Noch ist Österreich verschont, aber es gilt, wachsam zu sein. Ausgehend vom Zentralraum der Niederlande könnte eine neue Welle der Blauzungenkrankheit über Europa rollen. Den Sprung über den Ärmelkanal in das Vereinigte Königreich haben das Virus bzw. die als Überträger dienenden blutsaugenden Gnitzen bereits geschafft.
Krankheitswelle nimmt erst im August Fahrt auf
Aufgrund der ernsten Befallssituation hat der Vet-Pharma-Konzern Boehringer-Ingelheim kürzlich über die aktuelle Lage berichtet. Mark Holsteg, Rinderfachtierarzt bei der LK Nordrhein-Westfalen, erläuterte dabei, dass die Epidemiewelle erst im August so richtig Fahrt aufnehmen werde. Dies hänge mit dem Entwicklungsverlauf des Krankheitserregers zusammen. Denn das Blauzungenvirus (Bluetongue Virus, BTV) brauche warme Bedingungen zur Vermehrung. Der Übertragungsweg führe ausschließlich über blutsaugende Insekten, den Gnitzen (Culicoides). Eine Übertragung von Tier zu Tier finde nicht statt. Das Virus entwickle sich in den Speicheldrüsen des Insekts, bei 30 °C reiche bereits ein Tag, um die Infektion weiterzugeben, wogegen beispielsweise bei 15 °C etwa drei Wochen erforderlich seien.
Die Gnitzen selbst sind nur einen halben bis maximal drei Millimter groß, somit deutlich kleiner als Gelsen. Auch in heimischen Ställen sind die kleinen Blutsauger weitverbreitet, was auch Tierarzt Franz Kritzinger auf seiner Facebook-Seite in einem Kurzvideo anschaulich dokumentiert (siehe Foto unten rechts).
Lahmheiten, Fieber, weniger Milch
Anfällig für die Blauzungenkrankheit sind alle Wiederkäuer, wobei vor allem Schafe die schwersten Krankheitsverläufe zeigen. Bei den Rindern kommt es etwa drei bis zwölf Tage nach der Infektion (Insektenstiche) zum Krankheitsausbruch, der in der Folge bis zu 200 Tage andauern kann (bei Schafen 100 Tage) und dann wieder abheilt. Infektiös bleiben Rinder etwa 60 Tage lang nach dem Ausbruch.
Der Verlauf ist bei Jungtieren mit guter Immunabwehr oft mild, erwachsene, geschwächte Tiere leiden stärker. Risikogruppen sind laktierende und hochtragende bzw. kalbende Milchkühe. Die infizierten Tiere bekommen hohes Fieber bis 41 °C wobei die Maulschleimhäute sonnenbrandartig entzündet sind und vermehrter Speichelfluss sowie Tränenfluss aus geröteten Augen auftritt. Die Tiere sind häufig apathisch und atmen mit erhöhter Frequenz. Das Virus greift auch Gefäßwände und Blutgefäße an, was durch Schäden und Schmerzen an den Klauen Lahmheiten verursacht. Bei laktierenden Kühen geht die Milchleistung um zehn bis 30 Prozent zurück, was sich über Monate dahinschleppt. Auch nach Genesung kann die Milchleistung dauerhaft vermindert sein.
Einzige wirksame Maßnahme, um den Tieren beizustehen und die Herden vor größeren Schäden zu bewahren, ist die Impfung. Dabei ist zu beachten, dass das BT-Virus in etwa 27 Sero-typen auftritt, die jeweils gesonderte Impfstoffe verlangen. Somit sind die Impfstoffe aus den bisherigen Seuchenzügen nur eingeschränkt wirksam.
Anzeigepflichtige Krankheit
In Österreich ist im Jahr 2008 der Serotyp BTV-8 aufgetreten sowie ab 2015 auch BTV-4. Seither führt die AGES ein amtliches Monitoring durch. Der aktuelle Serotyp BTV-3 ist mit den vorhandenen Impfstoffen nicht bekämpfbar, jedoch kann die Firma Boehringer-Ingelheim seit Kurzem einen wirksamen Impfstoff gegen BTV-3 bereitstellen. Die Impfung ist auch in Österreich zugelassen. Die Blauzungenkrankheit ist in Österreich eine gemäß Tierseuchengesetz anzeigepflichtige Krankheit. Da Verwechslungen mit der Maul- und Klauenseuche möglich sind, sollten Verdachtsfälle unverzüglich geprüft werden.
Da die Vermehrungsbedingungen für Gnitzen heuer sehr gut sind, ist erhöhte Wachsamkeit angebracht.
- Bildquellen -
- 2428 W01 BTV Karte: Boehringer Ingelheim