Laut EU-Agrarkommissar Wojciechowski werden die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategien vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und im Kontext der Lebensmittelversorgung und der neuen Situation in den nächsten Wochen geprüft. Man müsse jetzt dafür sorgen, dass die Agrarproduktion in Europa gesichert werde, erklärte der Pole. So verwies Wojciechowski auch auf die Flächenstilllegungen und die Möglichkeit, auf den Brachen Proteinpflanzen anzubauen. Ein Kurswechsel deutet sich auch in Sachen Privater Lagerhaltung (PLH) von Schweinefleisch an. Auch diese Maßnahme wollte der EU-Agrarkommissar nicht mehr ausschließen, ebenso einen Einsatz des Europäischen Mechanismus zur Krisenvorsorge im Bereich der Ernährungssicherheit.
Nicht nur in der EU-Kommission ist man überzeugt, dass Russlands Angriff auf die Ukraine ernste Auswirkungen auf den Handel mit Agrarprodukten und Lebensmitteln haben. Einig sind sich die EU-Agrarminister darin, dass zur Bewältigung der zu erwartenden Verwerfungen auf den Agrarmärkten alle relevanten internationalen Netzwerke eingebunden werden sollten; allen voran die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und ihr Agrarmarktinformationssystem (AMIS), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie die G7 und die G20. Am 23. März tagten die Verantwortlichen des AMIS das nächste Mal, zwei Tage zuvor kommen die EU-Agrarminister erneut zusammen. Zudem stehen die Minister unregelmäßig bei Online-Sonderausschüssen miteinander in Kontakt.
Jagd auf den ukrainischen Agrarminister
Irlands Agrarminister Charlie McConalogue begrüßte die starke Solidarität der EU mit der Ukraine. Zugleich betonte er, dass die Reaktion der Gemeinschaft die Ernährungssicherheit nicht gefährden dürfe. Litauens Agrarminister Kerstutis Navickas berichtete von einem Gespräch mit dem Agrarminister der Ukraine, Roman Leshchenko. Dieser werde als Regierungsmitglied in Kiew nach eigenen Angaben gejagt und müsse daher regelmäßig den Standort wechseln. In der Ukraine seien die Versorgungsketten unterbrochen, viele Fabriken geschlossen, und die verbliebenen könnten nicht ausreichend produzieren. Der Agrarpolitiker aus dem Baltikum sprach sich dafür aus, Nahrungsmittellieferungen in die Kriegsregion zu organisieren.
Özdemir verteidigt Nachhaltigkeitsziele
Deutschland Landwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärte, „wir halten die Auswirkungen auf die Agrarmärkte genau im Blick”. Eine deutliche Absage erteilte der Politiker der Grünen indes Forderungen, Teile der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auszusetzen, um das Produktionsniveau in der EU zu erhöhen: “Wer in dieser Situation fordert, erste Schritte der europäischen Agrarpolitik hin zur Förderung einer klima- und umweltschonenden Landwirtschaft zurückzudrehen, dem will ich ganz deutlich machen, dass er hier auf dem Holzweg ist.” Um das Recht auf Nahrung nachhaltig weltweit zu sichern, müssten die ökologischen Krisen entschieden bekämpft werden, betonte der Minister.
Gravierende Folgen habe der Ukraine-Krieg laut Michael Scannel, stellvertretender Direktor der Generaldirektion Landwirtschaft (DG Agri) in Brüssel, in der EU auf den Handel mit Getreide, Ölsaaten und Geflügel sowie auf die Exporte von Schweinefleisch in die Ukraine. Nach Angaben des Kommissionsvertreters ist der Handel über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen vollständig zum Erliegen gekommen.
Die Kommission geht zudem davon aus, dass der Krieg auch die anstehende Frühjahrsaussaat und als Folge mindestens die diesjährige Ernte schwer beeinträchtigen wird. Die EU-Dachverbände der Getreidehändler (COCERAL), Mischfutterhersteller (FEFAC) und Ölmühlen (FEDIOL) forderten bereits Notfallpläne, um den Wegfall der Lieferungen aus der Ukraine abzufedern und mögliche negative Auswirkungen auf die Lebens- und Futtermittelversorgung in der Union zu begrenzen.
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