In Ostösterreich wird die Sommergerste zu einem erheblichen Prozentsatz im Mulchsaatverfahren angebaut. Ist die Gründecke vollständig abgefroren und wenig verunkrautet, erfolgen Bodenvorbereitung und Saat in der Regel kombiniert. Anderenfalls werden die Pflanzenreste in einer ersten Überfahrt mittels Grubber, Scheibenegge usw. in den oberen zehn Zentimetern eingemulcht. Die im Vergleich zu im Herbst gepflügten Feldern etwas langsamere Bodenerwärmung wirkt sich nur selten negativ aus.
Frühe Saat ist zu empfehlen
Obwohl die Sommergerste auf eine Saatzeitverspätung elastischer reagiert als Sommerweizen, Sommertriticale oder Hafer, empfiehlt sich dennoch ein früher Anbau. In Gunstlagen ist in manchen Jahren eine Saat ab der letzten Februardekade möglich. Entscheidend ist ein genügend abgetrockneter und tragfähiger Boden. Eine zeitige Saat bedeutet ein zusätzliches Wachstum im Kurztag. Das wirkt günstig auf die Bestockung, das Tiefenwachstum der Wurzeln, die Ausdifferenzierung der Blütenanlagen und die Ertragsbildung. Weiters werden derartige Bestände niederschlagsarme Perioden besser bewältigen. Solange die Keimscheide die Bodenoberfläche nicht durchstößt, sind die Pflanzen vor dem Frost weitgehend geschützt. Auch nach dem Auflaufen übersteht die Sommergerste Temperaturen bis -5 °C meistens schadlos. In höheren Lagen des Mühl- und Waldviertels gelten Drilltermine Ende März oder Anfang April als früh bis mittel.
Saatstärke und Ertragsaufbau
Die Saatstärke ist so zu bemessen, dass mit der erreichten Bestandsdichte das örtliche Ertragspotenzial auszuschöpfen ist. Wird die Sommergerste zeitig und bei günstigen Keimbedingungen gesät, genügen zumeist 280 bis 330 keimfähige Körner/m2. Je nach Tausendkorngewicht entspricht dies einer Saatmenge von 120 bis 160 kg/ha. Auf mittleren und besseren Böden und bei stressarmer Witterung sollten daraus Bestände mit 650 bis 850 Ähren/m2 und 17 bis 24 Körnern pro Ähre entstehen. Bei einem Anbau im April oder voraussichtlich reduziertem Feldaufgang ist eine Erhöhung auf 350 bis 420 Körner/m2 oder 160 bis 220 kg/ha ratsam.
Vertragsproduktion von Braugerste
Nachdem in mehreren Ländern Europas 2016 neuerlich eine mengenmäßig und qualitativ gute Braugerstenernte eingebracht wurde, bietet sich den Verarbeitern eine komfortable Versorgungslage. Am freien Markt hat dies die Erzeugerpreise nach unten gedrückt. Vertraglich abgesicherte Braugerste konnte sich behaupten und markant vom Preisniveau der Futtergerste abheben. Seitens des Agrarhandels gibt es Bemühungen, für die Sommerbraugerste 2017 wiederum Verträge anzubieten. Die Verhandlungen mit der Malz- und Brauwirtschaft stehen aber noch am Anfang.
Qualitätsanforderungen
Damit Braugerste ohne finanzielle Einbußen vermarktbar ist, bedarf es einer entsprechenden Kornqualität. Ein schonender Drusch erhält die Keimenergie. Der Vollkornanteil (Sortierfraktion über 2,5 mm) soll mindestens 90 %, der Ausputzanteil (Sortierfraktion unter 2,2 mm) maximal 2 % ausmachen. Die Mehrzahl der Aufkäufer verlangt eine Gerste mit 9,5 bis 11,0 % Protein. Zwischen 11,1 und 12,0 % Protein werden Abzüge verrechnet, ab 12,1 % wird – ausgenommen in Jahren mit insgesamt geringem Braugerstenaufkommen – nur mehr der Futtergerstenpreis erlöst. Ist die Gerste sehr eiweißarm, leiden das Hefewachstum, die Schaumstabilität und der Geschmack des Bieres. Ein Proteingehalt unter 9,5 % bedeutet deshalb oft die Deklassierung zu Futterware.
Etablierte Braugersten
Braugerste wird großteils im Nordöstlichen Flach- und Hügelland sowie im Waldviertel kultiviert. Da im Einzugsbereich einer Erfassungsstelle kaum mehr als zwei bis drei Sorten angeboten werden, ist die Wahlmöglichkeit für den Landwirt begrenzt.Die kurzhalmige Rusalka (Lagerung 5) brachte ihre besten Leistungen im pannonischen Gebiet. Wie alle hierzulande relevanten Sommerbraugersten verfügt sie über ein gegen Mehltau effektiv wirksames Resistenzgen. Aufgrund der Neigung zum Ährenknicken sollte sie in der Totreife nicht lange am Feld verbleiben. Die standfeste (Note 3) und blattgesunde Salome empfiehlt sich für mittlere und bessere Böden im Pannonikum und Kärnten. Auf solchen Standorten wird auch die nötige Kornsortierung zumeist erreicht. Cerbinetta vereint eine mittelgute Standfestigkeit (Note 4) mit Ertragstreue und entsprechender Kornqualität und dominiert seit 2014 den Anbau in Ostösterreich. An die sauren und sandigen Braunerden des Mühl- und Waldviertels ist sie weniger adaptiert. Von KWS Amadora (Lagerung 4) gibt es geringfügig Saatgut, auf die Empfindlichkeit für Zwergrost (Note 8) ist zu achten. Solist (Lagerung 5) wird von ausgewählten Raiffeisen-Lagerhäusern im Weinviertel angeboten. Solist, Rusalka, Salome und Cerbinetta sind Bestandesdichtetypen, auf besseren Böden sollten 700 bis 850 Ähren/m2 erreicht werden. Zarasa (Lagerung 4) liefert auch bei ungünstigeren Verhältnissen meist noch vollbauchige Körner, tendiert aber zu leicht höheren Proteinwerten. Ihre Schwerpunkte liegen im Waldviertel und in Teilen des Weinviertels.
Sorten in Großmälzungen
Zeigen neue Braugersten in der dreijährigen amtlichen Prüfung ein positives Gesamtergebnis, werden sie vom Bundesamt für Ernährungssicherheit registriert. Da die Kleinmälzung im Labor nicht sämtliche Verarbeitungsschritte in praxiskonformer Weise abbildet, werden aussichtsreiche Kandidaten mit mehreren Hundert Tonnen Gerste auch großtechnisch erprobt. Von der Ernte 2016 wurden derartige Versuche bei RGT Planet, Laureate und Regency angestellt.RGT Planet zeigt bei frühem Ährenschieben eine mittelspäte Reife, ist mittelgut standfest (Note 4), hat befriedigende Toleranzen gegen Blattkrankheiten und ist die aktuell ertragreichste Sommergerste. Sofern RGT Planet die Zustimmung der Mälzer und Brauer erhält, dürfte sie in den nächsten Jahren den Markt wesentlich prägen. Die in Österreich noch nicht registrierten Sorten Laureate und Regency sind standfest und reifen etwas später. Die bisherigen Versuche belegen ein überdurchschnittliches Ertragspotenzial, eine gute Kornsortierung und einen niedrigen Proteingehalt. Die mittelfrühe und standfeste (Note 3) Elektra wurde im vergangenen Dezember zugelassen und passt für alle Anbaugebiete. Die Saatgutfirmen beabsichtigen, Elektra und die zweijährig getestete Esma für Großmälzungen der Ernte 2017 vorzuschlagen.Die zum Anbau kommenden Hauptsorten bestimmt das Braugerstenkomitee, in dem Mälzereien und Brauwirtschaft, Agrarhandel, Züchter und Saatgutfirmen, die Ages und die LK Niederösterreich vertreten sind. Die nächste Entscheidungssitzung ist für den 17. Jänner angesetzt.
N-Düngung überdenken
Eine Braugerste mit 55 dt/ha Ertrag und 10,5 % Protein hat über das Korn und Stroh etwa 100 kg N/ha aufgenommen. Bei der Versorgung mit Stickstoff sind die Bodenbonität, das erwartete Ertragsniveau, die Vorfrucht, ein eventueller N-Eintrag in tiefere Bodenhorizonte infolge von Winterniederschlägen, die geschätzte N-Nachlieferung aus der organischen Substanz des Bodens und der sortentypische Proteingehalt zu bedenken. In der Praxis erhält die Sommerbraugerste vor bis kurz nach der Saat meist 40 bis 70 kg N/ha. Da manche Neuzüchtungen sehr eiweißarm sind, und Lieferungen mit niedrigen Werten auch zu Futtergerste abstuft werden, ist die Frage der richtigen Braugerstendüngung wieder aktuell. Beim Anbau proteinarmer Gerstensorten wie KWS Amadora, Rusalka, RGT Planet, Laureate oder Regency wird eine Strategie mit zwei N-Gaben und insgesamt etwa 70 bis 85 kg N/ha öfter richtig sein als in der Vergangenheit. Eine generelle Empfehlung zur erhöhten N-Düngung von Braugerste lässt sich aus den Ergebnissen der Ages allerdings nicht ableiten
Futtergerste
Neben den eigentlichen Futtergersten werden manche als Braugerste eingestufte Sorten teilweise oder gänzlich für Futterzwecke genutzt. Soll auch das Stroh geerntet werden, sind etwas längerhalmige Sorten gefragt, von denen gibt es nur wenige.Die mittel standfeste (Note 5) Eifel ist sowohl im Pannonikum als auch in Feuchtlagen zuverlässig und ertragsstark. Die kurzwüchsige Fabiola (Lagerung 4) wurde im Vorjahr noch als Braugerste vermarktet. Calcule (Lagerung 4) reift später, kann Zwergrost und Netzflecken erfolgreich abwehren und passt für alle Gebiete. Der bei Calcule gelegentlich auftretende Mehltau ist in der Regel harmlos. Felicitas (Lagerung 4) war in den Feucht- und Übergangslagen auf Böden guter Bonität weit verbreitet und wird nun von neueren Gersten abgelöst. Bei Bedingungen mit höherem N-Angebot und Lagergefahr bietet sich Agrippina (Lagerung 2) an. Die mittel standfesten (Note 5) Sorten Wilma und Vienna verhalten sich gegenüber der in Feuchtlagen schädigenden Sprenkelkrankheit (Ramularia) etwas robuster. Auf Bioflächen profitiert die wüchsige Evelina (Lagerung 6) von ihrer besseren Fähigkeit zur Unterdrückung von Samenunkräutern. Evelina, Vienna und Wilma sind ährenbetont und schöpfen ihr Ertragspotenzial oft bereits mit 580 bis 700 Ähren/m2 aus. Auf Betrieben mit Einstreubedarf ist weiters Eunova (Lagerung 6) im Gebrauch. Eunova, Evelina, Wilma und Vienna haben die ursprüngliche Widerstandskraft gegen Mehltau (Noten 7 und 8) eingebüßt. Bei frühzeitigem Infektionsdruck soll die Krankheit mit einem Spezialfungizid (z. B. Vegas) oder einem preisgünstigen Azol (z. B. Gladio, Pronto Plus) in reduzierter Aufwandmenge gestoppt werden.
Biosaatgut
Vorbehaltlich der Laboranerkennung wird Biosaatgut von folgenden Sommergerstensorten angeboten: Cerbinetta, Evelina, RGT Planet, Salome, Wilma. Die Verfügbarkeit ist bei der Biosaatgut-Datenbank der Ages unter
www.ages.at/service/service-landwirtschaft/agrar-online-tools/bio-saatgutdatenbank/ abzufragen.