Green Care bedeutet nicht Sozialromantik

Interview mit LK Wien-Direktor und Green Care-Vereinsobmann Robert Fitzthum

LK Wien-Direktor Robert Fitzthum ist Obmann des Vereins “Green Care Österreich”. Im Gespräch mit der BauernZeitung erklärt er, wieso Green Care nichts mit Sozialromantik zu tun hat und worauf Betriebsführer achten sollten, wenn sie sich für eine Diversifizierung durch soziale Dienstleistungen interessieren.

Der Bedarf an Pflegeeinrichtungen und anderen sozialen Dienstleistungen steigt. Durch Green Care sollen zusätzliche soziale Angebote geschaffen und gleichzeitig die Einkommen der bäuerlichen Betriebe gesichert werden, erklärt der Vereinsobmann von Green Care Österreich und Direktor der LK Wien, Robert Fitzthum. ©BZ/Zitz
Der Bedarf an Pflegeeinrichtungen und anderen sozialen Dienstleistungen steigt. Durch Green Care sollen zusätzliche soziale Angebote geschaffen und gleichzeitig die Einkommen der bäuerlichen Betriebe gesichert werden, erklärt der Vereinsobmann von Green Care Österreich und Direktor der LK Wien, Robert Fitzthum. ©BZ/Zitz
Vergangenes Jahr startete das Green Care-Zertifizierungssystem. Wie viele Betriebe interessieren sich dafür?
FITZTHUM: Derzeit haben wir zwölf zertifizierte Bauernhöfe in ganz Österreich, weitere fünf Betriebe befinden sich in der Vorbereitungsphase. Das Zertifizierungssystem ist also sehr rasch angelaufen. Und wir haben uns ein großes Ziel gesetzt: Wir wollen bis Ende 2018 insgesamt 45 zertifizierte Betriebe in ganz Österreich haben.

Warum hat Green Care dieses Zertifizierungssystem gestartet?

FITZTHUM:
Wir haben das sehr umfangreiche Zertifizierungssystem entwickelt, weil Qualitätssicherungsmaßnahmen für uns absolut im Vordergrund stehen. Die Qualitätssicherungsmaßnahmen schaffen für die Klienten und die Kooperationspartner Vertrauen, weil dadurch alles nach rechtlichen und fachlichen Kriterien überprüft ist. Und auch die Familien der zu betreuenden Personen fühlen sich dadurch wohler, weil sie wissen: Hier findet eine qualitätsgesicherte Dienstleistung statt. Und als weiteren Schritt haben wir den Verein Green Care Österreich gegründet, um ein Umsetzungskompetenznetzwerk für ganz Österreich aufzubauen. Ich bin sehr froh, dass alle neun Landwirtschaftskammern hier Mitglied geworden sind.

Kürzlich konnten Sie auch drei Kooperationspartner gewinnen. Wie sieht die Zusammenarbeit aus?

FITZTHUM: Wir sind sehr glücklich, drei Partner gefunden zu haben, die uns helfen, die Organisation und Beratungsstruktur hier in Österreich aufzubauen. Das sind die Österreichische Hagelversicherung, die Leipnik-Lundenburger Invest Beteiligungs AG und Kelly‘s, Österreichs größter Snackerzeuger. Diese Unternehmen zeigen damit ihr soziales Engagement in der Landwirtschaft. Alle drei Partner sind durchaus für ihr soziales Engagement bekannt und haben auch in ihrem operativen Geschäft natürlich eine enge Verbindung zur heimischen Landwirtschaft. Diese Partner helfen uns bei der finanziellen Basis und beim Aufbau eines umfangreichen Kompetenznetzwerks.

Sie sind Vereinsobmann von Green Care. Was sind Ihre Ziele?

FITZTHUM: Wir wollen den Fokus auf die Zielgruppen Kinder und Jugendliche, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung legen. Für diese drei Gruppen wollen wir dementsprechende soziale Dienstleistungen auf den Bauernhöfen installieren. Das heißt: geeignete Betriebe, die Kooperationspartner und die Sozialträger dazu zu finden und die Vorhaben dann gemeinsam zu entwickeln. Konkret nehmen wir uns vor, dass wir jährlich zwölf Projekte professionell begleiten wollen und sie dann in die Umsetzung bringen können. Dazu gibt es einen Betriebsentwicklungsplan, der aus fünf Stufen besteht, von der Basisberatung bis hin zu Zertifizierung und Evaluierung und zur Weiterentwicklung. Das wollen wir professionell in den jeweiligen Bundesländern umsetzen.

Wenn ich mich als Betriebsführer für Green Care interessiere – wo fange ich an?

FITZTHUM: Es gibt in jeder Landes-Landwirtschaftskammer einen Green Care-Koordinator. Dieser geht die individuellen Schwerpunkte und Inte- ressenslagen durch und hilft dabei, im jeweiligen Land die Kontakte und das Netzwerk hin zur Landesregierung aufzubauen. Wichtig ist, dass man dieses Netzwerk auch in den Gemeinden aufbaut, mit Bürgermeistern und der Kommune, mit allen Akteuren, die im ländlichen Raum tätig sind.

Was empfehlen Sie einem Betrieb, der sich für Green Care interessiert?

FITZTHUM: Man muss natürlich einen Zugang haben – eine soziale Bereitschaft. Und man muss sich überlegen: Passen meine Ressourcen? Will ich ein zweites Standbein aufbauen? Habe ich die nötige Qualifikation? Was kann ich einbringen? Was kann ich mir aneignen? Wir bieten parallel ein umfangreiches Qualifikationsprogramm über das Landwirtschaftliche Fortbildungsinstitut LFI an, um die Betriebe für die verschiedensten Bereiche fit zu machen und vorzubereiten.

Zusätzliche Wirtschaftsleistung

Dann gehört das Projekt natürlich wirtschaftlich kalkuliert. Denn Green Care bedeutet nicht Sozialromantik, vielmehr muss auch die wirtschaftliche Komponente stimmen. Nur wenn diese stimmt, kann ein Projekt auch nachhaltig und über viele Jahre und Jahrzehnte betrieben werden. Wir wollen, dass zusätzliche Wirtschaftsleistung in der Region entsteht und bäuerliche Betriebe dadurch erhalten bleiben. Jeder einzelne Betrieb, der durch ein zusätzliches Einkommen erhalten bleiben kann – also nicht zusperrt – ist ein Erfolg. So bleibt auch der regionale Wirtschaftskreislauf aufrechterhalten.

Herausforderungen

Bedarf an sozialen Dienstleistungen nimmt zu:
• Die Lebenserwartung steigt. Im Durchschnitt wurden die Menschen 2014 81,1 Jahre alt (1964 lag das Durchschnittsalter bei 69,2 Jahren).
• Stark im Zunehmen sind auch psychische Erkrankungen. Die volkswirtschaftlichen Kosten für psychische Erkrankungen beziffern sich in Österreich mit jährlich 7,16 Mrd. Euro.
• Seit 1995 ist laut einem OECD-Bericht der Anteil an psychischen Erkrankungen als Grund für Erwerbsunfähigkeit von 10 auf 35 % gestiegen.
• Damit steigt auch der Pflegebedarf.

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