Minister an der Kandare

Gastkommentar von Prof. Hubert Wachter, Publizist

Prof. Hubert Wachter, Publizist ©News/Ricardo Herrgott
Prof. Hubert Wachter, Publizist ©News/Ricardo Herrgott
Programm für Österreich! Zumindest der Titel des 35-Seiten-Papiers, mit dem Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner das Überleben ihrer Groöen Koalition bis zum regulären Nationalratswahl-Termin 2018 sichern wollen, klingt durchaus fesch. Die wirkliche Nagelprobe jedoch ist dessen Realisierung. Aber abseits der 46 punktuellen Vereinbarungen dekretieren Kern und Mitterlehner überdies eine schier revolutionäre strukturelle Veränderung des koalitionären Regierungs-Alltags an sich: Das System der sogenannten “Spiegel-Minister” wurde entsorgt. Am Beispiel des Themas Sicherheit: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil und Innenminister Wolfgang Sobotka bildeten so ein rot/schwarzes Spiegel-Ministerpärchen. Das äuöerst effektiv allen sonstigen Koalitionszwistigkeiten und parteipolitischen Störmanövern zum Trotz funktionierte. Unter groöem Beifall der Bevölkerung. Das ist vorbei. Ab sofort gilt: Alle Minister, die laut Verfassung ihre Ressorts in Eigenverantwortung zu führen haben, müssen speziell in politisch heiklen Situationen direkt an den Bundeskanzler berichten. Der jedoch gemäö der Bundesverfassung und im Gegensatz etwa zu Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel keinerlei Richtlinienkompetenz besitzt. Dabei: Zu “berichten” bedeutet in der freien Wirtschaft und deren Managersprache “weisungsgebunden” zu sein. Kein Wunder, dass schon von einer Minister-Teilentmachtung die Rede ist. Weil künftig alle Entscheidungen eben beim Kanzler-Duo Kern/Mitterlehner und deren beider Regierungskoordinatoren liegen. Anders formuliert: Kern nimmt damit sein Ministerteam an die Kandare, legt ihm sozusagen die Zügel an. Auch deswegen stehen politisch spannende Monate bevor.

E-Mail: wachter.hubert@aon.at

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