Man mag es für das besondere Pech unserer Koalitionsregierung halten, dass immer dann, wenn sie einen Erfolg zu verkünden hätte, gerade irgendwelche anderen Themen wichtiger erscheinen – sei es der Brexit, das Verfassungsgerichtserkenntnis zur Bundespräsidentenstichwahl oder auch bloß das Wetter. So wurde in der Vorwoche die Ausbildungspflicht bis zum vollendeten 18. Lebensjahr beschlossen – der größte bildungspolitische Fortschritt seit 50 Jahren. Man weiß ja: Wer bestenfalls den Pflichtschulabschluss (und in vielen Fällen nicht einmal diesen) hat, hat keine Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg und gilt als Kandidat für Langzeitarbeitslosigkeit und Bezug der Mindestsicherung. Man weiß auch: Viele junge Leute haben während der Pubertät und kurz danach anderes im Sinn, als zu lernen. Mit der Ausbildungspflicht bekommen die, die mit 14 einen “Durchhänger” hatten, einen sanften Zwang, sich mit 16 oder 17 noch einmal “am Riemen zu reißen”. Insgesamt ein Riesenprojekt für die Gesellschaft. Ist aber nicht weiter aufgefallen. Allenfalls hat Aufmerksamkeit erregt, ob auch Flüchtlingskinder zum Lernen verpflichtet werden sollen – ein Detail, dem die ÖVP viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt hat. Aber wenigstens jetzt, wo das ausgestanden ist, könnte man selbstbewusst hinausgehen und den Österreichern erklären, was für einen Fortschritt die Ausbildungspflicht bringt. Und dass sie viel positivere Effekte bringen wird als es das von der SPÖ fetischhaft betriebene Gesamtschulprojekt je könnte.
Die wichtigste Bildungsreform
Gastkommentar von Conrad Seidl, Redakteur "Der Standard"
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