vor und mit Journalisten zu diskutieren. An dieser Stelle sei klar dazugesagt: Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Medienvertreter ohne Vorurteile zur Schweinehaltung Bericht erstatten. Zugleich ist es auch ein Risiko für Schweinehalter, ihre Ställe den Vertretern der Medien zu zeigen. Oder anders formuliert: Die Angst vor einem Verriss und emotionaler Demontage schwingt stets mit. Nicht wenige Schweinebauern sind gezeichnet von einer Vielzahl medialer Negativkampagnen. Für die Pressesprecher agrarischer Institutionen wurde es in der Vergangenheit zunehmend schwierig, Betriebe zu finden, die für Journalisten ihre Hoftore öffneten.
Selbst ein Bild von der Schweinehaltung machen
2021 brachte einen weiteren Fortschritt. Österreichs Schweinebranche hat sich für eine Weiterentwicklung der gängigen Haltungsformen entschieden. Ab 2023 soll es bei Um- und Neubauten von Schweineställen nur mehr Haltungsformen mit eigenen Liegeflächen geben. Zudem sollen 2030 eine Million Schweine unter den Premium-Standards „AMA-Gütesiegel Tierwohl“ sowie „Bio“ vermarktet werden. Georg Strasser hat diese vereinbarten Neuerungen intensiv begleitet: „Gemeinsam mit den agrarischen Branchenvertretern, Ministerium, Kammern und unserem Koalitionspartner haben wir intensiv an nachhaltigen Lösungen für mehr Tierwohl gearbeitet – mit Hausverstand und Augenmaß.“ Mit dem „Pakt für mehr Tierwohl“ wurde im Vorjahr der Grundstein gelegt. Heuer folgen weitere Maßnahmen. „Wir entwickeln uns in der Schweinehaltung weiter und kommen so den Wünschen der Gesellschaft nach. Die Kosten für diese höheren Standards werden aber nicht die Bäuerinnen und Bauern alleine tragen können“, betont Strasser. Auch in der künftigen GAP gebe es begleitende Förder- und Marktanreize. Strassers Botschaft lautet: „Der Tisch mit hochwertigem heimischem Tierwohl- und Premiumfleisch ist jedenfalls angerichtet. Jetzt muss der Konsument nur noch zugreifen.“
Der Krieg verändert Märkte
Die durch den Ukraine-Krieg unsichere wirtschaftliche Entwicklung bringt die Schweinebetriebe aktuell doppelt unter Druck: Einerseits treibt die Inflation die Futterkosten in unerschwingliche Höhen, gleichzeitgig sinkt die Nachfrage nach Premiumprodukten, wegen der Krisenstimmung. Für Bäuerinnen und Bauern werde es schwieriger, kostendeckend zu produzieren, weiß Strasser. Damit könnte der rot-weiß-rote Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch, der aktuell bei rund 106 Prozent liegt, sinken. Eine Gefahr für die sichere Lebensmittelversorgung im Land. In den vergangenen zehn Jahren haben mehr als 10.000 oder rund ein Drittel der schweinehaltenden Betriebe, ihre Stalltüren für immer geschlossen. Seit 2010 wurde ein Rückgang der Betriebe von 30.800 auf 21.000 im Jahr 2020 verzeichnet. Ein noch stärkerer Druck in Richtung Tierwohl könnte diese Entwicklung weiter vorantreiben.
Haltungssysteme, die der Markt zahlt
„Wir dürfen daher unsere Betriebe nicht zu Tierwohl-Haltungssystemen verpflichten, die der Markt nicht zahlt“, weist AMA-Qualitätsmanager Martin Greßl auf die Diskrepanz im Konsumentenverhalten hin, zwar „höchste Standards zu fordern, aber gleichzeitig möglichst billig zu kaufen“. Die AMA habe sich das klare Ziel gesetzt, dass bis 2030 eine Million Schweine in Österreich aus „Tierwohl“- oder Biohaltung stammen sollen. Das entspräche immerhin einer Vervierfachung der derzeitigen Produktion. Ob diese auch erreicht werde, entscheide einzig der Konsument, so Gressl. Mit den Tierwohl-Modulen werde ein Angebot geschaffen. In einem weiteren Schritt gehe es darum, die Konsumenten drüber zu informieren und auch in die Pflicht zu nehmen, meint man in der AMA-Marketing.
Ein Drittel mehr Kosten
„Durch Tierwohl-Auflagen steigen die Produktionskosten für unsere Betriebe um rund ein Drittel“, rechnet derweil Gut Streitdorf-Geschäftsführer Werner Habermann vor. Die große Herausforderung liege daher darin, die Konsumenten zum Einkauf hochpreisiger Produkte zu bewegen. Derzeit zeigten Marktbeobachtungen aber eher Gegenteiliges, nämlich eine starke Nachfrage bei Handels- und Billigmarken. Mittelfristig hält Habermann einen Anteil von zehn Prozent Tierwohl-Fleisch am Gesamtabsatz für realistisch. Für ihn ist zudem klar, dass mehr Fleischabsatz im Premiumsegment nicht allein über den Lebensmittelhandel zu erreichen sei. Vielmehr brauche es ein klares Bekenntnis des Bundes und der Länder, auch in der Gemeinschaftsverpflegung zu hochwertigem Fleisch zu greifen. Dazu zählen Kantinen, Bundesheer, Krankenhäuser, Pflegeheime oder etwa Schulen. Auch in der Gastronomie und in der Weiterverarbeitung gelte es, mittels nachvollziehbarer Herkunftskennzeichnung der Anonymität der Fleischherkunft entgegenzutreten.
AMA-Gütesiegel am Prüfstand
Das etablierte und über die Landesgrenzen hinaus bekannte österreichische Qualitäts-Siegel kommt medial immer wieder in Misskredit. Zuletzt etwa durch einen Kärntner Schweinemastbetrieb. Ein Stall mit völlig verwahrlosten Schweinen wurde von Tierschützern gefilmt und als Negativbeispiel geschickt an verschiedene Medien weitergereicht. Hintergrund der zugegeben unzumutbaren und nicht zu beschwichtigenden Vernachlässigung der Tiere soll dem Vernehmen nach die persönliche Überforderung des Schweinehalters aufgrund familiärer Probleme gewesen sein. Seitens der AMA wurde prompt reagiert: „So darf ein AMA-Gütesiegel-Betrieb nicht aussehen. Das entspricht nicht unseren Richtlinien.“ Der Betrieb wurde mit sofortiger Wirkung gesperrt.
Hängen bleibt bei solchen meist von Tierschützern ausgeschlachteten Problemfällen ein Verlust der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens in das AMA-Gütesiegel. Ob – wie in diesem Fall tatsächlich – eine Vernachlässigung der Tiere vorliegt, lässt sich meist erst im Nachinein feststellen, wenn die Schlagzeile geschrieben und das Urteil über den Schweinehalter bereits gefällt ist. Berichtigungen – über zu Unrecht medial Verunglimpfte – finden meist nicht mehr den Weg in die Zeitungen und (TV-)Magazine. Trotz vieler Unterschiede unterscheidet sich die Schweinehaltung in dieser Sache kaum von der (Spitzen-)Politik…
Martina Rieberer