Agrarkonzerne – Wer die Saat hat, hat das Sagen

Der globale Handel mit Agrarrohstoffen, Landtechnik, Saatgut und Pestiziden wird von immer weniger Großkonzernen dominiert. Das zeigt eine Analyse der "Daten und Fakten über die Agrarindustrie" im Konzernatlas 2017, den sechs deutsche Umwel

Getreideaussaat im Frühjahr - den Saatgut- und Pestizidmarkt dominieren weltweit sieben Konzerne, geht aus dem Konzernatlas 2017 hervor. ©agrarfoto.com
Getreideaussaat im Frühjahr – den Saatgut- und Pestizidmarkt dominieren weltweit sieben Konzerne, geht aus dem Konzernatlas 2017 hervor. ©agrarfoto.com
Höfesterben, Landkonzentration, Patente und Monokulturen – das sind die Folgen der Konzernmacht im Ernährungssektor.” Davon ist Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, überzeugt. Sie präsentierte gemeinsam mit fünf weiteren Organisationen, die als Herausgeber fungierten, den Konzernatlas 2017. Das alarmierende Ergebnis des Berichts: Immer weniger Konzerne bestimmten weltweit über einen immer höheren Anteil der Lebensmittelerzeugung und Ernährung. Dies geschehe zum Nachteil der Kleinbauern, Landarbeiter und der regionalen Lebensmittelversorgung, betonen die Autoren.

Größere Fusionen als im Ölsektor

So fanden etwa fünf der zwölf kapitalintensivsten Übernahmen börsennotierter Konzerne in den Jahren 2015 und 2016 im Agrar- und Ernährungsbereich statt. Der Wert der Fusionen von Unternehmen in dieser Branche war mit 347 Mrd. US-Dollar (325 Mrd. Euro) fünfmal höher als im Pharma- und Ölsektor. Lediglich vier Großkonzerne dominieren derzeit rund 70 Prozent des Welthandels mit Agrarrohstoffen. Drei Konzerne dominieren 50 Prozent des globalen Weltmarkts für Landtechnik. Den Saatgut- und Pestizidmarkt dominieren sieben Unternehmen weltweit – noch. Denn im Bereich der Agrarchemie stehen große Umstrukturierungen bevor. Die Dominanz der sieben großen Hersteller von Agrarchemikalien könnte sich in naher Zukunft weiter verdichten. So planen die beiden US-Konzerne DuPont und Dow Chemical eine Fusion, ChemChina will Syngenta aus der Schweiz kaufen, und der deutsche Bayer-Konzern bereitet die Übernahme von Monsanto vor. Das bedeutet: Am Ende würden drei Konzerne mehr als 60 Prozent der Märkte für Saatgut und Agrarchemie beherrschen. Frei nach dem Denkspruch “Wer die Saat hat, hat das Sagen” lastet der Konzernatlas den Unternehmen an, jeweils die marktbeherrschende Stellung erreichen zu wollen und dadurch Produkte, Preise und Qualitäten diktieren zu können. Hinzu kommt der Druck, den große Unternehmen ausüben können. Laut EU-Gesetzgebung erhalten Pestizide keine Zulassung, bevor nicht ihre Unbedenklichkeit nachgewiesen ist. Auch für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) gibt es in der EU Richtlinien.

Mehr Druck auf die Zulassungen

So gilt in der EU beim Anbau von GV-Pflanzen ein nationales Selbstbestimmungsrecht. In Österreich etwa ist durch das Gentechnik-Anbauverbots-Rahmengesetz der Anbau von GV-Pflanzen verboten. Schon schwieriger ist es, den Handel mit GV-Produkten zu kontrollieren, wenngleich auch in der EU strenge Zulassungs- und Kennzeichnungsregeln gelten. Trotzdem lehnte das EU-Parlament ein Verbot von Verkauf und Verwendung von GV-Produkten mit dem Argument ab, dass ein solches nur schwer oder gar nicht durchzusetzen sei, ohne Grenzkontrollen wiedereinzuführen. Im österreichische Lebensmittelhandel etwa findet man ohnehin keine GV-Produkte im Regal, weil die Konsumenten diese ablehnen. Auch wenn in der EU eine strenge Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht für die GV-Produkte besteht, befürchten die Autoren dennoch, dass Unternehmen diese Zulassungs- und Kennzeichungspflicht als Wachstums- und Handelshemmnis stärker angreifen könnten.

Patente führen zu Lizenzgebühren

Auch im Bereich der Züchtung und bei Patenten melden die Autoren Bedenken an. Patente auf Pflanzen führen dazu, dass Landwirte Lizenzgebühren für Saatgut und Nachbau bezahlen müssen. Diese Kosten könnten sich viele Kleinbauern oder kleine Züchter nicht leisten. Saatgut Aus- tria-Obmann Michael Gohn erklärte zudem bereits mehrmals zur Patent-Diskussion: “Im Gegensatz zum bestehenden Open-Source-System mit der Züchtungsausnahme würden Patente auf Pflanzen Innovation und Züchtungsfortschritt hemmen. Mit dem Sortenschutz gibt es eine gut funktionierende Regelung, die in der Vergangenheit wesentlich zum Züchtungsfortschritt beigetragen hat.” In Österreich setzen sich unter anderem die Organisation Arche Noah und Bio Austria sowie der Bauernbund für die Erhaltung der Saatgutvielfalt ein. Auch gegen Patente auf Pflanzen und Tiere läuft eine Petition. Ziel ist es, die Patentgesetze auf EU-Ebene zu verschärfen.

Konzentration auflösen und Saatgutvielfalt sichern

Für EU-Abgeordnete und Bauernbund-Vizepräsidentin Elisabeth Köstinger ergeben sich aus dem Konzern- atlas weitere Forderungen, bei denen die EU-Politik gefragt ist. Sie betonte im Rahmen der Wintertagung: “Wir müssen die Vielfalt des Saatguts sichern und die Konzentration, der die Landwirte gegenübergestellt sind, gilt es aufzulösen.” Zum Deal zwischen Bayer und Monsanto gab es von Köstinger ein klares Nein. Große Chemiekonzerne ihrerseits stecken viel Geld in Forschung und Innovation und bieten neue Lösungen und Sorten für die Agrarwirtschaft an. Dennoch weisen die Konzernatlas-Autoren daraufhin: “Wer sich genetisches Material über Patente sichert, erhält perspektivisch die Kontrolle über das Saatgut und damit über die Landwirtschaft sowie über die nachgelagerte Lebensmittelerzeugung – und am Ende über die Welternährung.”

Über den Atlas: Herausgeber und Veröffentlichung

• Die Herausgeber: Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Oxfam Deutschland, Germanwatch und Le Monde Diplomatique (deutsche Ausgabe);
• Bisher u. a. von der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht: Fleischatlas 2016, Bodentatlas 2015, Kohleatlas 2015, und weitere;
• Der Konzernatlas steht unter www.boell.de  kostenlos zur Verfügung.

Eva Zitz

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