Molkereien kämpfen mit Kostensteigerungen

Helmut Petschar (r) und Johann Költringer präsentierten die Eckdaten der heimischen Milchwirtschaft für das Jahr 2022.

Höhere Umsätze, Erträge nahezu Null. Massive Kostensteigerungen und extreme Preisschwankungen bringen die heimische Milchwirtschaft unter Ergebnisdruck. Nimmt man Österreichs Milchverarbeiter als ein Unternehmen (“Molkerei Österreich”), dann konnte diese im Jahr 2022 ihren Umsatz zwar um 25 Prozent auf beachtliche 3,8 Milliarden Euro steigern, allerdings fiel das bereinigte Betriebsergebnis mit nur 0,2 Prozent des Umsatzes auf “nahezu nichts”. Diesen ernüchternden Befund gab der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, Helmut Petschar, am 29. März 2023 im Rahmen der Jahrespressekonferenz für 2022 bekannt. Bei einer Inflation von nahezu zehn Prozent gehe dies an die Substanz der heimischen Molkereien und Käsereien.
Als Gründe für die Entwicklung nannte Petschar, dass die Umsatzsteigerungen größtenteils durch Preisauftrieb begründet seien und kaum durch verbesserte Mengenvolumina. Zudem seien die höheren Preise vor allem durch steigende Kosten getrieben.

Handel spielt Marktmacht aus

Die kaum vorhandene Redite sei ein Beleg dafür, dass die Milchverarbeiter die höheren Erlöse an die Bauern weitergegeben haben. Er habe diesbezüglich auch ein Gespräch mit der Präsidentin der Arbeiterkammer, Renate Anderl, geführt, die an der Preispolitik bei Milchprodukten unsachliche Kritik geübt hat.
Petschar betonte, dass der Preisauftrieb in Österreich wesentlich geringer als etwa in Deutschland ausgefallen sei. Petschar bezifferte den Abstand der Inflationsrate bei Milchprodukten zu unserem Nachbarland auf bis zu zehn Prozent, was für die heimischen Bauern geringere Erzeugerpreise bedeutet habe. Als möglichen Grund für diese Entwicklung nannte Petschar die hohe Handelskonzentration in Österreich. Einzelne Handelsvertreter haben sogar öffentlich davon gesprochen, dass “einige Kostensteigerungen im Einkauf abgewehrt werden konnten”.

Quelle: VÖM / AMA / ZMB
Österreichs Milchbauern erzielten im Vorjahr geringere Preise als ihre Kollegen in Deutschland – ein Zeichen dafür, dass der Preisauftrieb hierzulande wesentlich moderater vonstatten ging.

Massive Kostensteigerungen

Laut Petschar war 2022 für die heimische Milchwirtschaft ein sehr außergewöhnliches Jahr. Der Ukrainekrieg habe noch nie gesehene Teuerungen bei Energie, Rohstoffen und weiteren Vorleistungen für Landwirte und Verarbeiter ausgelöst. Die hohen Kosten und kriegsbedingte Verunsicherungen führten in der Milchwirtschaft zu hoher Volatilität und historischen Preissteigerungen, wobei derzeit wieder fallende Notierungen zu beobachten sind und damit der Zenit überschritten sein dürfte.

Milchanlieferung 2022 leicht gestiegen

Bemerkenswert ist, dass die heimischen Milchbauern die Anlieferung hoch gehalten haben. Während Anfang 2022 die Milch EU-weit knapp war weil die Bauern in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden deutlich weniger geliefert haben, blieben die heimischen Landwirte auf Wachstumskurs. Die Gesamtanlieferung ist mit 3,5 Mio. t in Österreich um 2,9 % gestiegen.

Leichte Delle bei Bio

Einen leichten Rückgang gab es allerdings bei Bio-Milch. Mit rund 605.000 t Anlieferung fiel deren Anteil von 19,4 auf 18,9 Prozent. Dies sei zwar immer noch der höchste Biomilchanteil in der EU, die Bio-Produktion sei aber durch verschärfte Auflagen (Weideverpflichtung) unter Druck gekommen. Dazu kommen mit Heumilch, der Biowiesenmilch undTierwohlmilchweitere höherwertige Milchsorten.

Kosten fressen höhere Milchpreise auf

Die Erzeugerpreise konnten in Österreich sowie in der EU deutlich zulegen und erreichten zum Jahreswechsel Höchstwerte. Im Vergleich zu den Spotmärkten erfolgte diese Entwicklung allerdings mit Verzögerung. Für gentechnikfreie Qualitätsmilch (4,0 % Fett, 3,4 % Eiweiß, ohne USt.) erzielten die Landwirte im Vorjahr durchschnittlich 46,97 Cent/kg, was um 30,4 Prozent über den 36,01 Cent/kg aus dem Jahr 2021 lag.
Im Februar des heurigen Jahres lag das Preisniveau auf 54,28 Cent. Allerdings stehen dieser Preisentwicklung bei den Landwirten massive Kostensteigerungen bei Futtermitteln, Treibstoffen und Baukosten gegenüber. Aufgrund der aktuellen Preisentwicklungen mussten die österreichischen Molkereien so wie auch in anderen Ländern die Auszahlungspreise zuletzt zurücknehmen, was angesichts der anhaltend hohen Kosten eine schwierige Entwicklung darstellt.

Weniger Milchbauern

Die knappe Ertragslage hat auch bei den Milchbauern Spuren hinterlassen. Die Anzahl der Betriebe verringerte sich 2022 um 2,9 % von 23.868 auf 23.178. Bei einem vergleichsweise stabilen Milchkuhbestand von rund 551.000 Tieren hielt jeder Landwirt im Schnitt 23,8 Kühe, was international gesehen immer noch ein sehr kleiner Wert sei, so Petschar. Die durchschnittliche Milchlieferleistung der Kühe lag bei 6.358 kg, im internationalen Vergleich ein moderater Wert, der die nachhaltige Produktion in Österreich dokumentiert.
Die durchschnittliche Anlieferung je Landwirt stieg von 142,6 auf 151 t. Das durchschnittlich ausbezahlte Milchgeld je Landwirt (Umsatz aus Milchverkauf) lag mit 85.654 € um 34 % über dem Vorjahr. Diese Entwicklung sei notwendig gewesen, um die deutlich gestiegenen, laufenden als auch die massiv gestiegenen Investitionskosten auf den Höfen abzudecken.

Exportquote 45 Prozent

Die österreichischen Milchexporte erreichten 2022 mit vorläufig geschätzten 1,7 Milliarden Euro einen neuen Höchstwert (plus 26,2 %). Bei den Importen gab es einen Zuwachs auf 1,07 Milliarden Euro (plus 27,2 %), was zu einem gestiegenen, positiven Außenhandelssaldo von 643 Millionen Euro (plus 29,4 %) führte. Die Exportquote bezogen auf den Umsatz betrug damit ca. 45 %, die Importquote 28 %.

Wichtigstes Außenhandelsprodukt ist Käse.

Wichtigstes Exportland mit einem Anteil von 51 % ist Deutschland, gefolgt von Italien, den Niederlanden und Griechenland. Beim Import liegt ebenfalls Deutschland mit einem Anteil von 59 % vorne, gefolgt von Italien, den Niederlanden und Griechenland.

Absatzentwicklung stabil, Trend zu Handelsmarken

Der Absatz hat sich nach dem Ende der Corona bedingten Schließungen wieder auf die alten Strukturen zurückentwickelt. Gemäß Auswertungen der RollAMA gab es damit im Vergleich zum Vorjahr einen mengenmäßigen Rückgang im Einzelhandel, allerdings im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor Corona, einen mengenmäßigen Zuwachs. Gestiegen sind die Werte infolge der Preiserhöhungen. Die Konsumenten zeigten im Einkaufsverhalten aufgrund der Preisdebatte mehr Sensibilität, Handelsketten konnten ihre Eigenmarken weiter pushen.

Weitere Verbesserungen beim Tierwohl, Appell an den Handel

Über die Milch kann ansonsten für die Ernährung nicht nutzbare Biomasse in hochwertige Lebensmittel verarbeitet werden. Dazu zeichnet die Milchproduktion in Österreich höchste Nachhaltigkeitsstandards aus, wie Gentechnikfreiheit, beste Klimaschutzwerte in der EU, höchste Bioanteil, hohe Fütterungs- und Tierwohlstandards sowie eine regionale Verarbeitung. Aktuell werde an einer weiteren Verbesserung der Tierwohlstandards gearbeitet, so der VÖM-Präsident. Dies umfasse ein Ende der dauernden Anbindehaltung im AMA-Gütesiegel mit Ende 2023, weiters werde ein einheitliches Tierwohlkennzeichnungssystem erarbeitet, das eine weitere und auf österreichische Bedingungen angepasste Verbesserung des Tierwohls bringen wird. Petschar: „Die österreichische Milchwirtschaft hofft, dass dieser verantwortungsvolle Weg vom österreichischen Handel und den Konsumenten mitgetragen wird.“

- Bildquellen -

  • 230329 W Erzeugerpreise: VÖM / AMA / ZMB
  • 230329 W VOEM Petschar Koeltringer: BZ / Maad
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AUTORH.M.
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