Saisontypischer Stau an den Schlachtrampen in Deutschland und Österreich.

Eine Herde von gerade einmal 13 Wasserbüffeln war es, die binnen weniger Tage eine Kaskade an Reaktionen im internationalen Handel mit Vieh, Fleisch und Milchprodukten auslöste. Auf die Nachricht, dass in Deutschland nach gut 35 Jahren wieder ein Fall von Maul- und Klauenseuche (MKS) bekannt wurde, reagierten Länder wie Südkorea und Mexiko mit sofortigen Importstopps. „Der Fleisch- und Warenfluss in ganz Europa wurde über Nacht auf den Kopf gestellt“, kommentierte die Geschäftsführung des größten Schweinefleischproduzenten des Kontinents, Danish Crown, die Ereignisse.

Danish Crown: „Der Fleisch- und Warenfluss in ganz Europa wurde über Nacht auf den Kopf gestellt.“

Auch EU-Mitgliedstaaten reagierten. So verstärkte Polen seine Grenzkontrollen für empfängliche Tierarten, die Niederlande kündigten an, alle Mastbetriebe mit Tieren aus der betroffenen Region zu überprüfen. Schon vergangene Woche bezifferte der Deutsche Raiffeisenverband den für die Wertschöpfungskette bisher entstandenen Umsatzverlust auf eine Milliarde Euro. Und das in gerade einmal sechs Tagen. „Das macht die Dimension und die möglichen Gesamtschäden für die Zukunft deutlich“, teilte man mit.

50 Prozent der Milchexporte gehen an Drittstaaten

Besonders hart könnte es die deutsche Milchwirtschaft treffen. Jüngsten Ausfuhrzahlen zufolge ist diese nämlich bei abgepackter Milch und Rahm sowie Milchpulver besonders von Exporten in Drittstaaten abhängig. Gut die Hälfte der Gesamtausfuhren (welche 50 Prozent der Gesamtproduktion ausmachen) verließen demnach zuletzt die Europäische Union. Die Krux: Laut Angaben des Milchindustrieverbandes sei MKS-Freiheit in vielen Zielländern fixer Bestandteil der Exportzertifikate. Derzeit könnten die deutschen Behörden diese folglich nicht mehr ausstellen. Im Landwirtschaftsministerium in Berlin bemüht man sich um Lösungen. Eine davon sind Sonderregelungen, dass nur die betroffenen Regionen von Ausfuhren ausgenommen werden. Auch der Raiffeisenverband macht diesbezüglich Druck: „Wir brauchen überall dort, wo es nicht wissenschaftlich begründbar ist, möglichst schnell wieder Exportfreiheit. Jeder Tag zählt!“

Bei Fleisch vor allem Schwein betroffen

Die Fleischwirtschaft dürfte bei möglichen weiteren Exportstopps in Drittstaaten verhältnismäßig glimpflich davonkommen. Der deutsche Verband der Fleischwirtschaft bezifferte den Anteil der Exporte, die die Europäische Union verlassen, bei Rindfleisch inklusive verarbeiteten Produkten auf lediglich neun Prozent. Bei Schweinefleisch liege der Drittlandsanteil gut doppelt so hoch. 2023 betrug er acht Prozent der Gesamterzeugung der BRD. Dennoch reagierten vergangene Woche die Schweinenotierungen mit einem deutlichen Abschlag. Der Grund ist laut der bundesdeutschen Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG) in einer komplexen Gemengelage zu suchen. Ein Überangebot an Schlachtschweinen sei im Jänner auch in Deutschland typisch, nun komme noch die MKS-Problematik hinzu. Als Folge fiel die deutsche Notierung im neuen Jahr die zweite Woche in Folge um 10 Cent auf 1,72 Euro je Indexpunkt. Diese Woche folgten auch die Ferkelpreise dem altbekannten Muster. Laut VEZG gaben sie um 10 Euro je Ferkel nach.

Negativer Trend in der gesamten EU?

Die Preisentwicklungen in Deutschland haben bekanntlich auch Auswirkungen auf die Schweinepreise in den übrigen EU-Mitgliedstaaten. „In der Tendenz sind sie negativ“, weiß Johann Schlederer von der Österreichischen Schweinebörse. So schlug auch hierzulande vergangene Woche das deutsche Minus in der Mastschweinenotierung durch. Sie fiel „der Abnehmerforderung ein Stück weit entsprechend“ um 5 Cent auf 1,86 Euro.

Regionalisierung mit Hindernissen

Doch woher rührt diese Entwicklung? Eigentlich gilt in der Europäischen Union in solchen Fällen das sogenannte Regionalisierungsprinzip. Einschränkungen für den Binnenmarkt gibt es nur für tatsächlich betroffene Gebiete. Auch diesmal hat die EUKommission die Entscheidung der brandenburgischen Veterinärbehörden bestätigt, wonach Handelseinschränkungen lediglich für die örtliche Schutzzone rund um den positiv getesteten Betrieb gelten.

Schlederer: „Solange nicht klar ist, ob die BRD die Seuche zu hundert Prozent im Griff hat, werden internationale Abnehmer vorsichtig sein.“

Dennoch ist die Nachfrage nach deutschem Schweinefleisch in der EU verhalten. Für Johann Schlederer liegen die Gründe dafür auf der Hand: „Solange nicht klar ist, ob die BRD die Seuche zu hundert Prozent im Griff hat, werden internationale Abnehmer vorsichtig sein.“ Zu groß sei das Risiko einer Einschleppung in das jeweilige Land, unter der nicht nur die Preise, sondern auch die Reputation leiden würde. Schlederer geht jedenfalls davon aus, dass (sollte sich keine Besserung einstellen) weitere Länder Importstopps verhängen werden: „Das für Drittstaaten bestimmte Schweinefleisch brächte dann den EU-Markt unter Druck.“

Ob das Regionalisierungsprinzip in der Praxis tatsächlich umgesetzt werde, stellt er aber ebenso infrage. „Ausnahmen bestätigen die Regel.“ Für den Marktkenner ist es denkbar, dass auch Mitgliedstaaten Importverbote verhängen, was möglicherweise weiteren Preisdruck mit sich brächte. Noch sei all das aber Zukunftsmusik. „Im besten Fall ist Deutschland demnächst wieder MKS-frei, dann steht einem erfolgreichen Schweinejahr auch 2025 nichts im Wege“, ist Schlederer überzeugt. Weniger optimistisch zeigte sich Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes: „Im Best Case wären die Restriktionen in drei Monaten weg. Realistisch sind eher sechs.“

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  • Schlachthof Anlieferung: agrarfoto.com
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AUTORClemens Wieltsch
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