Weg mit Bürokratiehürden, „weil es einschränkt“

Entschlossen für die Anliegen der Bauern: So zeigt sich knapp drei Wochen vor der LK-Wahl am 9. März der Spitzenkandidat des Bauernbundes, Präsident Johannes Schmuckenschlager, im Gespräch mit der BauernZeitung.

Johannes Schmuckenschlager über die Kammerkultur: „Wir sprechen alle eine gemeinsame Sprache.“

BauernZeitung: „Kein Weiter wie bisher“ wird derzeit besonders gerne und oft als politische Botschaft formuliert. Wo braucht es in der Agrarpolitik eine dringende Kurskorrektur?
Schmuckenschlager: Man muss immer hinterfragen, was funktioniert und was nicht. Eine klare Korrektur braucht es bei der überbordenden Bürokratie. Wir haben uns als Kammer die Deregulierung und den Bürokratieabbau als einen unserer Arbeitsschwerpunkte gesetzt. Denn viele Vorschriften haben sich derart verschärft, dass sie für unsere bäuerlichen Familienbetriebe kaum mehr zu bewältigen sind. Ein Beispiel ist die Entwaldungsverordnung: Trotz unseres strengen Forstgesetzes müssen wir immer mehr Nachweise erbringen, obwohl wir gesetzeskonform arbeiten. Das schränkt massiv ein. Zum Glück hat das auch der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen erkannt. Gleichzeitig gibt es gut funktionierende Bereiche, die Stabilität bieten, etwa im Sozialbereich oder bei den Ausgleichszahlungen.

Nicht nur Hansen spricht vom Abbau der Bürokratie, die vieles bremst. Was muss jetzt so rasch wie möglich weg?
Ein großes Thema ist das Renaturierungsgesetz. Egal, wie die nächste Regierung aussieht – sie muss sicherstellen, dass die Bäuerinnen und Bauern nicht zusätzlich belastet werden oder gar Eingriffe ins Eigentum erfolgen. Entgegen der Aussagen anderer politischer Gruppierungen lehnen wir Enteignungen strikt ab. Nicht mit uns! Ein weiterer Punkt ist die Einführung der ID Austria Signatur für die digitale Förderplattform der AMA. Als Landwirtschafts- und Bezirksbauernkammern müssen wir die Möglichkeit bekommen, Betriebe, welche die ID Austria nicht verwenden können oder wollen, effizient zu unterstützen. Außerdem brauchen wir eine EU-weit einheitliche Zulassung für Pflanzenschutzmittel ohne zusätzliche nationale Hürden. Das fordern wir als Kammer seit Langem.

Was können Niederösterreichs Bauern dank der Arbeit der Landwirtschaftskammer im Rückblick aus den vergangenen fünf Jahren auf der Haben-Seite verbuchen?
Ein entscheidender Meilenstein war die Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik. Es gibt Punkte, die uns nicht gefallen, aber insgesamt sorgt sie für Sicherheit, auch durch garantierte Ausgleichszahlungen. Weitere Erfolge waren die Anhebung der Pauschalierungsgrenzen sowie die Indexierung der nationalen Maßnahmen und Mittel in der GAP, etwa im ÖPUL-Programm. Zudem konnten wir die “automatisierte“ Einheitswertbewertung 2024 erstmals umsetzen und damit den Einheitswert absichern. Gerade in unsicheren Zeiten war das ein wichtiger Schritt, um politische Diskussionen zu diesem Thema zu vermeiden. Gemeinsam mit dem Land Niederösterreich haben wir das Kompetenzzentrum für Bewässerung ins Leben gerufen, weil die Wasserversorgung für die Zukunft immer wichtiger wird. Ein essenzieller Schritt ist zudem mit der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung gelungen. Diese muss nun auch in der Gastronomie umgesetzt werden. Mit unserer Abteilung für Agrarkommunikation in der Kammer sorgen wir dafür, dass die Landwirtschaft transparent und richtig dargestellt wird, um Missverständnisse über die landwirtschaftliche Produktion zu vermeiden. Auch im Bereich Digitalisierung haben wir stark aufgerüstet, um für kommende Herausforderungen entsprechend fit zu sein.

“Wenn ich als Bauer mehr arbeite, muss ich mir auch mehr leisten können.”

„Leistung fördern, Eigentum schützen, Produktion sichern“, so lauten die Kernbotschaften aus Ihrem Wahlprogramm. Wie kann das gelingen?
Wer mehr arbeitet, muss sich auch mehr leisten können. Mit der Anhebung der Pauschalierungsgrenzen und der Umsätze in der Voll- und Teilpauschalierung haben wir hier einen wichtigen Schritt gemacht. Für Nebenerwerbslandwirte fehlt allerdings noch eine Entlastung. Ein weiterer wichtiger Punkt: „Schutz des Eigentums“ – wir haben uns stets gegen Eigentums- und Vermögenssteuern ausgesprochen, weil sie landwirtschaftliche Betriebe stark belasten würden. Für Bäuerinnen und Bauern ist ihr Grund und Boden ja Betriebsvermögen, das für den Lebensunterhalt notwendig ist.
Auch eine Erbschaftssteuer wäre problematisch, da junge Bäuerinnen und Bauern sich die Hofübernahme dann kaum leisten könnten. Ein wesentlicher Punkt ist die Absicherung der Produktion. Produktion sichern heißt etwa, modernen Pflanzenschutz zu gewährleisten. Weiters brauchen wir immer mehr Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, die nicht nur saisonal tätig sind. Mit der Erhöhung der Kontingente und der Einführung der Stamm-Saisoniers sind wir hier auf einem guten Weg.

Also will man auch die Nebenerwerbsbauern oder kleinere Betriebe mit Zuerwerb nicht vernachlässigen?
Nein, auf keinen Fall. Diese Betriebe stehen oft nicht im Fokus der öffentlichen Diskussion. Doch wir als Kammer unterscheiden nicht zwischen Groß und Klein. Jeder land- und forstwirtschaftliche Betrieb ist ein wesentlicher Bestandteil unserer agrarischen Struktur.

Auf welche Leistungen der Kammer und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Sie besonders stolz?
Auf die Kultur, die bei uns im Haus herrscht und den hohen persönlichen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit den Funktionärinnen und Funktionären – oft weit über die Bürozeiten hinaus. Viele sind in ländlichen Regionen verwurzelt, auf Bauernhöfen aufgewachsen oder selbst Landwirte.
Damit besteht neben dem Angestelltenverhältnis auch eine private Verbindung zur Landwirtschaft. Das sorgt für ein tiefes Verständnis der Branche. Wir sprechen eine gemeinsame Sprache, das ist meines Erachtens wesentlich für unsere Arbeit.

Was dürfen sich die Landwirte konkret von der Bauernbundfraktion im Bauernparlament erwarten?
Eine ehrliche Vertretung, die die Anliegen der Bäuerinnen und Bauern gegenüber anderen Gruppen und Institutionen entsprechend vertritt – ohne fragwürdige politische Agitation. Denn allzu oft zeigt sich: Wo „unabhängig“ draufsteht, ist politische Beliebigkeit nicht weit. Unsere Aufgabe ist es, konkrete und tragfähige Lösungen für die Landwirtschaft zu erarbeiten.

Was zeichnet die 1.550 Kandidatinnen und Kandidaten des Bauernbundes für die LK-Wahl aus?
Wir stellen die stärkste und zugleich jüngste Gruppe – mit einem Altersdurchschnitt von etwa 40 Jahren. Wir setzen auf aktive Bäuerinnen und Bauern von jung bis alt. Und unsere Kandidaten sind Fachexperten. Sie sind Obleute von Verbänden, Top-Züchter sowie Spitzenproduzenten im Acker-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Sie wissen aus eigener Erfahrung, was für die Branche wichtig ist und setzen sich entsprechend für ihre Berufskollegen ein. Deshalb hoffe ich auf ein klares Wahlergebnis am 9. März, um auch in Zukunft in dieser Geschlossenheit arbeiten zu können.

Was zeichnet die Bauernbündler noch aus?
Viele unserer Kandidaten bewirtschaften Leitbetriebe in ihren Bezirken im Haupt- wie im Nebenerwerb. Es sind fachlich versierte und engagierte Bäuerinnen und Bauern, die genau wissen, wovon sie sprechen. Sie denken langfristig, setzen sich für eine ausgewogene Entwicklung der Regionen ein und haben das große Ganze im Blick. Denn es gewinnt kein Bauer, wenn ein anderer Bauer verliert.

Trotzdem ist der politische Gegenwind in den vergangenen Jahren rauer geworden.
Ja, aber ich kenne niemanden, der mit Anti-Programmen in den vergangenen Jahrzehnten für die Landwirtschaft je etwas Vernünftiges zustande gebracht hat. Seit dem Beitritt zur Europäischen Union gab es immer wieder Debatten über eine Anti-EU- oder Anti-Marktwirtschaftshaltung. Das hat uns nicht weitergebracht, abgesehen davon, dass viele Vorschläge gar nicht funktionieren würden. Was uns vorangebracht hat, waren Innovation, Leistungsbereitschaft sowie fundiertes Know-how und ein optimistischer Blick in die Zukunft.

“Niemand hat mit Anti-Programmen für die Landwirtschaft je etwas Vernünftiges zustande gebracht.”

Weshalb braucht es überhaupt eine starke Landwirtschaftskammer?
Weil sie die Bäuerinnen und Bauern auf vielen Ebenen unterstützt: Bildung, Beratung, Förderabwicklung und Interessenvertretung. Und das zuallererst auf Bezirksebene als erster Ansprechpartner vor Ort. Deshalb haben wir in unserer Vollversammlung auch den Erhalt der Bezirksbauernkammern beschlossen. Zudem übernimmt die Kammer zahlreiche Services, von Beratungen zu Hofübergaben über Grundverkehrsfragen bis zum Mehrfachantrag. In der Zentrale in St. Pölten arbeiten Experten für Investitionen, Rechts- und Sozialfragen sowie Gesetzesbegutachtungen. Auch in Konfliktfällen ist eine starke
Kammer hilfreich, da sie gewichtiger auftreten kann als ein einzelner Betrieb. Es ist unsere Aufgabe, zu prüfen, wo es für die Bäuerinnen und Bauern passt und wo nicht.

Die FPÖ ist gegen die Kammermitgliedschaft und kritisiert wiederholt auch die Finanzierung der Landwirtschaftskammer aus den Länderbudgets. Wäre das im Sinne der Bauern?
Sicher nicht. Und es zeigt, dass der FPÖ nur alle fünf Jahre zur Kammerwahl auffällt, dass es Bauern gibt. Es gibt keine Pflichtmitgliedschaft, sondern eine Kammerzugehörigkeit. Diese betrifft nicht nur Bauern, sondern alle Grundbesitzer, die eine Kammerumlage auf Basis der Grundsteuer leisten. Die Landwirtschaftskammer Niederösterreich übernimmt viele Aufgaben, die laut Landesgesetz das Land Niederösterreich übernehmen müsste, wenn es die Kammer nicht gäbe. Ich halte es aber für wesentlich besser, wenn diese Aufgaben in der Kammer bleiben, wo wir als Bauern bestimmen können – etwa bei der Saatgutanerkennung, den Tierzuchtangelegenheiten oder anderen hoheitlichen Bereichen. Ich halte das derzeitige System, wo wir mitreden können, für sehr ausgewogen.

Zur Person

Johannes Schmuckenschlager (46) ist seit 2008 Abgeordneter zum Nationalrat, seit 2018 ist er Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich.

- Bildquellen -

  • Interview: Christina Spangl
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AUTORJohannes Stift
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