Die verpflichtende Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft für Grundeigentümer in Niederöstereich ist, nach einem Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 10. Oktober, zu dulden. Für Waldbesitzer stelle die Pflicht zur flächendeckenden Jagd zwar eine Eigentumsbeschränkung dar, die jedoch aufgrund des öffentlichen Interessses an Biodiversität, Artenreichtum und Vermeidung von Wildschäden diene, wurde im Urteil festgestellt.
Verfassungsgerichtshof wies Beschwerde ab
Vier niederösterreichische Grundbesitzer hatten versucht, für ihre Grundstücke aus vorwiegend ethischen Gründen eine Jagdfreistellung zu erwirken. Dies wurde in erster Instanz – von der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft – ebenso abgelehnt wie beim Landesverwaltungsgericht in zweiter Instanz.
Gegen die abweisenden Entscheidungen erhoben sie Beschwerde beim VfGH. Sie verwiesen dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), nach der die Duldung der Jagd für Grundstückseigentümer, welche die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen, eine unverhältnismäßige Belastung darstelle.
Die von den Grundbesitzern eingebrachten Beschwerden wurden nun vom VfGH abgewiesen, was von diesem folgendermaßen begründet wurde: Bei der Zwangsbejagung handle es sich um eine Eigentumsbeschränkung, die sich allerdings als gerechtfertigt erweise. Die entsprechenden Bestimmungen im niederösterreichischen Jagdgesetz dienen jenen öffentlichen Interessen, die der VfGH in einem das Kärntner Jagdrecht betreffenden Verfahren bereits 2016 für ganz Österreich festgestellt hat, nämlich der Biodiversität, des Artenreichtums und der Vermeidung von Wildschäden. Dies haben bei einer öffentlichen Verhandlung auch Auskunftspersonen aus den Bereichen der Wildbiologie sowie der Land- und Forstwirtschaft deutlich gemacht.
Weiters wurde festgestellt: Der Einfluss des Wildes auf die Land- und Forstwirtschaft sei in Niederösterreich in allen Regionen gleichermaßen hoch, und zwar unabhängig vom Anteil des Waldes und unabhängig davon, ob es sich um alpine Regionen handelt. Durch eine Herausnahme einzelner Grundflächen würde das System der Wildbewirtschaftung in seiner praktischen Effektivität gefährdet.
Die flächendeckende Jagdbewirtschaftung soll außerdem gewährleisten, dass angeschossenes und krankes Wild zuverlässig durch den dazu berufenen und ausgebildeten Jagdausübungsberechtigten erlegt wird, was den öffentlichen Interessen der Weidgerechtigkeit (dem „jagdlichen Tierschutz“) sowie der Seuchenvermeidung und Seuchenprävention dient. Schließlich soll das Wild mit Lenkungseffekten durch Bejagung und Fütterung von wildschadensanfälligen Kulturen (etwa Schutzwäldern) und Straßen ferngehalten werden, um Wildschäden und Unfälle auf Grund von Wildwechsel hintanzuhalten.
Der Verfassungsgerichtshof verwies außerdem auf die Möglichkeit, Liegenschaften schalenwilddicht zu umfrieden bzw. zu umzäunen. In diesem Fall kann die Bezirksverwaltungsbehörde das Ruhen der Jagd verfügen. In dem Erkenntnis heißt es wörtlich: „Diese Regelung kann auch von jemandem, der die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt, in Anspruch genommen werden. Der Eingriff in das Eigentumsrecht ist daher verhältnismäßig.“
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