Herr Bauernbunddirektor, Sie waren im letzten halben Jahr Präsident des Österreichischen Bundesrates. Welche Schwerpunkte haben Sie gesetzt?
RAGGL: Meine Präsidentschaft stand unter dem Motto „Starke Regionen – starke Republik“ und fügte sich damit in den „Masterplan ländlicher Raum“ ein, der schon die letzten vier Präsidentschaften begleitet hat und noch vom Tiroler Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter zur Weiterentwicklung des ländlichen Raums mit großer Voraussicht erarbeitet wurde.
Konkret stand die Perspektive für die Regionen im Mittelpunkt. Es wurde über neue Impulse für Tourismus und Landwirtschaft gesprochen und darüber nachgedacht, wie insbesondere der Tourismus in Stadt und Land nachhaltig gestärkt werden kann. Da Landwirtschaft und Tourismus ein unzertrennliches Paar sind, wurde dabei besonders der Einsatz regionaler Lebensmittel als touristisches Erfolgsmodell aufgezeigt. Daher müssen die Bemühungen, eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel in der Gastronomie einzuführen, noch verstärkt werden – im Endeffekt profitieren wir nämlich alle davon.
Der ländliche Raum wurde auch in einer parlamentarischen Enquete angesprochen.
RAGGL: Die Bundesratsenquete hat eine Menge an Möglichkeiten aufgezeigt, die uns in Zukunft dabei helfen können, dass der ländliche Raum nicht nur ein Sehnsuchtsort ist, sondern auch ein „Hinzugsort“ wird: ein Ort, zu dem man sich hingezogen fühlt, wo man verwurzelt ist und wo man dieselben Lebens- und Entwicklungschancen hat wie in den Ballungsgebieten.
Die Pandemie hat eine neue Wertschätzung für den ländlichen Raum mit sich gebracht sowie den Wunsch, am Land in einer gesunden Umwelt zu leben, von bäuerlicher Nahversorgung zu profitieren und in der Geborgenheit einer ländlichen Gemeinschaft zu leben.
Welche Schritte sind aus Ihrer Sicht für die Zukunft nötig, um den ländlichen Raum lebenswert zu halten?
RAGGL: Vor welchen Herausforderungen der ländliche Raum in anderen Ländern steht, konnte ich bei Gesprächen mit Parlamentspräsidenten aus der ganzen Welt erfahren. Vielfach wurde mir von massiven Problemen berichtet, die Regionen vital zu halten. Vertreter aus Tschechien meinten, dass ihre ländlichen Räume großteils bereits ausgestorben sind. In Geisterdörfern wohnen dort nur noch einige wenige alte Menschen. Junge Leute und insbesondere Frauen sind längst in die Städte gezogen.
Um solch eine Entwicklung in Österreich zu verhindern, müssen wir die Digitalisierung und den Breitbandausbau im ländlichen Raum weiter vorantreiben. Diese Maßnahmen ermöglichen einen Gegentrend zur Zentralisierung und schaffen wertvolle Arbeitsplätze in den Regionen, um insbesondere jungen Menschen im ländlichen Raum eine Perspektive zu geben. Ein Schlüsselkriterium für das Leben und Arbeiten am Land ist außerdem ein modernes Angebot an Kinderbetreuung. Hier braucht es die Bündelung der Kräfte von Bund, Ländern und Gemeinden.
Und nicht zuletzt gilt es festzuhalten, dass unsere Landwirtschaft essenzielle Beiträge zum Erhalt eines attraktiven ländlichen Raumes erbringt.
Vielen Dank für das Gespräch!
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