Mit den Stimmen von ÖVP und den Grünen wurde im Gesundheitsausschuss des Nationalrates die Behandlung der Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens auf Herbst verschoben. Davor hatten sich die Abgeordneten mit Experten ausgetauscht.
Bei dem Hearing wurden die unterschiedlichsten Sichtweisen rund um das Thema Tierwohl in der Landwirtschaft aufs Tapet gebracht. Der Tierschutz-Extremist Martin Balluch etwa erklärte, dass Menschen, die Strohhaltung nicht für notwendig erachten, keine Schweine halten sollten. Auch Vollspaltenböden in Ställen sind ihm ein Dorn im Auge, generell sollten den Nutztieren mehr Fläche zur Verfügung stehen; es brauche daher gesetzliche Änderungen, um Veränderungen in der Landwirtschaft anzuschieben. Agrarförderungen gehören laut Balluch mit Tierwohlauflagen verknüpft, Tierschutzorganisationen sollen weiterhin Missstände aufzeigen und einmahnen können.
Experten lehnen Vollspaltenböden ab
Für Leopold Kirner, Professor an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, hat Tierwohl nicht nur einen gesetzlichen Aspekt, sondern auch viel mit Bildung und Information zu tun. Gerade junge Hofübernehmer und Betriebsführer seinen aufgeschlossen dafür. Bei Stallneubauten gebe es bereits konkurrenzfähige Alternativen zu Vollspaltenböden, weshalb letztere keine Berechtigung mehr hätten. Für Werner Zollitsch, Professor an der Boku Wien, sind strukturierte Haltungssysteme auf Teilspaltenböden, die mehr Platz bieten, eine gute Alternative im Sinne des Tierwohls. Eine große Herausforderung seien auch das Stallklima etwa wegen der steigenden Temperaturen, was in geschlossenen Schweine und Geflügelställen technisch aufwendig gelöst werden könne, bei Rindern auch durch vermehrte Weidehaltung.
Ebermast ist eine Alternative
Auch die Tierärztin Birgit Kopschar sieht bei Vollspaltenhaltung von Schweinen großen Handlungsbedarf. Ihr Vorschlage: ein Verbot von Vollspalten und eine schrittweise Umrüstung auf Teilspalten vor. Dazu seien aber finanzielle Anreize für die Bauern notwendig. Bezüglich der umstrittenen Kastration männlicher Schweine sei die Ebermast eine Alternative. Diese werde in anderen Ländern erfolgreich praktiziert. Auch die Überzüchtung von Hunden war ein Thema im Hearing.
Sechs Anträge der Opposition
Diie Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos stellten ingesamt sechs Anträge für ein Verbot des betäubungslosen Kastrierens männlicher Schweine, für eine Kastrationspflicht von freilaufenden Katzen, ein Verbot von Vollspaltenböden für bestehende Stallungen ab 2025 (und für Um- und Neubauten unverzüglich) sowie dem Töten männlicher Küken (zudem ein Verbot der Qualzucht sowie einen verpflichtenden Tollwut-Impfschutz beim Import von Hunde- und Katzenwelpen zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Tierhandels). Aufgrund der Vertagung der Behandlung des Volksbegehrens mit gut 416.000 Unterschriften „für einen verbindlichen Umbau zu echter Tierwohl-Landwirtschaft“ wurde auch die Behandlung der Anträge vertagt.
Der Tierschutzsprecher der ÖVP, Bauernbund-Abgeordneter Franz Eßl betonte, dass Tierwohl den Landwirten ein wichtiges Anliegen sei. Einige Forderungen des Volksbegehrens seien bereits im türkis-grünen Regierungsprogramm verankert und würden teilweise bereits umgesetzt. Aus Sicht der Bäuerinnen und Bauern bedürfe es aber „praktikabler Lösungen“. ÖVP-Agrarsprecher und Bauernbundpräsident Georg Strasser betonte, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen sei, das Lebensmittelsystem substantiell weiter zu entwickeln. Die Landwirtschaft sei jedenfalls bereit zur Veränderung und würde bereits investieren. In welche Richtung es gehen soll, würden aber die Konsumenten täglich beim Einkauf entscheiden. Daher sei es wichtig „ sichtbar zu machen, wo unsere Lebensmittel herkommen und auch die Lebensmittelimporte zu thematisieren“, so Bauernbund-Mandatar Josef Hechenberger.
Breite Bandbreite an Argumenten
Laut der Agrarsprecherin der Grünen, Olga Voglauer, bedürfe eines Systemwechsels der Landwirtschaft. Dabei sei es entscheidend, die Landwirte “mitzunehmen”. Dies unterstützte auch im Fraktionskollege Clemens Stammler. Für Fiona Fiedler von den Grüne sei die Herkunft von Fleisch allein kein Qualitätsmerkmal. Entscheidend sei die Haltungskennzeichnung.
Ins selbe Horn stieß Gerald Loacker von den Neos und kritisierte in diesem Zusammenhang das AMA-Gütesiegel. Dieses würde „jeder Betrieb“ erhalten und würde genauso Vollspaltenhaltung und die Verfütterung von klimaschädlichem Soja von gerodeten Regenwaldflächen ermöglichen. Philip Kucher von der SPÖ verwies auf die Rolle von Tierärzten bei Kontrollen und forderte, es sicherzustellen, dass diese frei von Interventionen im Sinne des Tierwohls handeln können. Für die Freiheitlichen sind alle Punkte des Volksbegehrens umsetzbar: durch Umschichtung der Agrarfördermittel für Landwirtschaft, eine Veränderung der Lebensmittelbeschaffung der öffentlichen Hand sowie durch mehr Transparenz.
Minister will rasch Lösungen finden
Für Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hat die Diskussion über das Volksbegehren bereits wichtige Erkenntnisse gebracht. Für ihn habe sich die Wichtigkeit der Erweiterung der Herkunftsbezeichnung von tierischen Lebensmitteln um die Haltungsbedingungen bestätigt. Auch beim Bioanteil von Schweinefleisch von derzeit nur bei 2 Prozent sei „eindeutig noch Luft nach oben“. Auch in der Frage der Vollspaltböden rasch Lösungen finden.
Der Initiator des Tierschutzvolksbegehrens, Sebastian Bohrn Mena zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit der Debatte, welche das Volksbegehren angestoßen habe. Am „Totalumbau der Landwirtschaft“ führe „kein Weg vorbei“, dabei gehe es auch um die Absicherung einer kleinstrukturierten Landwirtschaft in Österreich, die Kosten dafür seien laut Bohrn Mena „überschaubar“.
Nach dem Ende des Hearings wurde die Behandlung des Volksbegehrens vertagt. Erst im Herbst will man weiter debattieren.