Zur Erinnerung: Anfang Jänner hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) auf Antrag der Burgenländischen Landesregierung die seit 2022 im Tierschutzgesetz verankerte Übergangsfrist für bestehende Stallungen mit unstrukturierten Vollspaltenbuchten als sachlich nicht gerechtfertigt aufgehoben. Für einen Großteil der 18.000 Schweinebauern im Land brachte dies mit einem Schlag große Unsicherheit, denn mit 1. Juni 2025 läuft die entsprechende Bestimmung aus.
Seither wurde unter den Koalitionspartnern ÖVP und Grüne über eine praxistaugliche Übergangsfrist für ein Verbot unstrukturierter Vollspaltenbuchten in der Schweinehaltung verhandelt. Ende Jänner ließ der für Tierschutz zuständige Sozialminister Johannes Rauch (Die Grünen) über die Medien seine Vorstellungen von der Neuregelung durchklingen. Er forderte ein vollständiges Auslaufen der bestehenden unstrukturierten Vollspaltenbuchten schon mit 2030. Als „schlicht nicht umsetzbar“ titulierte das der Obmann der Schweinehaltung Österreich, Franz Rauscher.
Strasser: „Damit ist niemandem geholfen: Keinem Bauern, keinem Konsumenten und erst recht keinem Schwein.“
Vor gut drei Wochen habe der Junior-Koalitionspartner die Gespräche zur Zukunft der Schweinehaltung gänzlich „auf Eis gelegt“, heißt es vom Bauernbund. Dessen Präsident und ÖVP-Chefverhandler in der Causa, Georg Strasser, sieht in der Blockadehaltung vor allem „Wahlkampftaktik“, wie er am Mittwoch vor Journalisten erklärte. „Es braucht Übergangsfristen mit denen man auch planen kann“, so Strasser und ergänzt „solche wurden von uns bereits vorgelegt, bislang aber ignoriert“. Für den Bauernbündler ist klar: „Damit ist niemandem geholfen: Keinem Bauern, keinem Konsumenten und erst recht keinem Schwein.“
Auslaufen auf Raten ab 2036
Mit einem neuen Vorschlag will der Bauernbund den Kritikpunkten des VfGH und den berechtigten Wünschen der Bauernschaft nach Planungssicherheit gleichermaßen nachkommen. Die Verfassungsrichter störten sich im Jänner nämlich vorwiegend daran, dass die Übergangsfrist bis zum Jahr 2040 „pauschal gilt, egal wann zuletzt auf den Betrieben investiert worden ist“. Geht es nach dem Bauernbund, soll das nun mit einem Stufenmodell geändert werden. Jene Ställe, die vor 2013 errichtet worden sind, soll Ende 2036 die Übergangsfrist auslaufen. Für alle danach errichteten Stallungen soll unter Einhaltung des 23-jährigen Investitionsschutzes die Frist abgestuft bis 2040 enden. Laut Angaben der Bauernvertreter habe der Gutteil der Betriebe, nämliche etwa 70 Prozent, vor 2013 zuletzt um- oder neugebaut und würde daher in die erste Kategorie fallen. Auch die Betriebswirte seien sich einig, dass es den Investitionsschutz brauche. „Jedes frühere Umstellungsjahr würde die betroffenen Bauern sonst 4.500 Euro ihres jährlichen Einkommens kosten“, stellt Strasser unter Berufung auf Brancheninsider klar.
Außerdem wäre eine raschere Umstellung der de facto ganzen österreichischen Schweinebranche rein technisch gar nicht schneller möglich. Dem Bauernbundpräsidenten zufolge sind („wegen der großen Verunsicherung“) derzeit lediglich 50 Ställe in ganz Österreich im Bau. Bei einer zu kurzen Übergangsfrist müssten allerdings binnen weniger Monate tausende Betriebe umbauen. So viele Stallbaufirmen um das zu stemmen, gäbe es hierzulande gar nicht, weiß Strasser.
Inlandsproduktion gefährdet
Letztendlich würde das für die inländische Schweineproduktion wohl dasselbe Schicksal bedeuten, wie es vor Jahren schon die Pute erfuhr, mahnt der Bauernvertreter: „Noch können wir preiswerteres, konventionell hergestelltes Schweinefleisch ebenso anbieten wie Premium- und Bioschweinefleisch.“ Ohne Planungs- und Investitionssicherheit sei damit aber bald Schluss. „Dann wird es auch kein leistbares Schnitzel aus Österreich mehr geben, dafür aber Produkte aus aller Welt, zu weitaus geringeren Standards hergestellt.“ An dem – bereits gültigen – Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten in neu errichteten Stallungen würde all dies nichts ändern, gibt man den Medienvertretern außerdem noch mit. Auch die seither nach den neuen Standards errichteten Stallungen genießen einen 23-jährigen Investitionsschutz.
Zu kurze Frist „möglicherweise verfassungswidrig“
Sozialminister Rauch ließ indes wenig später über die APA ausrichten:“ Die vom Bauernbund vorgeschlagene Übergangsfrist greift zu kurz.“. Man wolle „eine Haltungsform schaffen, die den Schweinen ein möglichst gutes Leben und den Bauern eine langfristige Perspektive ermöglicht“. VP-Agrarsprecher Strasser hält dagegen, laufenden Projekten nicht vorzugreifen: „Schnellschüsse sind schädlich und verunsichern die Bäuerinnen und Bauern.“ Im 2022 beschlossenen Tierwohl-Paket sei schließlich auch das bis 2027 laufende IBeSt-Forschungsprojekt enthalten, welches unter wissenschaftlicher Begleitung Vorschläge für die Schweinehaltung der Zukunft definieren soll. „Jetzt lautstark einen neuen Haltungsstandard zu fordern, ohne die Ergebnisse dieses Projektes abzuwarten, ist unüberlegt“, so Strasser und erneuert zugleich seinen Appell an den Koalitionspartner: „Es braucht eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.“
Auch LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger übt harsche Kritik am Tierschutzminister: „Was Rauch vorschlägt, mag zwar im ersten Moment nett und publikumstauglich klingen, ist aber in Wahrheit kurzsichtig und gefährlich.“ Bei einer solchen Lösung würde nicht nur der Selbstversorgungsgrad einbrechen, „viele Bauernfamilien würden so auch in Existenznot geraten“, so der LK-Chef. Moosbrugger fordert „ein Umdenken am gesamten Markt“, wenn man den Weg zu mehr Tierwohl beschreiten wolle.
Sollte es in der laufenden Legislaturperiode zu keiner Einigung mehr kommen, behält sich der Bauernbund rechtliche Schritte vor. „Denn auch zu kurze Übergangsfristen können laut Experten verfassungswidrig sein“, stellt der Bauernbundpräsident dem Sozialminister die Rute ins Fenster.
(Aktualisierte Fassung, 31. Mai, 13:30 Uhr)
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- Georg Strasser: Bauernbund
- Strukturierte Bucht: agrarfoto.com