Kommentar von Sabine Kronberger,
Chefredakteurin „Welt der Frauen“
Ich war als Referentin des Tages noch gar nicht richtig im Saal angekommen, als mich neulich ein bäuerlicher Vertreter, einen Kuss links-rechts ansteuernd, begrüßte. Ganz Gentlefrau habe ich dabei die Hand durchgestreckt, um diesem bevorstehenden Kuss durch klare körperliche Signale entgegenzuhalten. Sehr geübt schnappte er mich an der Schulter, zog mich heran und gab mir seinen bärtigen Wangenkuss. Meine entgeisterte Reaktion nahm er mit einem Lächeln.
Später, als es zu Ehrungen auf der Bühne kam, das gleiche Bild. Jede ausgezeichnete Bäuerin erhielt seinen Wangenkuss, egal wie das Näheverhältnis war. Als ich später mit unzähligen Frauen ins Gespräch kam, bestätigten sie mir, dass er das immer tun würde, dass keine Frau es gerne habe, aber ja aufgrund seiner Funktion keine eine Wahl hätte. Direkt damit konfrontiert, dass dieses Küssen unangebracht sei, antwortete er, dass es sein Markenzeichen sei. Meine Ablehnung hat er grinsend ignoriert.
Deshalb mein Appell an alle Frauen: Niemand, wirklich niemand, darf uns küssen, umarmen oder eine Grenze überschreiten, wenn wir das nicht wollen. Und sofort folgend der Appell an alle Männer: Eine Frau zum Gruß zu küssen mag eine nette Geste sein, wenn man freundschaftlich verbunden ist. Nichtsdestotrotz braucht es dazu Einverständnis. Denn es ist keinesfalls „nur ein Busserl“ und es darf auch nicht sein, „dass sie sich nicht so anstellen soll“. Ein Kuss ist eine Berührung, die Erlaubnis voraussetzt. Ein „Er meint es nicht so“ oder „Er ist sonst wirklich nett“ sind keine duldbaren Entschuldigungen.