Das Agrar- und Ernährungssystem wird von zahlreichen Widersprüchen und Spannungslagen geprägt. Die Folgen des Klimawandels sind bereits deutlich spürbar auch in Österreich und sie beeinflussen die land- und forstwirtschaftliche Produktion und damit auch die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. „Es braucht daher eine Transformation des Ernährungssystems, damit dieses auch unter künftigen Anforderungen eine sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln gewährleisten kann“, betonte Bauernbund-Landesobfrau und Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger im Zuge der Spitzenfunktionäre-Tagung. Für sie ist klar: „Der Umbau ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Aus diesem Grund hat Langer-Weninger in ihrem Ressort einen Expertenrat eingerichtet. Die Kreislaufwirtschaft, nach dessen Prinzip die Landwirtschaft bereits seit jeher arbeite, wird dabei als „das beste Werkzeug für eine nachhaltige Zukunft“ gesehen. „Produktion und Konsumation können immer nur im Einklang erfolgen. Wir Bäuerinnen und Bauern müssen dafür auch öfters die Komfortzone verlassen“, so Langer-Weninger.
Unzureichende Datengrundlage im Agrar- und Lebensmittelsektor
Der Leiter des Expertenrats Josef Plank, der auch Vorsitzender des Boku-Unirats ist, sieht das Thema Nachhaltigkeit als entscheidenden Wettbewerbsfaktor: „Mit der Einbindung landwirtschaftlicher Systeme in globale Wirtschafts- und Stoffkreisläufe und der verstärkten Forderung nach Berücksichtigung ökologischer und gesellschaftlicher Belange, wie effiziente Ressourcennutzung, Reduktion von Treibhausgasen und tierverträgliche Produktion, ist der Bedarf an Ansätzen und Methoden zur Bewertung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Systeme gestiegen“, so Plank. Der Nachweis der Nachhaltigkeit für einzelne landwirtschaftliche Betriebe, Unternehmen entlang vor- und nachgelagerter Wertschöpfungsketten und den gesamten Agrarsektor stelle eine wichtige Grundlage für fundierte politische Entscheidungsfindung dar.
Problematisch sei, dass die Datenlage im Bereich Nachhaltigkeit für den Agrar- und Lebensmittelsektor derzeit als „nicht ausreichend bewertet“ werde. So würden laut Plank beispielsweise Emissionsdaten oder auch Daten zu sozialen Aspekten fehlen. Viele Unternehmen hätten aber bereits begonnen, selbstständig Nachhaltigkeitsdaten ihrer Vertragslandwirte zu erheben. Ohne eine einheitliche Datenabfrage könne das schnell zur Überforderung der Landwirte führen. „Nachhaltigkeit wird der künftige Qualitätsstandard sein. Derzeit gibt es noch die Möglichkeit aktiv in der Ausgestaltung teilzunehmen. Die Zeit drängt aber“, so der Leiter des Expertenrats, dem als Ziel ein österreichweit einheitliches System der Datenabfrage vorschwebt, sodass jeder land- und forstwirtschaftliche Betrieb eine einfache und transparente Übersicht über sein Wirtschaften hat und diese Daten auch im Markt einsetzen kann.
In dieselbe Kerbe schlug auch Agrarökonom Franz Sinabell, der über ein laufendes Forschungsprojekt berichtete, dass sich mit landwirtschaftlichen Emissionen von „Nicht-CO2-Treibhausgasen“ (Methan, Lachgas) beschäftigt. Dabei werde ein digitales Monitoring-System erarbeitet. Erste Auswertungen von bäuerlichen Testbetrieben sollen bereits in den nächsten Monaten bekannt sein. „Die heimische Landwirtschaft hat einen Anteil von 9,3 Prozent an den gesamten nationalen Treibhausgasemissionen. Ziel ist die Reduzierung der Emissionen bis 2030 um knapp die Hälfte. Das ist eine gewaltige Herausforderung“, betonte der Agrarökonom, dessen Vision es ist, dass künftig im Grünen Bericht neben wirtschaftlichen Daten auch ein CO2-Report der Betriebe aufscheint.
Digitale Technologien helfen Emissionen zu reduzieren
Möglichkeiten landwirtschaftliche Treibhausgase in der Praxis zu reduzieren, werden hierzulande unter anderem von der Innovation Farm in Wieselburg erforscht. „Je effizienter die Bewirtschaftung ist, desto positiver die CO2– Bilanz. Mit Hilfe digitaler Technologien können wir dem Optimum näherkommen und zu einer nachhaltigen Intensivierung beitragen“, so Markus Gansberger. Als Maßnahmen im modernen Pflanzenbau gelten folgende Technologien: Einsatz von Spurführungs- und Lenksystemen, automatische Teilbreitenschaltung sowie die teilflächenspezifische Bodenbearbeitung. „Künstliche Intelligenz wird uns dabei unterstützen, aber nicht ersetzen“, so der Experte, der auch den Bachelorstudiengang Agrartechnologie & Digital Farming leitet.
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