Bauern in ganz Europa geraten durch die Übermacht von Handelskonzernen zunehmend unter Druck. Mit ihrer Kritik an deren „erpresserischen Praktiken“ hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger die prekären Zustände angesprochen. Ab 2022 soll dem auch hierzulande per Gesetz ein Riegel vorgeschoben werden.

Basis für das neue Gesetz ist eine EU-Richtlinie “gegen unfaire Geschäftspraktiken entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette” (EU 2019/633), mittlerweile gemeinhin bekannt als UTP-Richtlinie.

Was verbessert sich dadurch konkret für die Bauern?

1. Per Gesetz verboten

Die Definitionen der UTP-Richtlinie werden nun in nationales Recht umgesetzt: Folgende unfaire Geschäftspraktiken fallen darunter, die auch exekutiert werden können:
+ Zahlungsverzug an den Lieferanten über 30 Tage bei verderblichen Lebensmitteln oder über 60 Tage bei anderen Lebensmitteln;
+ Kurzfristige Stornierung von Bestellungen verderblicher Lebensmittel;
+ Einseitige Änderung der Lieferbedingungen hinsichtlich Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preise (auch hinsichtlich Erbringung von Dienstleistungen);
+ Verlangen von Zahlungen vom Lieferanten, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf der Lebensmittel des Lieferanten stehen oder Abschläge für Qualitätsminderung oder den Verlust, die nicht durch Fahrlässigkeit oder Verschulden des Lieferanten verursacht werden.
+ Verweigerung einen schriftlichen Vertrag zu schließen, wenn dies gewünscht ist;
+ Rechtswidriger Erwerb oder Nutzung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten;
+ Androhung oder Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen gegen den Lieferanten, wenn dieser sein Recht durchsetzen möchte;
+ Verlangen einer Entschädigung für die Kosten von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dem Verkauf der Erzeugnisse des Lieferanten.

Wenn nicht explizit anders vereinbart, gelten auch diese Praktiken als unlauter:

+ Der Käufer schickt nicht verkaufte Lebensmittel an den Lieferanten zurück, ohne dafür zu bezahlen.
+ Vom Lieferanten wird eine Zahlung dafür verlangt, dass seine Erzeugnisse gelistet und generell zum Verkauf angeboten werden.
+ Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser die Kosten für Aktionen und Preisnachlässe trägt oder dass dieser für die Werbungmaßnahmen wie Flugblätter oder Anzeigen des Käufers zahlt.
+ Eine Kostenbeteiligung vom Lieferanten, dass dieser für die Vermarktung durch den Käufer zahlt.
+ Der Käufer verlangt vom Lieferanten eine Zahlung für das Verkaufspersonal oder für die Einrichtung der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden.

2. Eigene Ombudsstelle

Zusätzlich wird im Landwirtschaftsministerium eine Ombudsstelle für Landwirte eingerichtet: Betroffene Bauern oder Lieferanten können sich (auch anonym) an diese wenden. Damit soll es den kleineren Akteuren einfacher möglich sein, Beschwerde einzureichen, ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen haben zu müssen – etwa durch Auslistungen der Produkte im Handel. Diese Erstanlaufstelle wird unabhängig und weisungsfrei sein. 2022 soll sie ihre Arbeit aufnehmen. In jährlichen Berichten wird diese über die Anzahl und Arten von unlauteren Praktiken berichten und so zu mehr Transparenz beitragen

Die nationale Umsetzung der UTP-Richtlinie, die Landwirtschaftsministerin Köstinger jetzt auf den Weg bringt, ist jedenfalls ein wichtiger Schritt, um die Situation für unsere Bäuerinnen und Bauern zu verbessern. Der Gesetzesentwurf wurde Ende September in Begutachtung geschickt.

Unfair und künftig verboten

Wie Landwirte vom Handel gegängelt werden und was künftig nicht mehr erlaubt sein wird.

BISHER: Ein Landwirt liefert leicht verderbliche Paradeiser an eine Handelskette und wartet mehrere Monate auf die ausgemachte Bezahlung der Lieferung. NEU: Künftig muss das Handelsunternehmen innerhalb von 30 Tagen die offene Rechnung begleichen.

BISHER: Ein Handelskonzern feiert eine neue Filialen oder ein langjähriges Bestehen. Die Kosten von Werbeaktionen und Sonderangeboten werden direkt an die Lieferanten abgewälzt. Kunden strömen in die Filialen, dem Händler entstehen keine Kosten und der Lieferant muss zahlen. NEU: Die Kostenweitergabe an den Lieferanten bei Werbemaßnahmen und Vermarktung ist nicht erlaubt. Der Supermarktbetreiber muss für seine Werbung selber zahlen.

BISHER: Der Lieferant, der sich in einer schwächeren Verhandlungsposition sieht, möchte statt einer mündlichen Vereinbarung einen schriftlichen Vertrag aufsetzen, da das Handelsunternehmen häufig die mündliche Abmachung nachträglich ändert oder anders interpretiert. NEU: Auf Verlangen müssen schriftliche Verträge verfasst werden. So kann im Nachhinein Der Einkäufer nicht seine Marktmacht missbrauchen und mündliche Verträge in Frage stellen.

BISHER: Der Lieferant fühlt sich übers Ohr gehauen und ausgesetzt und bringt das zur Sprache. Das Handelsunternehmen droht ihm mit Auslistung aus dem Sortiment und Vergeltungsmaßnahmen, sollte er es wagen, sich an öffentlichen Stellen zu wenden. Der Lieferant schweigt aus Existenzangst. NEU: Das Handelsunternehmen macht sich durch Androhung strafbar. Die neue Ombudsstelle steht Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite, um deren Recht durchzusetzen.

BISHER: Der Lieferant bietet dem Handelsunternehmen ein neues Produkt zum Verkauf in dessen Filialen an. Dieses verlangt dann aber einseitig zusätzlich eine Gebühr, um das Produkt prominent zu platzieren oder überhaupt in das Sortiment aufzunehmen. NEU: Versteckten Kosten oder Extra-Zahlungen, die vom Lieferanten verlangt werden, um überhaupt in das Sortiment aufgenommen zu werden, werden verboten.

BISHER: Ein steirischer Apfelbauer liefert auf Basis eines mündlichen Vertrages 10 Tonnen Äpfel an eine Supermarktkette. Es werden aber nur 8 Tonnen im Handel verkauft, der Konzern liefert die restlichen 2 Tonnen wieder zurück, ohne sie zu bezahlen, obwohl dies so vereinbart war. NEU: Was bestellt und abgenommen wurde muss auch bezahlt werden. Die Handelskette muss die Gesamtlieferung von 10 Tonnen bezahlen.

BISHER: Handelsketten werben sehr intensiv mit Flugblättern oder Inseraten, in denen bestimmte Produkte beworben werden. Oft werden Lieferanten vor die Wahl gestellt: Entweder diese leisten einen finanziellen Beitrag oder ihr Produkt wird nicht in die Werbung aufgenommen und verkauft sich somit schlechter. NEU: Für eine Bewerbungen von Waren in Flugblättern darf es keine Kostenabwälzung an deren Lieferanten geben.

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