„Selbstversorgung als Staatsziel verankern“

„Es waren unsere bäuerlichen Familienbetriebe, die auch in Krisenzeiten dafür sorgten, dass der Tisch für alle gedeckt war und nicht die Thönnies dieser Welt“, ist Bauernbunddirektor Paul Nemecek überzeugt und fordert die Verankerung der Selbstversorgung mit Lebensmitteln in der Verfassung.

Für Bauernbunddirektor Paul Nemecek hat die Corona-Krise klar gezeigt: „Die Handelsriesen stellen die Regale auf. Es sind aber die Bäuerinnen und Bauern, die sie befüllen.“

Im Gespräch mit der BauernZeitung NÖ erläutert Direktor Paul Nemecek die Intention zur aktuellen Bauernbundkampagne und warum die Selbstversorgung mit Lebensmitteln für ihn das Thema der Zukunft sein wird.

BauernZeitung: Sie haben Ihr Amt zu Jahresbeginn angetreten. Wenn Sie zurückblicken, wie haben Sie diese Zeit erlebt?

NEMECEK: Auch wenn ich nach sieben Jahren im NÖ Bauernbund recht gut gewusst habe, worauf ich mich einlasse, macht es einen Unterschied wenn man in die erste Reihe tritt. Und die erste Bewährungsprobe waren gleich die Landwirtschaftskammerwahlen am 1. März. Exakt 85 Prozent der Bäuerinnen und Bauern haben hier mit ihrer Stimme gezeigt, dass sie sowohl die Kontinuität im NÖ Bauernbund selbst als auch unsere konsequente Arbeit in der Landwirtschaftskammer schätzen. Das ist die Basis für eine starke Vertretung für die Zukunft und ein klarer Auftrag, weiterhin das Beste für unsere Land- und Forstwirtschaft zu geben. Ein Auftrag, den wir gerne annehmen.

 

Zum Feiern ist allerdings keine Zeit geblieben. Nur wenig Tage danach hat uns die Corona-Pandemie praktisch überrollt und unser Leben nachhaltig verändert. Wie haben Sie die Zeit des Lockdowns erlebt?

Für mich war vor allem große Unsicherheit in der Bevölkerung zu spüren. Hätte sich noch wenige Tage vorher jemand leere Supermarktregale vorstellen können? Aber genau das ist zu Beginn der Corona-Krise passiert. Hamsterkäufe und völlig überforderte Handelsriesen waren die Folge. Sogar das Bundesheer hat eingreifen müssen, um den Nachschub in die Geschäfte zu bringen. Und wären da nicht unsere Bäuerinnen und Bauern gewesen, die auch in der Krise kontinuierlich produziert haben, wären die Regale tagelang, wenn nicht wochenlang leer geblieben. Ganz Europa wurde ja von einem Tag auf den anderen zugesperrt. Als die Grenzen dicht waren, war Österreich ganz auf sich alleine gestellt. Das hat eines klar gezeigt: Die Handelsriesen stellen zwar die Regale auf, aber unsere Bäuerinnen und Bauern befüllen sie.

 

In den Wochen der Krise wurden die Bäuerinnen und Bauern noch als Helden gefeiert. Doch mit zunehmender „Normalität“ im Alltag wird der Wind für die Land- und Forstwirtschaft wieder rauer, wie beispielsweise Wirkstoffverbote im Pflanzenschutz oder Forderungen nach noch mehr Auflagen in der Tierhaltung beweisen. Wie wollen Sie darauf reagieren?

Unsere Land- und Forstwirtschaft ist systemrelevant. Es sind unsere Bäuerinnen und Bauern, die uns unabhängig vom Weltmarkt mit Nahrung versorgen und schon heute an der Versorgung für morgen arbeiten. Mit unserer Großflächen-Kampagne unter dem Motto „Für Dich, für Alle, für Österreich!“ ziehen wir die Lehren aus der Corona-Krise und thematisieren diese öffentlich. Die Kampagne soll dazu dienen, die Leistungen der Land- und Forstwirtschaft aufzuzeigen, allen Bäuerinnen und Bauern Danke zu sagen, dass sie uns gut durch die Krise gebracht haben und auch, um den Forderungen des NÖ Bauernbunds Nachdruck verleihen.

 

Welche konkrete Forderungen sind das?

Die zentrale Grundaufgabe des Staates ist die Versorgung seiner Bürgerinnen und Bürger. Wir fordern daher, dass die Versorgungssicherheit mit hochqualitativen, heimischen Lebensmitteln zum Staatsziel im Verfassungsrang erhoben wird. Konsumentinnen und Konsumenten schätzen die harte Arbeit, die von unseren Bäuerinnen und Bauern geleistet wird. Wir können hier keine Kompromisse eingehen.

Darüber hinaus brauchen wir einen Österreich-Bonus für heimische Lebensmittel ebenso wie eine lückenlose Herkunftskennzeichnung.  Ich bin mir sicher, dass unsere Landsleute ihr Rindfleisch lieber vom heimischen Bauernhof beziehen, als von brandgerodeten Regenwaldflächen aus Übersee. Oder dass unsere Erdäpfel besser aus der Weinviertler Erde kommen sollten, statt aus ägyptischem Sand.

 

Wie ist die Kampagne aufgebaut und wo wird sie sichtbar?

Die Sujets laufen alle unter dem Titel „Für Dich, für Alle, für Österreich!“ sowohl klassisch in Printmedien und auf Plakaten als auch Online. In den neuen Medien wird die Kampagne vor allem über die Facebook-Initiative „Niederösterreichs Bauern“ verbreitet.

 Seit Juni ist die Kampagne in ganz Niederösterreich und Wien zu sehen und wird jetzt im Herbst fortgesetzt. Dabei stellen wir den Anspruch, den bäuerlichen Alltag so authentisch wie möglich darzustellen und ein echtes Bild der Leistungen unserer Landwirtschaft zu zeigen. Das bedeutet, die Fotos für die Sujets sind auf bäuerlichen Betrieben entstanden, die Models sind echte Bäuerinnen und Bauern.

 

Thematisch orientiert sich die Kampagne am bäuerlichen Arbeitsjahr?

So ist es. Wir haben begonnen mit einem Sujet, wie der Acker bestellt wird. Im weiteren Verlauf wurde das Wachsen des Getreides dargestellt und nun werden wir mit den Themen „Ernte“ und „Erntedank“ fortsetzen. Egal ob Heu für die Tiere, Erdäpfel oder das Getreide für unser tägliches Brot: unsere 38.000 bäuerlichen Betriebe in Niederösterreich garantieren unsere Versorgung und unsere Sicherheit.

Im Herbst wird wieder im ganzen Land das Erntedankfest gefeiert, um Gott für ein fruchtbares Jahr und die eingebrachte Ernte zu danken. Es braucht dazu aber auch das Danke an unsere Bäuerinnen und Bauern, die ihre Leistungen an 365 Tagen im Jahr erbringen. Wie es in einem unserer Sujets heißt, sich sprichwörtlich – „mit sauberer Arbeit die Hände dreckig machen“. Durch die vielen Erntedankfeste sind die Konsumenten für die bäuerliche Arbeit sensibilisiert. Hier müssen wir verstärkt eine „Visitenkarte“ unserer Leistungen abgeben.  

 

Selbstversorgung ist für Sie damit das wichtigste Thema der Zukunft?

Auf alle Fälle: Um die Selbstversorgung sicherzustellen, müssen wir schauen, dass sowohl junge Betriebsnachfolger als auch aktive Bäuerinnen und Bauern eine Perspektive haben. Sie brauchen ein ehrliches Einkommen. Daher ist es wichtig, dass wir hinsichtlich der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik und deren Finanzierung vollste Rückendeckung unseres Bundeskanzlers, Sebastian Kurz, genießen. Damit unsere Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft weiter hochqualitative Lebensmittel erzeugen können, brauchen sie aber auch wirksame Werkzeuge – beispielsweise beim Pflanzenschutz. Hier schließt sich wieder der Kreis zur Selbstversorgung, die das oberste Ziel in unserem Land sein muss.

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